Innere Sicherheit:Bayerns Verfassungsschutz darf auf Vorratsdaten zugreifen

Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz in München, 2012

Der Studiengang richtet sich nur an Mitarbeiter der verschiedenen Geheimdienstbehörden, zum Beispiel des Landesamts für Verfassungsschutz.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag verabschiedetete gegen den Protest der Opposition ein neues Verfassungsschutzgesetz.
  • Die Behörde hat dadurch mehr Rechte und darf als einziger Verfassungsschutz von allen Bundesländern auf die Vorratsdatenspeicherung zugreifen.
  • Eigentlich ist das nur Polizei und Strafverfolgungsbehörden gestattet.

Von Lisa Schnell

Was ist wichtiger: das Recht der Bürger auf Privatsphäre oder ihr Anspruch, vom Staat geschützt zu werden? Welchen Preis sind wir bereit, für unsere Sicherheit zu zahlen? In solch philosophische Höhen begab sich die Diskussion im Landtag am Donnerstag, bevor die CSU-Mehrheit gegen heftigen Protest der Opposition ein neues Verfassungsschutzgesetz verabschiedete. Damit gibt sie dem Verfassungsschutz mehr Rechte, in die Privatsphäre der Bürger einzugreifen.

Als einziger Verfassungsschutz in Deutschland darf die bayerische Behörde nun auf die Vorratsdatenspeicherung zugreifen. Sie kann also über einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten zurückverfolgen, wann wer wie lange mit wem telefoniert hat. Eigentlich ist das bundesweit nur Polizei und Strafverfolgungsbehörden gestattet. Doch Innenminister Joachim Herrmann wendete einen rechtlichen Trick an.

Er definierte den Verfassungsschutz einfach als "Gefahrenabwehrbehörde". Damit missachte er das in der Verfassung verankerte Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz, sagte Katharina Schulze von den Grünen. Anders als die SPD halten die Grünen das Gesetz für verfassungswidrig. Sie prüfen noch, ob sie deshalb vor dem Verfassungsgerichtshof klagen.

Weniger Kontrolle durch das Parlament

Doch das ist nicht der einzige "verfassungsrechtlich hochbedenkliche Knaller", den die Opposition kritisierte. Die CSU habe nichts aus dem Versagen der Verfassungsschutzbehörden bei der Enttarnung des Neonazi-Trios NSU gelernt, so Schulze. Der Verfassungsschutz brauche mehr parlamentarische Kontrolle, das sei der einzig logische Schluss. Doch anstatt die parlamentarische Kontrolle zu erweitern, werde sie durch das neue Gesetz noch eingeschränkt.

So muss dem parlamentarischen Kontrollgremium jetzt nur mehr jährlich statt halbjährlich über die Ortung von Mobilfunkgeräten berichtet werden. Die Grünen fordern außerdem eine Abschaffung von verdeckten Ermittlern. "Rechtsextreme V-Leute bleiben Rechtsextreme, auch wenn sie vom Staat bezahlt werden", sagte Schulze.

Auch Franz Schindler von der SPD kritisierte, dass der Einsatz von V-Leuten in Bayern wesentlich weniger Einschränkungen unterliegt als in anderen Bundesländern. Nirgendwo anders erhalte der Verfassungsschutz außerdem die Erlaubnis zu geheimen Online-Durchsuchungen, sagt Schindler. Der Verfassungsschutz brauche diese Befugnisse auch gar nicht, weil sie schon die Polizei habe. "Es ist kein einziger Fall vorstellbar, wo der Verfassungsschutz die Befugnisse hat, die Polizei aber nicht", sagte Schindler.

Auch die Sinnhaftigkeit einer weiteren Neuregelung erschloss sich SPD und Grünen nicht. Von nun an sollen auch Kinder unter 14 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet werden können. "Die Radikalisierung erfolgt in immer jüngerem Alter. Darauf müssen wir reagieren", verteidigte Hans Reichhart von der CSU das neue Gesetz. Er erinnerte an den Fall einer 15-Jährigen in Hannover, die einen Polizisten mit einem Messer schwer verletzte. Schon als Siebenjährige habe sie sich salafistische Videos angeschaut, so Reichhart.

Was der Innenminister dazu sagt

Das müsse der Verfassungsschutz auf dem Schirm haben, eine Altersgrenze dürfe es nicht geben. "Wenn Sie dafür sorgen, dass keiner unter 16 Jahren etwas Böses tut in diesem Land, dann können wir uns das sparen", schrie Innenminister Herrmann gegen die Einwände der Opposition an.

Die letzten Urteile des Bundesverfassungsgerichts, die eine Stärkung der Privatsphäre betonten, sehe er mit "gewisser Sorge". Das neue Gesetz sieht vor, dass bis jetzt besonders geschützte Personen wie Journalisten oder Rechtsanwälte leichter beobachtet werden können. Hier könnte es sein, dass die CSU durch die neue Rechtsprechung noch mal nachbessern muss.

Auch Herrmann betonte, dass die CSU mit dem neuen Gesetz "in der Tat bis an die Grenzen dessen geht, was vom Rechtsstaat erlaubt ist".Dies sei aber zum Schutze der Freiheit und Sicherheit notwendig. Das habe übrigens schon der SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt, als er vor 40 Jahren gegen die Terrororganisation RAF kämpfte.

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