Ikea:Eine Kinderküche erobert die Welt

Ikea: Die Küche ziert unzählige Kinderzimmer weltweit - ihr Hersteller ist dennoch eher unbekannt.

Die Küche ziert unzählige Kinderzimmer weltweit - ihr Hersteller ist dennoch eher unbekannt.

(Foto: Inter IKEA Systems B.V)
  • Die Ikea-Kinderküche "Duktig" steht in Millionen Kinderzimmern weltweit. Ihr Hersteller Hape ist jedoch weitgehend unbekannt.
  • Gründer Peter Handstein expandiert gerade nach Russland, um mit Ikea den dortigen Spielzeugmarkt zu erobern.
  • Für die deutsche Spielzeugbranche prophezeit Handstein große Umbrüche. Es werde "Bereinigungsprozesse" geben.

Von Stefan Mayr, Donauwörth

Mattel? Playmobil? Lego? Diese Namen kennt man, auch wenn man keine Kinder hat. Aber Hape? Das sagt selbst vielen Eltern gar nichts. Dabei hat ihr Nachwuchs mit großer Wahrscheinlichkeit schon mehrere Hape-Spielsachen in der Hand gehabt. Denn die Hape Holding AG mit Sitz in Luzern in der Schweiz produziert hauptsächlich im Auftrag anderer Marken. Für die schwedische Möbelhauskette Ikea etwa stellt sie Spielsachen und Kindermöbel aus Holz her. Am bekanntesten: die Spielküche, die weltweit in Millionen Kinderzimmern steht.

Es ist schon kurios: Hape ist der Hersteller der wohl meistverkauften Kinderküche der Welt - und keiner weiß es. Das liegt auch am Gründer der Hape Holding: Peter Handstein wirkt eher wie der schrullig-liebenswerte Vorlese-Onkel aus der Gemeindebibliothek als wie ein international tätiger Geschäftsmann. Zum Treffen kommt er in ausgewaschenen Jeans. Unter seiner braunen Strickjacke leuchtet ein zitronengelb-kariertes Hemd mit einem Stehkragen, das bis oben zugeknöpft ist. Der 55-Jährige gefällt sich in der Rolle des unkonventionellen Querkopfs. Dabei kann er überaus zielstrebig vorgehen. Mitte der 1990er-Jahre stampfte er in China eine Fabrik aus dem Boden - im Alleingang.

Handstein will mit Ikea den russischen Spielzeugmarkt erobern

Ähnlich sein jüngstes Projekt: Er expandiert in ein Land, aus dem sich viele deutsche Unternehmer derzeit zurückziehen: Russland. "Vor zwei Jahren hat dort ein Arbeiter 600 Euro pro Monat gekostet, jetzt kostet er 300 Euro", sagt er zur Begründung. Von der Ural-Region aus will er noch dieses Jahr mit Ikea den russischen Spielzeugmarkt erobern.

Die Hape Holding AG umfasst 20 Unternehmen in zwölf Ländern. Mit 2000 Mitarbeitern machte Handstein zuletzt 120 Millionen Euro Umsatz und neun Millionen Euro Gewinn. "Und das sind nur die Mehrheitsbeteiligungen", fügt er hinzu. Die Frage nach der eigentlichen Größe des Imperiums schmunzelt Handstein einfach weg.

Holzspielwaren für 60 Märkte weltweit

2013 übernahm er den Puppenhersteller Käthe Kruse, der damals in einem Finanzengpass steckte*. Seitdem verbringt er einige Wochen des Jahres im schwäbischen Donauwörth. Dort empfängt er an einem Besprechungstisch neben dem Treppenhaus, ständig gehen freundlich grüßende Mitarbeiterinnen vorbei. Handstein grüßt stets lächelnd zurück. Einmal kommt seine kleine Tochter gelaufen, reicht ihm schweigend einen Kartoffelchip und verschwindet wieder.

Von dem Gewusel lässt sich der Chef wenig stören - wie auch von den Symptomen einer Erkältung. Die Augen tränen, die Nase läuft, den Redefluss bremst das nicht. Dabei wird bei aller Bescheidenheit schnell klar: An Selbstbewusstsein mangelt es dem Geschäftsmann nicht. "Wir sind in 60 Märkten in der Welt präsent, in 30 davon sind wir Marktführer", tönt Handstein, "mir ist kein größerer Holzspielwarenhersteller bekannt."

