Initiative:Volksbegehren gegen Flächenfraß spaltet Naturschützer

Initiative: Immer mehr Natur muss Straßen oder - wie hier in Höhenkirchen - neuen Gewerbegebieten weichen.

Immer mehr Natur muss Straßen oder - wie hier in Höhenkirchen - neuen Gewerbegebieten weichen.

(Foto: Claus Schunk)
  • In Bayern läuft derzeit das Volksbegehren "Betonflut eindämmen", mit dem die Grünen, die ÖDP und die Bauernorganisation AbL den Flächenfraß kämpfen wollen.
  • Kritik kommt von den großen Umweltverbänden Bund Naturschutz (BN) und Vogelschutzbund LBV.
  • Sie wollen, dass gleichzeitig über mehrere Umweltthemen abgestimmt wird.

Von Christian Sebald

Das Volksbegehren "Betonflut eindämmen", mit dem die Grünen, die ÖDP und die Bauernorganisation AbL den Flächenfraß in Bayern bekämpfen wollen, gerät ausgerechnet bei den großen Umweltverbänden Bund Naturschutz (BN) und Vogelschutzbund LBV in die Kritik. Im BN kursieren sogar Überlegungen, die Initiative mit einem eigenen Volksbegehren zu übertrumpfen.

Auch die SPD wendet sich gegen die Initiative von Grünen, ÖDP und AbL. In einem Rundbrief an die Parteimitglieder erklären SPD-Chefin Natascha Kohnen und der SPD-Umweltpolitiker Florian von Brunn ihrer Basis in teils sehr polemischen Worten, dass es den Grünen "vor allem um Wahlkampf" gehe. Das Volksbegehren selbst bleibt auf Erfolgskurs.

Der zweite Aktionstag, den Grüne, ÖDP und AbL am Samstag zu ihrem Volksbegehren veranstaltet haben, war nicht minder erfolgreich als er erste. Inzwischen haben die Initiatoren mehr als 15 000 Unterstützer für ihr Volksbegehren gewonnen. Bayernweit sind 45 000 Unterschriftslisten in Umlauf. Der Andrang zu ihren Infoveranstaltungen ist sehr groß.

"Ich habe erst am Dienstag im fränkischen Kitzingen gesprochen", sagt der Fraktionschef der Landtagsgrünen und Mitinitiator des Volksbegehrens, Ludwig Hartmann. "Der Saal war rappelvoll, die Zustimmung immens." Auch Experten zum Beispiel in der Verwaltung für ländliche Entwicklung bekennen sich zu dem Volksbegehren. Selbst im Gemeindetag, dem Lobbyverband der bayerischen Gemeinden, der sich offiziell klar gegen die Initiative ausspricht, sympathisiert der eine oder andere Vertreter mit ihr.

Selbst in der CSU gibt es Zuspruch. So äußert der scheidende Vorsitzende des Arbeitskreises Umwelt in der Partei, der frühere Bundestagsabgeordnete Josef Göppel, "große Sympathie" für das Volksbegehren. Für Göppel, der nach wie vor der namhafteste Umweltpolitiker seiner Partei ist, zählt der Flächenfraß zu den zentralen Umweltproblemen. Er kämpft dafür, die Ausweisung von Bauland gesetzlich streng an das Bevölkerungswachstum zu koppeln.

Geringere Höchstgrenze für den Flächenverbrauch pro Tag

Damit kommt Göppel den Vorstellungen von Grünen, ÖDP und AbL sehr nahe. Sie wollen mit ihrem Volksbegehren eine verbindliche Höchstgrenze für den Flächenverbrauch von fünf Hektar am Tag einführen. Derzeit beträgt er 13 Hektar täglich. Aufs Jahr gesehen verschwindet damit in Bayern freies Land in der Größenordnung des oberbayerischen Ammersees. "Bis zum Jahreswechsel haben wir die 25 000 Unterschriften für die erste Hürde beisammen", sagt Hartmann.

Einzig der BN und der LBV gewinnen dem Volksbegehren bisher wenig ab. Zwar sagt der BN-Landesbeauftragte Richard Mergner, der nach BN-Chef Hubert Weiger als zweitmächtigster Mann des Verbands gilt, dass "wir das Ziel natürlich begrüßen". Der Flächenfraß sei seit jeher ein zentrales Thema des BN. Deshalb sei man auch "mit den Grünen im Gespräch". Aber zugleich betont Mergner, dass der BN sich erst mit seiner Basis beraten müsse. Der weitere Kurs werde auf der Delegiertenversammlung im April 2018 bestimmt. Der Vorsitzende des LBV, Norbert Schäffer, äußert sich für seinen Verband ähnlich. Er wirft den Grünen zudem vor, "ohne Absprache mit anderen potenziellen Partnern vorgeprescht zu sein". Außerdem müsse man vor dem Start einer so wichtigen Initiative sicher sein, "dass man sie gewinnt".

Manche Verbände wollen noch mehr

Der wichtigste Grund für die Skepsis der Umweltverbände freilich ist, dass ihnen eine reine Begrenzung des Flächenfraßes, wie sie Grüne, ÖDP und AbL verlangen, viel zu wenig ist. Das zeigt ein Blick in die Unterlagen des alternativen Volksbegehrens, die derzeit im BN kursieren. Danach sollen die Wahlberechtigten nicht nur über die Eindämmung des Flächenfraßes abstimmen. Sondern auch noch den Landschaftsschutz, den Alpenplan, den Status von Naturschutzgebieten und anderes mehr bekräftigen. Selbst Details wie die Forderung nach einem jährlichen Bericht der Staatsregierung über den Flächenverbrauch will der BN in sein Volksbegehren aufnehmen.

An der Basis des BN, in den Orts- und Kreisgruppen, in denen sie gegen die Ausweisung immer neuer Gewerbegebiete und den Bau immer neuer Umgehungsstraßen kämpfen, können viele den Kurs ihrer Oberen nicht nachvollziehen. Einige prominente Verbandsmitglieder wie Christian Magerl, der länger dem BN angehört als er für die Grünen im Landtag sitzt, üben scharfe Kritik. "Es ist ja nicht nur, dass viele nicht verstehen, dass die Oberen so zaudern, jetzt wo es endlich eine aussichtsreiche Initiative gegen den Flächenfraß gibt", sagt Magerl. "Sondern so ein Volksbegehren ist immer schwieriger umzusetzen, je mehr man in es reinpackt."

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