ICE-Strecke:Angst vor dem Bamberger Mauerbau

Die Bahn will für die ICE-Strecke quer durch Bamberg sechs Meter hohe Lärmschutzwände errichten. Politiker und Bürger kündigen Widerstand an. Selbst die CSU will auf die Straße gehen.

Katja Auer

Das muss man sich einmal vorstellen: Ein CSU-Politiker mit einem Protestplakat in der Hand - an der Spitze eines Demonstrationszuges, womöglich an einen Bauzaun gekettet. Zusammen mit Wutbürgern auf der Straße. Und das alles, um gegen ein Projekt zu demonstrieren, gegen das rein rechtlich nichts einzuwenden ist. Undenkbar? Nicht mehr. Nicht in Bamberg.

ICE-Strecke: Das Stadtplanungsamt hat eine Animation erstellt, um den Bambergern zu veranschaulichen, wie die ICE-Trasse ihre Stadt durchschneiden wird.

Das Stadtplanungsamt hat eine Animation erstellt, um den Bambergern zu veranschaulichen, wie die ICE-Trasse ihre Stadt durchschneiden wird.

(Foto: Stadt Bamberg)

Wenn das so kommt, dann gehen sogar wir Konservativen auf die Straße", sagt Helmut Müller, der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion und frühere Landtagsabgeordnete. Was ihn so aufregt und nicht nur ihn, sondern die Kommunalpolitiker aller Parteien ebenso wie die Bamberger Bürger, ist der Plan der Bahn, eine bis zu sechs Meter hohe Mauer quer durch die Stadt zu bauen. Seit vergangenem November ist das Vorhaben öffentlich bekannt, die ICE-Trasse auf vier Gleise auszubauen und mit hohen Lärmschutzwänden einzurahmen.

Allerdings durchschauten nur Eingeweihte die Pläne der Bahn, die bisher bekannt gemacht wurden. Deshalb hat das Stadtplanungsamt nun selbst eine dreidimensionale Animation erstellt, die jetzt in einer öffentlichen Stadtratssitzung vorgestellt wurde. Am 10. Juli soll sie den Bürgern in der Konzerthalle präsentiert werden. Sie belegt eindrucksvoll, welch eine Schneise die Mauer durch Bamberg schlagen würde. "Dann gibt es Bamberg 21", sagt der CSU-Mann Müller.

Bamberg liegt an der geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecke München-Berlin, die zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit gehört, das irgendwann ein Teil der europäischen Bahnverbindung zwischen Italien und Skandinavien werden soll. Mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde sollen ICEs und Güterzüge dann durch die Stadt brausen. Wobei den Lärm vor allem der Güterverkehr verursachen wird.

Schon 1994 wurde in Bamberg der Ausbau geplant, aber dann fehlte das Geld, die Pläne verschwanden in den Schubladen. Nun wird das Planfeststellungsverfahren erneut aufgenommen und soll bis zum Jahr 2015 abgeschlossen sein. 2017 könnte gebaut werden, und schon jetzt hoffen sie in Bamberg, dass dann wieder kein Geld da sein wird. Ausgeschlossen ist das nicht, es gibt erste Stimmen, die einen späteren Baubeginn prophezeien. In die Planungen sind die Vertreter der Stadt zwar einbezogen - zu entscheiden haben sie allerdings nichts.

Die Bahn beruft sich auf Vorschriften, die bei bestimmten Geschwindigkeiten der Züge entsprechend hohe Lärmschutzwände verlangen. "Die dreidimensionale Präsentation hat uns vor Augen geführt, welch dramatische Konsequenzen das für das Welterbe hätte", sagt Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD). Es gibt bereits Befürchtungen, dass Bamberg im schlimmsten Fall sogar der Welterbe-Titel aberkannt werden könnte - wie in Dresden, das 2009 den Status wegen des Baus der Waldschlösschenbrücke über das Elbtal verloren hat.

Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel befürchtet

Der bürgerliche Protest formiert sich schon. Vor einigen Monaten hat sich die Arbeitsgruppe "Bahnsinn Bamberg" gegründet, die den Widerstand plant. Oberbürgermeister Starke setzt derweil auf Gespräche mit der Bahn. Schon im vergangenen Jahr verabschiedete der Stadtrat eine Resolution, um die Folgen für das Welterbe möglichst gering zu halten.

Auf eine Strecke von vier Kilometern soll sich die bis zu sechs Meter hohe Mauer durch die Stadt ziehen und Bamberg geradezu zerschneiden. Etliche Gebäude müssten abgerissen werden. Betroffen wären auch die Gärtner, die traditionell Flächen in der Stadt bewirtschaften und damit Teil des Welterbes sind. Möglicherweise müssten sie Flächen abgeben, und einige Gärtner befürchten gar Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel.

Die in Bamberg beheimatete Gesundheitsstaatssekretärin Melanie Huml (CSU) hat nun an ihren Parteikollegen und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer geschrieben, der für die Bahn zuständig ist. Die Planungen der DB stünden in einem "extremen Gegensatz" zum besonderen Schutzauftrag für die Welterbestätten, schreibt Huml darin. Sie appelliert an Ramsauer, Bamberg als Modellstrecke für einen innovativen städtebaulich verträglichen Lärmschutz auszuwählen.

Auf den setzt man auch im bayerischen Verkehrsministerium, wo man die "besonderen Sensibilität" der Welterbe-Stadt Bamberg betont. Der Bund, auf dessen Zuständigkeit verwiesen wird, wolle im Lauf des Jahres neue Lärmschutz-Verfahren vorstellen.

"Wir verlangen jede Anstrengung, um das Welterbe zu schützen", sagt OB Starke und will im Dialog erreichen, dass die Bahn doch noch einen moderneren Lärmschutz findet als die hohen Mauern. Sonst ist auch er für andere Mittel. "Wenn das nicht zum erhofften Ergebnis führt, dann ist das der Zeitpunkt, um dem außerparlamentarischen Protest zum Durchbruch zu verhelfen."

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