Vom Schlosser zum Hufschmied, vom Hufschmied zum Millionär

Jetzt also der Ural. Um den kühnen Plan zu verstehen, muss man in den Sommer des Jahres 1995 zurückblicken. Damals eröffnete Handstein als einer der ersten eine Fabrik in China, obwohl ihm alle abrieten: Mach' das nicht, du brauchst da einen Partner vor Ort, ohne den wird das nichts. "Aber ich habe gesagt: Ich probier's allein." Am 1. Juli 1995 wurde in China die Joint Venture-Pflicht abgeschafft, am 6. Juli gründete er sein Werk in der ostchinesischen Küstenstadt Ningbo. Ganz ohne Englisch- oder Mandarin-Kenntnisse. Der Start war mühsam. Handstein zog nach China, um das Werk zum Laufen zu bringen. Bis heute lebt er die meiste Zeit dort. Auf einer Fläche von zehn Fußballfeldern werden mehr als 4000 verschiedene Produkte hergestellt.

Der Aufstieg zum Selfmade-Millionär begann mit einer Ausbildung zum Schlosser sowie Huf- und Kunstschmied. Schon sein Großvater war Schlosser. Doch Peter Handstein erkannte schnell, dass der Betrieb im hessischen Örtchen Nieder-Ohmen keine Zukunft haben würde. Er beendete die Familientradition und wechselte in eine andere Branche, begann als Handelsvertreter für pädagogisches Spielzeug. Der Hüne mit den Schlosserhänden klapperte Kindergarten für Kindergarten ab - mit Erfolg. Doch nur zu verkaufen, was andere herstellen, reichte ihm nicht. Mit 25 Jahren gründete er 1986 sein Unternehmen. Zunächst spannte er Schwester, Mutter, Oma und Freundin ein. Heute verkauft er seine Produkte weltweit, auch in Nord- und Südamerika.

Sogar ein Export von Russland nach China ist denkbar

Was Foxconn für Elektrogeräte ist, ist Handsteins Firma für Holzspielwaren. Für Ravensburger stellt sie alle Holzpuzzles her, einer von vielen namhaften deutschen Auftraggebern. Nebenher produziert er unter eigenem Markennamen - Hape Toys. Dabei legt er nach eigenen Angaben großen Wert auf nachhaltige Produktion und fairen Umgang mit dem Personal. Auch in Russland will er seine Gewinne im Zeichen der Nachhaltigkeit machen: "Holz ist dort in Hülle und Fülle vorhanden", sagt er, "da sparen wir uns den Transport der Rohstoffe und auch des Endproduktes." Zunächst will er ein 5000 Quadratmeter großes Werk errichten. Fünf Millionen Euro Kosten, 100 Mitarbeiter. Eine spätere Verdoppelung ist möglich.

Ikea ist in Russland mit mehreren Möbelhäusern präsent und betreibt dort Einkaufszentren. Handstein wird das Möbelhaus künftig beliefern können, ohne auch nur eine Kinderküche aus China einschiffen zu müssen. Mittelfristig will er sogar von Russland nach China exportieren. "Der Markt in China wird wegen der Zwei-Kind-Politik bald explodieren", sagt er.

Auch für Mitteleuropa kündigt er Umwälzungen an: "Wenn wir bei Käthe Kruse schon in den schwarzen Zahlen wären, hätten wir bereits weitere Unternehmen übernommen." Auch diese Kampfansage passt nicht zum Outfit als Vorlese-Onkel. Handstein lächelt nur: "Bei vielen Firmen ist das Eigenkapital aufgebraucht", sagt er, "viele Unternehmen fragen nach, ob ich bei ihnen einsteigen will." Er prophezeit: "In der Spielwarenbranche wird es einen Bereinigungsprozess geben - auf Hersteller- wie auf Händlerseite." Er selbst wird dabei fleißig mitmischen. Und dabei wahrscheinlich weitgehend unbemerkt bleiben.

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es an dieser Stelle "... und rettete ihn so vor dem Zusammenbruch".

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