Immigration:Mittelschulen suchen händeringend Lehrer

Flüchtlingskinder beim Deutschunterricht in Puchheim, 2015

Junge Flüchtlinge lernen erst Deutsch, bevor sie am normalen Unterricht teilnehmen.

(Foto: Johannes Simon)
  • 800 junge Gymnasiallehrer beenden in dieser Woche ihr Referendariat.
  • 75 sollen eine Beamtenstelle an den 300 staatlichen Gymnasien bekommen, 50 kommen an Berufs- und Fachoberschulen unter.
  • Allen anderen bleiben Zeitverträge, die Arbeitslosigkeit oder ein anderer Beruf.
  • Nun sollen sie binnen zwei Jahre zum Mittelschullehrer umlernen.

Von Anna Günther

Könnte Monika Faltermeier in die Vergangenheit zurückreisen, würde sie sich gleich für die Mittelschule entscheiden. Und hätte sich damit viel Stress und Zeit gespart. Sie aber wollte Lehrerin am Gymnasium werden und schrieb sich 2005 ein. Die Jobaussichten waren gut, zwischen 2007 und 2009 wurden 90 Prozent des Jahrgangs eingestellt.

Niemand habe sich vorstellen können, keinen Job zu bekommen, sagt die 31-Jährige heute, "wir waren so naiv". Andere Schularten habe sie wie viele Kommilitonen nicht im Blick gehabt. Sie wurde 2014 mit dem Referendariat fertig, Examensnote 2,1 mit Englisch und Geschichte/Sozialkunde - chancenlos.

Wie ihr geht es derzeit den meisten Referendaren an Realschulen und Gymnasien, die sich nicht auf Naturwissenschaften oder Informatik spezialisiert haben - und selbst für diese gibt es keine Garantie mehr. 800 junge Gymnasiallehrer beenden in dieser Woche ihr Referendariat.

75 sollen eine Beamtenstelle an den 300 staatlichen Gymnasien bekommen, 50 kommen an Berufs- und Fachoberschulen unter. Im Sommer soll es noch schwieriger werden. Allen anderen bleiben Zeitverträge, die Arbeitslosigkeit oder ein anderer Beruf.

Oder sie lernen binnen zwei Jahren zum Mittelschullehrer um. Dort werden händeringend Pädagogen gesucht. Auch weil an den Volksschulen die Übergangsklassen angesiedelt sind, in denen junge Flüchtlinge Deutsch lernen, bevor sie in den normalen Unterricht kommen.

Mehr als 10 000 kamen zwischen September und Ende November an Bayerns Schulen. Wenn das Wetter milder wird, dürften die Zahlen wieder ähnlich sein. Die nächsten Mittelschullehrer werden aber erst im Sommer fertig.

An der Mittelschule lockt die Verbeamtung

Das Kultusministerium schrieb im Herbst 90 und im Dezember 160 Stellen zur Umschulung für junge Realschul- und Gymnasiallehrer aus. 60 Plätze für Berufsschulen waren sofort besetzt. An der Mittelschule lockt die Verbeamtung, trotzdem musste das Ministerium immer wieder die Frist verlängern und die Bewerbungsbedingungen lockern.

Es gab einfach nicht genügend Interessenten. Wer nach Gründen fragt, hört immer das Gleiche: Nach Studium und Referendariat wieder zwei Jahre lang eine Ausbildung machen? Mit weniger Gehalt als am Gymnasium, aber vollem Arbeitspensum, Kursen am Nachmittag und einer Prüfung?

Immigration: Monika Faltermeier arbeitet seit eineinhalb Jahren als Aushilfslehrerin an Mittelschulen in Niederbayern.

Monika Faltermeier arbeitet seit eineinhalb Jahren als Aushilfslehrerin an Mittelschulen in Niederbayern.

(Foto: privat)

Dass die Stellen in Mittelfranken und Oberbayern gebraucht werden, tat sein Übriges. München sowie Nürnberg sind teuer und unbeliebt. Und dann sind da noch die Mittelschüler, die als schwierig gelten.

Monika Faltermeier hat ganz andere Erfahrungen gemacht. Seit eineinhalb Jahren arbeitet sie als Aushilfslehrerin an Mittelschulen in Niederbayern. Natürlich gebe es Unterschiede zum Gymnasium, sagt Faltermeier, aber gerade das sei reizvoll: "Die Kinder brauchen mich mehr, als Klassenlehrerin bin ich Bezugsperson. Ich muss mich intensiv kümmern und ich mag das sehr."

Kaum jemand will sich offen äußern

Am Gymnasium wird die Fachlichkeit des Unterrichts betont, Lehrer haben selten mehr als vier Stunden in einer Klasse. Intensive Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern gibt es natürlich, aber an der Mittelschule baut das Klassleitungssystem genau darauf auf.

"Die Kinder erzählen auch von Problemen daheim und hängen richtig an einem", sagt Faltermeier. Nicht etwa weil sie verwahrlost seien, sondern weil die familiären Verhältnisse zuweilen schwierig seien. Das sei nicht für jeden etwas.

Die zweijährige Nachqualifizierung wäre für Faltermeier ein Glücksfall, sie hat sich für den alten, längeren Weg entschieden, bevor die Sondermaßnahmen veröffentlicht wurden: Die 31-Jährige belegt Kurse in Mathe, Kunst, Sport sowie Englisch und wird nach ihrem dritten Staatsexamen noch einmal das Referendariat machen. "Dabei bin ich doch fertige Lehrerin, unterrichte Abschlussklassen, prüfe den Qualifizierten und Mittleren Schulabschluss", sagt Faltermeier.

Dass sie an der Uni die Fächer nachholen muss, die sie nicht studiert hat, verstehe sie ja. Aber noch einmal das Referendariat zu machen? Ihr geht es wie vielen, in den sozialen Netzwerken laufen hitzige Diskussionen unter Referendaren zu Sinn und Unsinn der Umschulung, zu Gehalt und Gerechtigkeit der Ausschreibung. Offen äußern will sich kaum jemand. Zu groß ist die Angst, doch keinen Job zu bekommen oder benachteiligt zu werden.

"Ich gehe nicht davon aus, dass dieses Tor so bald geschlossen wird"

Max Schmidt, der Chef des bayerischen Philologenverbands, hat Verständnis für seine Referendare. Das Ministerium müsse dringend die Umschulung erleichtern.

"Und für die Lehrer, die schon an Grund- und Mittelschule gearbeitet haben, muss auch etwas getan werden", sagt Schmidt, nicht nur für die Februar-Referendare. Zwar durften sich nachträglich auch andere bewerben, aber all jene, die seit Jahren an Mittelschulen aushelfen, blieben ausgeschlossen.

Am Konzept der Umschulung mit gleichzeitigem Referendariat hält Max Schmidt fest. Ohne den Berufsabschluss für die Mittelschule hätten die jungen Lehrer keine Chance, dort aufzusteigen.

Allerdings müsse das Ministerium eine Arbeitszeitenregelung finden. Wenn Firmen das bei Mitarbeiterfortbildungen schafften, müsse der Freistaat das auch hinbekommen, sagt Schmidt.

Ob weitere Umschulungsplätze geschaffen werden, steht noch nicht fest. "Aber ich gehe nicht davon aus, dass dieses Tor so bald geschlossen wird", sagt Ministeriumssprecher Ludwig Unger.

Wie viele junge Flüchtlinge tatsächlich bis zum Sommer in die Schulen kommen, weiß niemand genau. Doch erst dann wird der nächste Jahrgang Volksschullehrer fertig. Die Lehrer in der Umschulung sind günstig und wären flexibel einsetzbar.

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