Integration:Junge Flüchtlinge sollen weniger kosten

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Ein Flüchtling am Fenster seines Zimmers in einer Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. (Foto: dpa)
  • Bayerns Bezirke kämpfen um eine Entlastung bei den hohen Betreuungskosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
  • Sozialministerin Emilia Müller will sich nun dafür einsetzen, die hohen Standards der Jugendhilfe "dem Bedarf anzupassen".
  • Das teure Hilfesystem sei womöglich nicht für jeden Flüchtling notwendig.

Von Dietrich Mittler, München

Seit exakt einem Jahr kämpfen Bayerns Bezirke verstärkt darum, mehr staatliche Entlastung bei den hohen Betreuungskosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu bekommen. Nun will ihnen Sozialministerin Emilia Müller unter die Arme greifen. Am Freitag sicherte Müller den Bezirken zu, sie werde ihren Einfluss sowohl im Kabinett als auch in Berlin geltend machen, um die hohen Standards der Jugendhilfe "dem Bedarf anzupassen", wie es Josef Mederer, der Präsident des Bayerischen Bezirketags, nach der Zusammenkunft im Sozialministerium zusammenfasste. Bei vielen jungen Flüchtlingen dürfte es also auf eine Absenkung der Betreuungsstandards hinauslaufen, wenn Müllers Initiative Erfolg hat.

Die Ministerin geht damit auf eine der Forderungen ein, die der Bayerische Bezirketag derzeit per Resolution an die Staatsregierung richtet. Darin weisen die Bezirke eindringlich auf die Notwendigkeit hin, "die gesetzlichen Regelungen zur ausnahmslosen Versorgung der unbegleitet und minderjährig eingereisten Ausländer im System der Kinder- und Jugendhilfe" zu überprüfen.

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Trotzdem gebe es noch zu viel Personal für die Betreuung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge. Die Stadt bezahlt die freien Träger deshalb nur noch unter Vorbehalt.

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Dieses ebenso umfassende wie teure Hilfssystem sei ursprünglich zugeschnitten auf sehr problematische deutsche Jugendliche. Oft aus zerrütteten Familien stammend, schwerst erziehbar und bisweilen auch strafrechtlich auffällig geworden, sei diese Klientel tatsächlich auf eine umfassende sozialpädagogische, wenn nicht gar therapeutische Betreuung angewiesen. "Und diese Problemlage würde ich nun nicht bei allen unbegleitet hier eingetroffenen minderjährigen Flüchtlingen unterstellen", sagte Mederer. Für viele von ihnen seien im Grunde auch niedrigere Betreuungsstandards bedarfsgerecht.

Gleichwohl will Mederer auch in Zukunft sichergestellt wissen, dass diejenigen jungen Flüchtlinge, die tatsächlich ein hohes Maß an Fürsorge benötigen, diese weiterhin im Rahmen der Jugendhilfe bekommen. "Rausschmeißen mit Fußtritt, das darf es nicht sein", sagte Mederer. Er argumentiert dabei so: Es komme die Gesellschaft teuer, solche Jugendliche "nicht fit für die Gesellschaft zu machen".

Der CSU-Politiker hat indessen auch jene jungen Flüchtlinge im Auge, die nach Vollendung des 18. Lebensjahrs immer noch Jugendhilfebedarf haben. Hier aber liegt das Problem. Der Freistaat erstattet den Bezirken zwar die Ausgaben für die Betreuung der unter 18-Jährigen, nicht aber die Kosten für die volljährig Gewordenen. Am Donnerstag erst hat Finanzminister Markus Söder in der Haushaltsdebatte im Landtag seine umstrittene Aussage wiederholt, er halte es nicht für gerecht, bis zu 5000 Euro monatlich für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auszugeben, wenn gleichzeitig deutsche Rentner mit ein paar hundert Euro auskommen müssten.

Es war also folgerichtig, dass die Bezirke am Freitag mit ihrer Forderung nach Erstattung der Kosten für über 18-jährige Flüchtlinge bei Söders Staatssekretär Albert Füracker auf Granit stießen. Aktuell werden in Bayern gut 3400 volljährige Flüchtlinge in der Jugendhilfe versorgt. Die Ausgaben, die dadurch entstehen, müssen die Bezirke - um nicht selbst in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten - per Umlage von den Kommunen einfordern.

"Die Kostenerstattungen belasten die Umlagezahler im Jahr 2016 bereits mit 140 Millionen Euro", heißt es in der Resolution, die auch Ministerpräsident Horst Seehofer erhielt. Mederers Standpunkt ist, dass "eine weitere Kommunalisierung" der Integrationskosten "nicht mehr vertretbar" sei. Dem widerspricht das Finanzministerium. In der Folge sind Umlageerhöhungen unvermeidlich. Der Bezirk Oberbayern etwa wird seine Kommunen 2017 voraussichtlich mit einer Erhöhung um zwei Umlagepunkte konfrontieren müssen. Das entspricht einer Summe von gut 130 Millionen Euro.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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