Im Sozialausschuss:In Würde bestatten

Sozialbestattungen

Vorschrift: In Bayern müssen Tote, egal welcher Religion sie angehören, in Särgen beigesetzt werden.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Muslimische Begräbnisse könnte es bald auch in Bayern geben

Von Daniela Kuhr

Es war schon ein ziemlich skurriler Vorgang, der sich im April 2013 auf dem Friedhof im hessischen Rüsselsheim abspielte: Ganz offiziell wurde eine gut 40 Kilogramm schwere Puppe beerdigt. Mit dieser "Muster-Beerdigung" wollte man herausfinden, welche Probleme auftauchen, wenn man in Deutschland einen Verstorbenen nach muslimischen Regeln beerdigen will. Das heißt vor allem: ohne Sarg. Nur im Leichentuch - mit dem Gesicht nach Mekka ausgerichtet.

Das ist schon deshalb eine Herausforderung, weil Gräber in Deutschland gut 1,70 Meter tief sind, in der Türkei dagegen oft nur einen Meter. Das würdevolle Ablegen und das Ausrichten des Kopfes in die richtige Richtung sind deshalb hierzulande weitaus schwieriger. Hessen hat sich nach dem Test dennoch entschieden, die Sargpflicht abzuschaffen. Denn, so hatte man festgestellt, mit ein paar kleinen Veränderungen im Gesetz ließen sich alle Probleme lösen. Auch andere Bundesländer haben ihre Vorschriften in den vergangenen Jahren so geändert, dass muslimische Begräbnisse möglich sind - Bayern gehört bislang noch nicht dazu. Doch das könnte sich schon bald ändern.

Nach einer Expertenanhörung im Sozialausschuss des Landtags, die von den Freien Wählern beantragt worden war, signalisierte auch die CSU Bereitschaft, das geltende Recht anzupassen. Zuvor hatte eine Debatte stattgefunden, die zeigte, wie extrem facettenreich dieses Thema ist.

Da wäre zunächst einmal die emotionale Seite. Aykan Inan, Vizevorsitzender der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Südbayern, sagte, dass der Respekt vor den Toten eine schnelle Waschung und Beisetzung erfordere. In der Regel aber sind Bestattungen in Deutschland frühestens nach 48 Stunden möglich. Der SPD-Abgeordnete Arif Tasdelen schilderte, wie belastend es für Angehörige sei, wenn sie nach dem Tod eines Verwandten nicht in Ruhe trauern könnten, sondern sich um Unterlagen und Flüge kümmern müssten, um den Verstorbenen möglichst rasch in seiner früheren Heimat zu beerdigen - nur weil ein muslimisches Begräbnis in Bayern derzeit nicht möglich sei. Die Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche zeigten volles Verständnis.

Dann wäre da die biologische Seite, die sicher nicht jeder so detailliert hören wollte. Ralf Michal, Vorsitzender des Bestatterverbands Bayern, schilderte, warum das Gesetz nicht geändert werden dürfte. "Ohne Sargpflicht ist die Zersetzung nur unzureichend gewährleistet", sagte er - und verwies auf das Problem der "Fettwachsbildung", das in feuchten Böden die Verwesung der Leiche verhindere. Mit dieser Sorge stehen die Bestatter aber ziemlich allein da. Was jedoch, wie Michal betonte, auf keinen Fall daran liege, dass sie am Verkauf der Särge verdienten. "Der Umsatz spielt für uns eine untergeordnete Rolle." Womit man sieht: Selbst bei einem ernsten Thema wird geflunkert.

Walter Fessel vom Sozialministerium in Baden-Württemberg, wo Tuch-Bestattungen schon möglich sind, relativiert das gleich, indem er Michals Bedenken zurückwies: Erstens hänge die Verwesung entscheidend "vom Gießverhalten der Angehörigen" ab, und zweitens sei es eine Bestattung im Tuch auch nicht billiger als im Sarg. Denn wenn man auf Knien in einem 1,80 Meter tiefen Grab arbeite, müssten die Seitenwände abgestützt werden. "Sonst haben Sie gleich mehrere Tote."

Schließlich aber hat das Thema auch eine juristische Seite, auf die Gerhard Rampp vom Bund für Geistesfreiheit aufmerksam machte. In Zeiten, in denen Verfassungsrichter die umstrittenen Beschneidungen wegen Religionsfreiheit erlaubten, sei doch klar, dass sie Muslimen auch das Recht auf eine Bestattung nach ihren Regeln zusprechen würden. "Und deshalb müssen wir hier nicht länger darüber reden, ob muslimische Begräbnisse realisierbar sind. Sie müssen realisierbar gemacht werden."

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