Ilse Aigner gegen Facebook und Google:"Da werden intimste Daten verletzt"

Sie gilt als Kassandra des Internets: Verbraucherministerin Ilse Aigner über naive Nutzer, ihren gelöschten Facebook-Auftritt und ihre Verärgerung über private Datensauger.

A. Ramelsberger, Ch. Sebald und M. Szymanski

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist das Gegenteil ihres Ministerkollegen Karl-Theodor zu Guttenberg - er ist der Glamouröse, sie die Patente. Er fällt auf, sie nicht. Seitdem Aigner sich mit der Internet-Industrie angelegt hat, gewinnt sie an Profil. Mit der Ministerin sprachen Annette Ramelsberger, Christian Sebald und Mike Szymanski.

Kuenast: Aigner duckt sich bei Gentechnik weg

"Ich bleibe dran": Ilse Aigner hat zwar ihren privaten Facebook-Auftritt gelöscht, den Umgang des Unternehmens mit Nutzerdaten aber behält sie im Blick.

(Foto: ag.ddp)

SZ: Die CSU in Berlin gilt als Störenfried. Sie nicht. Sind Sie harmoniesüchtig?

Aigner: Da kennen Sie mich aber schlecht! Ich kann sehr deutlich werden, wenn ich von einer Sache überzeugt bin. Aber es ist eine Stilfrage, ob man Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit führen muss. Ich mache das nicht. Und ich glaube, dass meine Arbeit trotzdem geschätzt wird - oder gerade deswegen.

SZ: Als Sie ins Amt kamen, galten Sie als Marionette von CSU-Chef Horst Seehofer. Sagt er Ihnen noch, wo es langgeht?

Aigner: Das war schon immer ein Schmarrn. Wir haben einen guten Draht. Wir diskutieren über Themen, aber die Entscheidungen als Bundesministerin treffe ich.

SZ: Ein entschiedenes Guttenberg-Nein hat man von Ihnen nie gehört. Fürs Profil wäre das nicht schlecht gewesen.

Aigner: Denken Sie an die Zeit der Milchbauern-Streiks: Ich konnte nicht immer alle Wünsche aus Bayern erfüllen. Ähnliche Situationen kann es in Zukunft wieder geben. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich mich als Bundesministerin Bayern verpflichtet sehe, aber für alle 16 Länder Verantwortung trage.

SZ: Markus Söder, Georg Fahrenschon, Christine Haderthauer, Guttenberg - diese Namen hört man, wenn es einmal um die Nachfolger von Seehofer geht. Ihren hört man nicht. Warum?

Aigner: Sehen Sie das doch so: Die CSU hat eine große Auswahl an qualifizierten Führungsleuten. Das ist doch schön.

SZ: Aber Sie sind nicht dabei.

Aigner: Glauben Sie mir, ich bin gerne Ministerin und fühle mich in Berlin sehr wohl.

SZ: Wo bleibt Ihr Machtwille?

Aigner: Wenn Machtwille nur das Streben nach neuen Posten bedeutet, ist mir das persönlich zuwider. Wenn es aber darum geht, die Macht, die man in herausgehobener Funktion hat, verantwortungsvoll umzusetzen, habe ich einen ausgeprägten Machtwillen.

SZ: Als Verbraucherschutzministerin haben Sie sich mit der Internet-Industrie angelegt. Sie sind aus dem Netzwerk Facebook ausgetreten. Vermissen sie Ihre Online-Freunde?

Aigner: Ein Online-Netzwerk, in dem sich weltweit Millionen von Nutzern zusammenschließen - das ist eine großartige Idee. Natürlich nutzen auch Politiker gerne Facebook, weil man darüber schnell in Kontakt kommt zu anderen Menschen. Ich war ein großer Fan von Facebook, bis das Netzwerk seine Datenschutz-Einstellungen immer weiter gelockert hat, zum Nachteil der Mitglieder. Als Verbraucherschutzministerin kann ich das nicht hinnehmen. Facebook hat zwar einzelne Mechanismen verbessert, aber das reicht bei weitem nicht aus. Deshalb habe ich meine Mitgliedschaft gekündigt. Ich bin raus bei Facebook, aber am Thema bleibe ich dran.

