Innovativer Unterricht:Druckluftpädagogik

An einer Nürnberger Berufsschule probieren Mittel- und Realschüler die Theorie aus dem Unterricht an Maschinen aus und lernen dadurch Technikberufe kennen

Von Anna Günther, Nürnberg/Berlin

Das Projekt der Beruflichen Schule 2 in Nürnberg würden Optimierer von Prozessen, die neuerdings auch an Schulen geschickt werden, als Win-Win-Situation einstufen. Neubairisch für eierlegende Wollmilchsau. Mittel- und Realschüler kommen an mehreren Tagen an die städtische Berufsschule für Fertigungstechnik und können dort ausprobieren, was sie zuvor in Physik, Werken oder Technik theoretisch gelernt haben. Betreut werden die Mädchen und Buben dabei von Berufsschülern, die ihre Sozialkompetenzen ausbauen sollen, den Jüngeren erklären, wie das so läuft in Ausbildungsberufen und welche Berufe es überhaupt gibt.

Seit zehn Jahren arbeiten ausgewählte Lehrlinge der Metall-, KFZ- und Verkehrsberufe mit Schülern der Johann-Daniel-Preißler-Mittelschule zusammen, seit sechs Jahren ist auch die Veit-Stoß-Realschule beteiligt. "Die Schüler sollen selbst etwas tun und dabei erkennen, dass sie den Unterrichtsstoff wirklich im Beruf brauchen", sagt Lehrer Hasan Gencel, 39.

Anders als oft im Werkunterricht stellen die Achtklässler der Mittel- und Realschule an den Projekttagen keinen Zierrat für die Großeltern her, sondern Teile, die Funktionen haben. "Mit Druckluft werden zum Beispiel Kolben bewegt, Sauger transportieren in der KFZ-Fertigung schwere Teile und bei Getrieben spielt die Reibung eine große Rolle, aber auch Öl und Fette", sagt Gencel. Es sei wichtig, dass die Schüler das alles berechnen könnten, aber Praxisbezug erleichtere das Verständnis.

Innovativer Unterricht: "Perspektiven aufzeigen": Anders als in der Berufsberatung oder bei kurzen Praktika sollen die Schüler bei dem Projekt nicht nur zuschauen.

"Perspektiven aufzeigen": Anders als in der Berufsberatung oder bei kurzen Praktika sollen die Schüler bei dem Projekt nicht nur zuschauen.

(Foto: Hasan Gencel/oh)

An diesem Montag werden neben Gencel auch Jürgen Asam, Chris Aulinger, Kerstin Jonczyk-Buch und Michael Ziebell in Berlin mit dem Deutschen Lehrerpreis 2017 für ihr Projekt ausgezeichnet. Seit zehn Jahren veranstalten der Philologenverband und die Vodafone Stiftung den Wettbewerb, 4800 Schüler und Lehrer beteiligten sich in dieser Runde. 21 Preise werden an Lehrer und Projekte vergeben. Das Kooperationsmodell ist eines von sechs Unterrichtskonzepten, das die Juroren so überzeugt hat, dass sie es nicht nur anderen Schulen zur Nachahmung empfehlen, sondern das Lob auch noch versilbern. Welchen Preis die Nürnberger gewinnen, erfahren die Pädagogen erst im Rahmen der Preisverleihung. Alle Auszeichnungen für besonders innovativen Unterricht gehen 2017 nach Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Die Idee zum Nürnberger Modell hatte der Berufsschuldirektor Karl Schumann, Hasan Gencel war für die Umsetzung zuständig. "Wir wollten damals Mittelschülern Perspektiven aufzeigen, viele Achtklässler wissen ja nicht, was sie später machen sollen", sagt Gencel. Und anders als Berufsberatung oder kurze Praktika, in denen Schüler vor allem zuschauen, wollten Schumann und Gencel den Jugendlichen echte Einblicke in den Alltag an der Berufsschule und die Berufe bieten. Das Vermitteln übernehmen die älteren Berufsschüler, die so lernen, wie sie ihr Wissen an Jüngere weitergeben und wie sie richtig präsentieren. Zusätzlich kommt ein Ausbildungsmeister in die Berufsschule und beantwortet Fragen der Mittel- und Realschüler. Laut Gencel kommt die Kooperation gut an, die Mittel- und Realschüler würden am liebsten öfter kommen - und seine Schüler buhlen darum, Tutoren für die Jüngeren zu sein. Auch andere Schulen in Nürnberg hätten schon Interesse angemeldet. Die Nachfrage können Gencel und seine Kollegen nicht befriedigen, sie kümmern sich in der Freizeit um das Projekt.

Wenn Schüler ihre Lehrer loben

15 Pädagogen dürfen sich Deutschlands beliebteste Lehrer nennen: Sie bekommen ebenfalls den Deutschen Lehrerpreis, in der Einzelkategorie. Sie überzeugen die Jury, vorgeschlagen aber wurden sie von ihren Schülern. Schleimerei kann dabei ausgeschlossen werden, akzeptiert werden nur Bewerbungen von Mädchen und Buben, die bereits ihren Abschluss gemacht haben - und trotzdem den Lehrer auszeichnen wollen, der sie besonders geprägt hat. Die meisten Auszeichnungen gehen 2017 nach Bayern: Den Deutschen Lehrerpreis bekommen Tobias Berlinger vom Hildegardis-Gymnasium in Kempten, Jochen Niklas vom Nürnberger Dürer-Gymnasium, Maria Urban vom Städtischen Münchenkolleg (Gymnasium für Erwachsene) und Johannes Helgert, der an der Valentin-Ickelsamer-Mittelschule in Rothenburg ob der Tauber unterrichtet. angu

Schulminister Ludwig Spaenle lobt das persönliche Engagement der Lehrer und das Projekt - als "herausragendes Beispiel der gewinnbringenden Zusammenarbeit verschiedener Schularten" und "gelungene Verknüpfung von handlungsorientierten Aufgaben und deren Umsetzung". Vielleicht erwächst aus den warmen Worten ja das ersehnte Stundenbudget.

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