Im Porträt: Martin Zeil:Der Unternehmerversteher

"Der ideale Spitzenmann": Martin Zeil ist die Antwort der FDP auf die Blößen, die sich die CSU in Wirtschaftsfragen gibt. Ein mitreißender Redner ist er aber nicht.

Kassian Stroh

Es ist Wahlkampf, diesmal bloß ohne Kampf. Auf dem Jenner am Königssee steht Martin Zeil, eine tolle Aussicht dort droben, die heute leider nur nach etwa 15 Metern im dichten Nebel endet. Es nieselt. Keine Idealbedingungen für "Bayerns höchsten Wahlkampfstand", wie die FDP ihre Aktion getauft hat.

Martin Zeil, dpa

FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil ist keiner, der die Parteifreunde aufpeitscht. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Zeil hier zuhört, hält ihn trotzdem für "den idealen Spitzenmann".

(Foto: Foto: dpa)

Sieht man vom Küchenpersonal des Gipfellokals ab, trifft Zeil auf acht Wanderer, aber nur aus Hessen und Baden-Württemberg. Vor dem Infostand fragt einer von ihnen: "Versteckte Kamera?" Man könnte von einem Flop sprechen.

Aber Martin Zeil ist ganz ausgezeichneter Stimmung.

"Wir haben einen guten Lauf", sagt der Spitzenkandidat der Liberalen. 1994 flog die FDP aus dem Landtag, nun liegt sie in den Umfragen konstant bei sechs bis acht Prozent. Offenbar alle FDP-ler sehen ihre Partei bereits im Landtag sitzen.

Bei den Kommunalwahlen im März hat die FDP ihren Stimmenanteil fast verdoppelt, selbst hier in der Liberalen-Diaspora im Berchtesgadener Land berichten die Parteifreunde Zeil von neuen Mitgliedern. Drei hier, fünf da. Das ist für die FDP viel. Zeil erlebt eine Partei in Aufbruchstimmung.

Zeil redet, wie er aussieht

Das liegt jedoch nur zu einem Teil an ihm selbst. Der 51-Jährige, der vor zwei Jahren zum Spitzenkandidaten und Generalsekretär der Landes-FDP erkoren wurde, ist keiner, der Parteifreunde in Euphorie versetzt. Zeil spricht ruhig, die Stimme sonor, im Grunde redet er, wie er aussieht: weiße Haare, weißer Schnauzer, blaues Hemd, gelbe Krawatte, Lodenjanker. Mitreißend ist er nicht.

Beim Mirtlwirt in Freilassing zum Beispiel spricht er im Nebenzimmer vor 17 Leuten, alles FDP-Mitglieder. Zeil schimpft auf die CSU, sagt, dass endlich die Steuern gesenkt werden müssten, redet über Freiheit und Sicherheit, Schul- und Gesundheitspolitik. Witze reißt er wenige, er peitscht die Parteifreunde nicht auf.

Seine Rede gleicht eher einer Argumentationsschulung. Schon als Gemeinderat war er bekannt für längere, förmliche Ansprachen. Dass er nicht so steif ist, wie er oft wirkt, merkt man allenfalls im Zwiegespräch, wenn Zeil gelegentlich eine feine Ironie aufblitzen lässt.

Die ist im Übrigen auch ein Zeichen dafür, wie gut seine Stimmung ist.

Und mehr braucht die FDP im Moment eigentlich auch gar nicht. Zeil strahle Ruhe aus, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die FDP-Landesvorsitzende, und schiebt gleich nach: "aber überhaupt nicht Langeweile". Als hätte sie die Nachfrage geahnt.

Sie nennt Zeil "den idealen Spitzenmann für uns" - und diese Analyse hat etwas für sich. Vordergründig weil Zeil, der in der Rechtsabteilung der Privatbank Hauck & Aufhäuser arbeitete, etwas von Wirtschaft und Mittelstand versteht und damit eine offene Flanke der CSU angreift; weil er seit 34 Jahren FDP-Mitglied, mithin in der Partei verwurzelt ist; weil er, anders als Leutheusser-Schnarrenberger, Bayer ist.

Viel wichtiger aber ist, dass Zeil mit seiner nüchternen Art signalisiert: Selbst wenn die absolute Mehrheit der CSU gebrochen würde, das Chaos bräche noch lange nicht über den Freistaat herein. Zeil buhlt um die Stimmen derer, die von der CSU enttäuscht sind, die aber keine Viererkoalition oder ähnliches wünschten. Diese nennt er eine "Selbsterfahrungsgruppe mit politischen Geisterfahrern", da mache die FDP nicht mit. Bürgerlich, solide, aber nicht CSU -dies personifiziert Zeil.

Seine Rede im Mirtlwirt schließt er mit den Worten: Die FDP müsse kämpfen - "und zwar auch in dem Bewusstsein, dass wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen". Das heißt: mitregieren. Freilich, dazu müsste der Wähler erst einmal "die CSU in einen koalitionsfähigen Zustand versetzen", so klingt Zeils Ironie.

Ob er denn schon die Handynummern der CSU-Spitze hätte, für den Fall der Fälle, um sie am Wahlabend noch anzurufen? Nein, sagt Zeil, und das sei ganz gut, als Beweis dafür, dass man sich nicht anbiedere. Das muss Zeil belegen, seit er im Mai kategorisch jede Beteiligung der FDP an einer Viererkoalition ausschloss. Da waren nicht alle Liberalen begeistert. Manch einer hätte gerne mehr Distanz zur CSU gesehen.

Nur wenige kennen ihn

Wenn ja, stünde er vor einer späten politischen Blitzkarriere. Bald zwei Jahrzehnte saß der dreifache Vater im Gemeinderat von Gauting und im Starnberger Kreistag, er war zweiter Bürgermeister und stellvertretender Landrat. Für mehr reichte es lange nicht.

Dreimal trat er für den Landtag an, holte zwar immer das beste Erststimmenergebnis für die bayerische FDP, die aber scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde. Erst 2005 gelang Zeil der Sprung in den Bundestag, dort sitzt er im Wirtschaftsausschuss. Sollte die FDP in den Landtag kommen, will er Fraktionschef werden.

Und für den Fall, dass sie gar in der Regierung säße, hat er im Januar in einem Interview gesagt: "Das Wirtschaftsministerium würde sich sehr gut eignen." Da man vor Wahlen nie über Posten sprechen sollte, gab es auch Unmut in der FDP. Seither schweigt Zeil auf solche Fragen lieber.

Dass ihn nur neun Prozent der Bayern kennen, wie am Mittwoch erst eine Umfrage ergeben hat - "ach, das erschreckt mich nicht", sagt Zeil ganz ruhig und getragen. Er sei ja noch nicht so lange auf Landesebene aktiv. Außerdem gebe es noch eine zweite Zahl in dieser Umfrage: Mehr als die Hälfte derer, die ihn kennen, fänden ihn sympathisch, sagt Zeil und lacht laut. Er ist wirklich ganz ausgezeichneter Stimmung dieser Tage.

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