SZ: Die Netzgemeinde hat Ihnen Naivität vorgeworfen. Sind Sie naiv?

Aigner: Naiv sind eher die Nutzer, die glauben, dass eine solche Plattform aus reiner Nächstenliebe existiert. Nichts ist umsonst, weder bei Facebook noch bei Google. Wir Verbraucher bezahlen für die Dienste, indem wir sie mit unseren Daten füttern - Namen, Adressen, Bilder. Facebook und Google nutzen die Personenprofile für gezielte Werbung - ein Milliardengeschäft. Das muss man wissen, wenn man soziale Netzwerke und Suchmaschinen nutzt.

SZ: Ist es Ihnen gelungen, aus Facebook auszutreten und alle Spuren zu löschen?

"Nichts ist umsonst"

Aigner: Sie finden mich nicht mehr mit einer privaten Seite. Wie lange die Daten im Hintergrund noch gespeichert bleiben, kann ich nicht sagen. Da lässt sich Facebook nicht in die Karten schauen.

SZ: Haben Sie die Zusage, dass alle Ihre Daten bei Facebook gelöscht werden?

Aigner: Mir geht es nicht um mich. Ich habe bei meinem letzten Gespräch mit Facebook deutlich gemacht, dass ich von dem Unternehmen mehr Transparenz und mehr Ehrlichkeit erwarte. Ich habe den Eindruck, Facebook macht es seinen Mitgliedern absichtlich schwer, private Daten zu schützen und zu löschen.

SZ: Sie gelten jetzt als die Kassandra des Internets.

Aigner: Finden Sie? Nun - der Kassandra von Troja hat man nicht geglaubt, aber sie hatte leider recht. Die Internetdienste gehen ja noch viel weiter: Da werden E-Mails nach Schlagwörtern durchforstet, Adressbücher aus Handys ausgelesen, wenn man nicht aufpasst. Alles, um gezielt Werbung verschicken zu können. Da wird gefiltert und durchsucht. Theoretisch kann es passieren, dass zwei Nutzer im Internet als Freunde vorgestellt werden, nur weil sie beide den gleichen Psychiater im Adressverzeichnis stehen haben - und der Dienst sie deshalb zueinander bringt. Da werden intimste Daten verletzt.

SZ: Als der Staat über Online-Durchsuchungen gegen Terrorverdächtige diskutierte, war der Protest groß, warum tut sich bei privatem Datenklau fast nichts?

Aigner: Wenn der Staat diese gigantische Menge an Personenprofilen sammeln würde, die einzelne Firmen horten, gäbe es bei uns einen Volksaufstand. Ich kann das Misstrauen gegenüber dem Staat nicht immer verstehen, aber ich kann es mir erklären. Aus den Erfahrungen mit der NS-Zeit und später mit der Stasi in der DDR gibt es oft mehr Bedenken gegen die Sicherheitsbehörden als gegen die Datenstaubsauger der Unternehmen.

SZ: Haben die Firmen ein Unrechtsbewusstsein? Immerhin hat Google beim Abfilmen von Straßen auch gleich noch die WLan-Verbindungen der Anwohner aufgezeichnet.

Aigner: Es ist in der Tat eine Zumutung, dass sogar private E-Mail-Daten abgefangen wurden. Der zuständige Datenschutzbeauftragte in Hamburg streitet noch immer darum, endlich Zugang zu diesen Daten bei Google zu erhalten. Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass Google hier auf Zeit spielt und sich weigert, die Karten auf den Tisch zu legen. Bürger und Behörden haben das Recht zu erfahren, welche Daten genau gespeichert wurden und wer darauf Zugriff hat. Ich treffe mich nächste Woche erneut mit den Verantwortlichen von Google und werde auf vollständige Aufklärung dringen. Sie können sicher sein: Ich bleibe dran.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: