Illegale Schutt-Entsorgung in Oberbayern:Giftmüll-Affäre offenbart Systematik

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Jahrelang soll die Kraillinger Entsorgungsfirma Technosan krebserregenden Müll auf ungeeigneten Deponien entsorgt haben. Ihr schmutziges Geschäft sei durch geschickt gefälschte Dokumente verschleiert worden. Polizei und Staatsanwaltschaft sollten anscheinend ausgebremst werden.

Von Heiner Effern

Die Affäre um illegal entsorgten Giftmüll durch die Firma Technosan weitet sich aus: Auch in einer Deponie im Kreis Erding wurde krebserregender Schutt gefunden, der die zugelassenen Höchstwerte überstieg. "Man kann bereits von einem Umweltskandal sprechen", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, dem nach einer Razzia im November am Entsorgungsstandort Neuötting und in der Firmenzentrale in Krailling bei München nun erste Ermittlungsergebnisse vorliegen:

Der Betrieb stehe im Verdacht, jahrelang giftigen Schutt illegal beseitigt zu haben. Die Geschäftsleitung soll auf diese Weise mehrere Millionen Euro Gewinn gemacht haben. Dafür seien Dokumente so geschickt gefälscht worden, dass Ermittler erst bei der dritten Sichtung die Manipulationen bemerkt hätten.

Noch dazu von einem offenbar geschickt verschleierten, denn die Fassade der Firma Technosan war lange Jahre tadellos. Geschäftsführer Alexander Czetsch ließ sich am 18. Oktober 2011 sogar von den Kollegen der Industrie- und Handelskammer Oberbayern zum Vorsitzenden des Umweltausschusses wählen. Doch nach Ansicht der Ermittler könnte er damals schon lange in illegale Geschäfte verwickelt gewesen sein.

Im November 2012 stoppte das Landratsamt Altötting den Betrieb in Neuötting, als in einer Deponie in Mühldorf illegal entsorgter Giftmüll Technosan zugeordnet werden konnte. Etwa zehn Beamte durchleuchten deren Geschäfte nun in der eigens gegründeten Ermittlungsgruppe "Entsorgung".

Entsorgungsfirma spart beim Entsorgen

Das erfolgreiche Geschäftsprinzip von Technosan könnte laut Polizei so ausgesehen haben: Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder Wacker liefern verseuchten Schotter oder Schutt, den die Firma Technosan aufbereiten und ordnungsgemäß entsorgen soll. Dort wird der Müll aber nicht ausreichend oder gar nicht entgiftet, falsch ausgezeichnet und gegen geringe Gebühren in nicht geeignete Deponien eingelagert. "Die Gewinnspanne ist so enorm", sagt der Polizeisprecher.

Gegen die Geschäftsführung laufen Verfahren wegen Betrugs und Umweltverstößen, gegen Mitarbeiter am Entsorgungsstandort wegen Umweltdelikten. Die Ermittlungen werden noch lange andauern: Das Landratsamt Altötting hat 33 Einrichtungen in den Akten, an die Material von Technosan geliefert worden ist. Die Firma hatte im Jahr 2001 in Neuötting klein angefangen: Knapp 65.000 Tonnen giftiger Schutt pro Jahr durften laut Landratsamt Altötting gereinigt und entsorgt werden. Bis zur letzten Erweiterung im Juli 2011 wuchs das genehmigte Volumen etwa um das Vierfache, im Bescheid vom 14. Juli 2011 stehen 266.400 Tonnen pro Jahr.

Verwunderung erregen diese Mengen vor allem, wenn man dazu die Größe des Firmenareals in Neuötting in Bezug setzt, auf dem das Material gelagert, sortiert und in einer thermischen Anlage entgiftet werden sollte. Das Landratsamt macht dazu folgende Angaben: Insgesamt verfüge das Areal von Technosan in Neuötting über 7500 Quadratmeter genehmigte, versiegelte Lagerfläche, das entspricht etwa eineinhalb Fußballfeldern. Allein für das Jahr 2007 standen in der Referenzliste des Unternehmens Aufträge in einem Umfang von mehr als 256.000 Tonnen. Fragen nach den Umfang seiner Geschäfte und der Kapazität seiner Entsorgungsanlage beantwortet Czetsch nicht. Für 2007 wurden dem Landratsamt 188.000 Tonnen Jahresdurchsatz gemeldet.

Wie Ermittler am besten ausgebremst werden

Die Firma Technosan hat sich zwar vor kurzem die Dienste eines Sprechers gesichert, doch der blockt alle Fragen ab. Nur eines sagt er: "Wir führen derzeit intensive Gespräche mit dem Landratsamt Altötting, um eben zur Aufklärung beizutragen und den Betrieb so schnell wie möglich wieder aufzunehmen." Das verwundert die Mitarbeiter in der Behörde. Bis auf die Kontaktaufnahme durch Technosan-Anwälte habe es nur ein einziges Treffen mit Czetsch gegeben. Immerhin am Verwaltungsgericht München hat sich Technosan schon gemeldet: Dort reichte die Firma eine Klage auf Wiederaufnahme des Betriebes ein.

Ganz am Anfang der Ermittlungen beteuerte Czetsch seine Bereitschaft zur Aufklärung. Er habe schon einen verantwortlichen Mitarbeiter am Standort Neuötting entlassen, ließ er mitteilen. Bevor dies geschah, schrieb der angeblich so aufklärungsbereite Geschäftsführer bereits am 29. Oktober einen Brief an seine Belegschaft.

Er erklärt darin, wie Mitarbeiter Polizei oder Staatsanwaltschaft bei möglichen Vernehmungen ausbremsen können. "Aus Fürsorge für unsere Mitarbeiter" würde Technosan zudem jedem Betroffenen einen Anwalt stellen. Ein leitender Mitarbeiter in Neuötting, der sich diesem Vorgehen widersetzte und einen eigenen Anwalt engagierte, erhielt am 2. November die Kündigung. Er ist sich sicher: "Mit der Qualität meiner Arbeit hat das nichts zu tun." Sondern eher damit, dass er aussagen wolle.

© SZ vom 11.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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