Immer mehr Auffälligkeiten:Pflegebetrug im Fokus

Staatsanwaltschaften sollen aufgestockt werden

Von Dietrich Mittler

Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) will dem Betrug im Pflegebereich entschieden entgegentreten. Wie das Justizministerium auf Nachfrage betonte, "werden die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften zur Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen" personell aufgestockt. So sollen die drei Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften München I, Nürnberg-Fürth und Hof insgesamt drei Stellen mehr bekommen. Vor allem die Staatsanwaltschaft München I steht aktuell unter erhöhtem Arbeitsdruck.

Bausback kommt damit auch Bestrebungen der Kassen entgegen, die eigenen Angaben zufolge durch den anhaltenden Betrug - also auch durch das kriminelle Vorgehen aus den Reihen russischer Pflegedienste - viele Millionen Euro verlieren. Bereits im vergangenen Jahr hieß es in einem vom Bayerischen Rundfunk und der Welt am Sonntag zitierten internen Papier des Bundeskriminalamtes, dass den Sozialkassen und damit auch den Beitragszahlern bundesweit jährlich ein Schaden in Höhe von mindestens einer Milliarde Euro entstehe. Bei Bausbacks Entscheidung dürfte auch ein Papier der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern eine Rolle gespielt haben, das kürzlich herausgegeben wurde. Dieses bringt die Fakten auf den Punkt: Abrechnungsbetrug ist "eine Straftat". Es gebe allerdings "Regelungsdefizite", die es erschwerten, solchen Straftaten auf die Spur zu kommen.

Um Betrügern schneller das Handwerk legen zu können, fordern Bayerns Kassen unter anderem bundesweite Register "für auffällige Leistungserbringer". Solche gibt es auch im Freistaat - und das längst nicht nur im Bereich jener Pflegedienste, die von hochkriminellen Betreibern mit "eurasischen Migrationshintergrund" betrieben werden. Im ersten Quartal dieses Jahres stieß der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), der seit dem 15. Oktober 2016 nicht nur die Pflegequalität, sondern auch das Abrechnungsverhalten der ambulanten Pflegedienste kontrolliert, auf zahlreiche Auffälligkeiten: In 34 Fällen lag "kein gültiger Pflegevertrag vor", in 14 Fällen war die "Leistung gar nicht erbracht" worden, in 15 Fällen wurden Leistungen "häufiger in Rechnung gestellt, als erbracht", in 16 Fällen wurde die "Leistung nicht vollständig erbracht". Die Liste weist noch weitere "Auffälligkeiten" auf, die aber nicht automatisch auf kriminelles Handeln schließen lassen. "Unsere Unterlagen gehen direkt an die Pflegekassen, und die recherchieren noch tiefer", sagt Ottilie Randzio, die Leitende Ärztin des MDK Bayern im Bereich Pflege. "Wir stoßen immer wieder auf Auffälligkeiten", sagt sie.

Bayerns Kassen wollen erreichen, dass Strafermittler - so wie bei anderen Wirtschaftsdelikten - eine Schadenshochrechnung erstellen können. Und was die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften betrifft: "Es ist im Interesse aller, dass diese nicht nur auf dem Türschild bestehen. Die müssen personell entsprechend ausgestattet sein", sagt Dominik Schirmer, bei der AOK Bayern zuständig für den Bereich Verbraucherschutz.

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