Innenstädte:Wie Kirchen und Gewerkschaften verkaufsoffene Sonntage verhindern

Immer wieder zieht die "Allianz für den freien Sonntag" vor Gericht. Doch Städte und Gemeinden wehren sich - ihnen geht es um die kleinen Einzelhändler.

Von Claudia Henzler

Es ist keine drei Jahre her, dass die oberbayerische Gemeinde Eching vom Bundesverwaltungsgericht eine eindeutige Ansage bekam: An Marktsonntagen dürfen nur die Läden im Ortskern öffnen, nicht die im Gewerbegebiet, in dem der Möbelriese Ikea sitzt. In der fränkischen Stadt Fürth, 150 Kilometer weiter nördlich gelegen, hat diese Entscheidung bisher niemanden beeindruckt.

Dort ist vor knapp zwei Wochen der erste verkaufsoffene Sonntag des Jahres über die Bühne gegangen. Und neben den Geschäften in der Innenstadt luden selbstverständlich auch die Möbelhäuser am Stadtrand zum Einkaufen ein. Das Beispiel zeigt: Trotz der restriktiven Gerichtsurteile über verkaufsoffene Sonntage hat sich in Bayern bisher keine einheitliche Praxis durchgesetzt. Gewerkschaften und Kirchen wollen den Druck nun erhöhen.

Aktuell klagt die "Allianz für den freien Sonntag", zu dem sich katholische und evangelische Kirchen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Verdi zusammengeschlossen haben, beispielsweise gegen die mittelfränkische Stadt Ansbach. Mit einem Eilverfahren soll dort der verkaufsoffene Sonntag am 8. April verhindert werden. Als Anlass lässt der Gewerbeverein "Citymarketing Ansbach" einen Street-Food-Markt aufbauen: mehrere Dutzend Imbissbuden plus Musik, Hüpfburg und Kinderschminken.

Für Stephan Doll vom DGB Mittelfranken ist das keine Veranstaltung von ausreichender Strahlkraft. Er kritisiert außerdem, dass die Stadt die Sonntagsöffnung nicht auf die Innenstadt beschränkt. Auch der Elektrogroßmarkt darf mitmachen. "Es ist nicht so, dass wir jedes Mal gleich klagen", erklärt Doll. In Ansbach hat sich der Stadtrat seiner Ansicht nach aber "wider besseres Wissen" entschlossen, die Rechtslage zu ignorieren. Die Stadt ist sich hingegen sicher, dass die Leute vor allem wegen des Food-Events nach Ansbach kommen. Sie hält auch die Ladenöffnung im gesamten Stadtgebiet für gerechtfertigt. Udo Kleinlein, Rechtsreferent der Stadt, verweist auf "wesentlich kleinere Veranstaltungen", die in der Umgebung als Anlass für Sonntagsöffnungen dienen.

DGB-Geschäftsführer Doll geht es beim Sonntagsschutz vor allem um die soziale Funktion des Ruhetags. Darauf hatte auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil abgestellt. Die allgemeine Arbeitsruhe, so hielten die Richter 2009 fest, sei eine "wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben, und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von anderen Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen".

Dieser Sichtweise steht der Wunsch vieler Händler gegenüber, ihre Läden dann zu öffnen, wenn die meisten Menschen frei haben. Für Städte und Gemeinden ist es nicht leicht, sich diesen Anliegen zu verschließen. Hinzu kommt oftmals Konkurrenzdruck durch die uneinheitliche Praxis. Es soll ja nicht nur der Handel in der Nachbarstadt profitieren.

Die Klagen der Sonntagsallianz hatten schon mehrmals Erfolg: So verhinderte sie 2016 die Ladenöffnung zum Stadtgründungsfest in München und kassierte 2017 die Genehmigungen für zwei Sonderverkaufstage in Augsburg. In Nürnberg war das nicht nötig. Dort hat der Stadtrat angesichts der Rechtslage selbst beschlossen, dass es seit 2017 nur noch zwei statt vier Einkaufssonntage gibt. Und die Möbelhäuser am Stadtrand sind nicht mehr dabei.

Sonntagsöffnung

Seit 2006 ist die Sonntagsöffnung Ländersache. In den meisten Bundesländern dürfen Geschäfte an bis zu vier Sonntagen im Jahr öffnen. Dafür gelten jedoch Einschränkungen: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009 dürfen Läden sonntags nur dann verkaufen, wenn es einen speziellen Anlass gibt, etwa ein Fest oder eine traditionelle Veranstaltung. Ende 2015 konkretisierte das Bundesverwaltungsgericht dies nach einer Klage gegen die Gemeinde Eching bei München. Eching hatte auch die Öffnung großer Möbelhäuser im Gewerbegebiet genehmigt. Kommunen müssen nun nachweisen, dass die anlassgebende Veranstaltung mehr Besucher anzieht als die offenen Geschäfte. Außerdem dürfen nur Läden in unmittelbarer Nähe der Veranstaltung öffnen. SZ

Damit Fürth nachzieht, will die Sonntagsallianz zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde greifen. Mit diesem Hebel will sie gleichzeitig die Regierung von Mittelfranken in die Pflicht nehmen, die sich ihrer Ansicht nach zu großzügig verhält. Welche Wirkung es haben kann, wenn eine Bezirksregierung strenge Vorgaben setzt, zeigt sich in Oberfranken: Dort hat die Stadt Bayreuth kürzlich die Bestimmungen für den "Autofrühling" geändert. Wenn die Autohändler am kommenden Wochenende ihre Wagen in der Innenstadt präsentieren, dürfen nur noch Geschäfte in der Umgebung öffnen, nicht mehr im gesamten Stadtgebiet.

Fürth will seine Praxis nicht ändern. Die Marktsonntage hätten der Stadt gutgetan, sagt Wirtschaftsreferent Horst Müller (CSU), weil viele Besucher erst beim Sonntagsausflug entdeckten, wie gut man in Fürth einkaufen könne. Und für die Mitarbeiter hält er vier Sonderverkaufstage für zumutbar. "Es gab hier noch nie eine einzige Beschwerde von Arbeitnehmerseite." Müller kennt die Urteile, hofft aber auf Bestandsschutz oder eine sich wandelnde Rechtslage.

Ihm geht es dabei mehr um die Möglichkeit, viermal im Jahr sonntags öffnen zu können, als um die Frage, ob Ikea und Kollegen mitmachen dürfen. "Mir geht es vor allem um den innerstädtischen Einzelhandel", sagt er. Fürth habe zwei Marktsonntage mehr als Nürnberg, aber "wir haben das auch nötiger als Nürnberg".

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