Hygiene in Restaurants und Läden:"Jetzt werden wir an den Pranger gestellt"

Von Lebensmittelskandalen erfährt die Bevölkerung oft erst, wenn sie in vollem Gange sind. Das ändert sich nun. Ab sofort können Bürger bei den Behörden fragen, wie es um die Hygiene in ihrem Lieblingslokal bestellt ist. Die Gastronomie ist in Aufruhr.

Martin Mühlfenzl

Die Dänen sind ein glückliches Volk. Sie lachen - wenn ihre Handballerinnen wieder einmal Olympiasieger geworden sind; wenn sich ihre kettenrauchende Königin Margrethe bunt-fröhlich in der Öffentlichkeit präsentiert; oder wenn sie beim Bäcker wie auf dem Amt eine Nummer ziehen müssen. Und Dänen lachen natürlich, wenn es ihnen schmeckt, ihnen ein Restaurant gefällt und dort alles sauber und gepflegt erscheint.

Ratskeller-Restaurant im Bremer Rathaus

Eine Küche ist kein Labor, sagen die Gastwirte. Doch Kontrollen sind für die Verbaucher wichtig. Ab sofort können sich Bürger bei den Gesundheitsbehörden erkunden, wie hygienisch ihr Lieblinsrestaurant arbeitet.

(Foto: dpa)

Dieser Umstand wird inzwischen auch mit einem gewissermaßen offiziellen Lächeln bekräftigt, einem Smiley: Seit 2001 müssen alle dänischen Lebensmittelgeschäfte, Restaurants und Imbissbuden sowie Kantinen von Betrieben, Schulen und Altenheimen darüber informieren, wie sie bei der letzten Lebensmittelkontrolle abgeschnitten haben. Die Skala reicht von einem Smiley mit einem großzügigen Lächeln bis zu einem tieftraurigen Gesicht, das den Einzug der Geschäftszulassung androht.

An den Türrahmen deutscher Restaurants, Cafés oder Bars prangen noch keine Smileys - und dennoch ist die Gastronomie-Branche in Aufruhr. Denn vom heutigen Tag an gilt das reformierte Verbraucherinformationsgesetz (VIG) der schwarz-gelben Bundesregierung. Es handelt sich um ein neun Seiten langes Gesetzeswerk, das Verbrauchern freien Zugang zu Informationen verschaffen soll, über welche die Gesundheitsbehörden verfügen. Konkret sollen die Bürger künftig erfahren können, ob ein Lebensmittelhersteller gegen Gesetze verstoßen hat, wie es um die Hygiene im Lieblingsrestaurant bestellt ist oder was bei der Kontrolle im Obst- und Gemüseladen um die Ecke herauskam. Die Informationen können kostenlos bei den zuständigen Ämtern abgerufen werden.

"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange nicht genug", sagt Andreas Winkler vom Verein Foodwatch, der sich als unabhängige Instanz in Sachen Verbraucherschutz betrachtet. Die betroffene Branche sieht es dagegen völlig anders. "Jetzt werden wir an den Pranger gestellt. Ich habe langsam die Schnauze voll", schimpft Monika Poschenrieder, Wirtin des Forellenhofes Walgerfranz in Bad Tölz und beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zuständig für die Gastronomie. Die Angst der Gastwirte ist groß. Aber ist sie auch berechtigt?

Transparenz ist das Zauberwort

Der Titel der Gesetzesnovelle lautet in nüchternem Beamtendeutsch: "Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation." Transparenz lautet das Zauberwort aus dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, dem Ilse Aigner (CSU) vorsteht. Die Botschaft aus ihrem Hause ist eindeutig: Die Novelle sei eine Konsequenz aus zurückliegenden Lebensmittelskandalen, etwa dem Dioxinskandal aus dem Jahr 2011.

Bisher, so die Pressestelle des Ministeriums, sei das VIG ein Verhinderungsgesetz gewesen; dem Bürger wurden Informationen vorenthalten. Das soll sich ändern. Und das schürt die Befürchtungen der Wirte. Sie haben Angst, dass die Menschen die neuen Informationsrechte flächendeckend nutzen, die Erkenntnisse über das Internet und andere Wege verbreiten, auch wenn es sich manchmal nur um harmlose Nachlässigkeiten handelt.

"Die Gastwirte sind die Dummen", echauffiert sich Wirtin Poschenrieder. "Natürlich hat es Skandale gegeben. Dioxin, Müllerbrot, bei Metzgern. Aber wann gab es denn einen Skandal im Gastrobereich?" Die Lebensmittelbranche - und dazu gehört das Gastronomie-Gewerbe - sei leider in Verruf geraten, sagt Poschenrieder. "Weil in manchen Bereichen nicht sauber gearbeitet worden ist. Und jetzt folgt eine pauschale Vorverurteilung."

Mit dem freien Zugang zu den Ergebnissen von Kontrollen werde einer Hexenjagd Tür und Tor geöffnet. "Ein Tabubruch", sei die Gesetzesänderung, schimpft auch der bayerische Dehoga-Vorsitzende Ulrich Brandl. "Wenn Daten von Kontrollen veröffentlicht werden, müsste dies in allen Bereichen geschehen: Bei Ärzten, Anwälten und auch Politikern", fordert er. Mit Konsequenzen.

Wobei überhaupt nicht klar ist, ob es für die Wirte so schlimm kommen wird, wie diese es nun schon heraufbeschwören. Es wird sich eben erst zeigen müssen, ob und wie die Menschen ihre neuen Rechte nutzen. Bisher war das Münchner Kreisverwaltungsreferat als zuständige Behörde in der Landeshauptstadt nicht gezwungen, Daten von Lebensmittel- und Hygieneuntersuchungen herauszugeben.

Einmal pro Jahr wurden die Resultate anonymisiert bekannt gegeben - als übergreifende Statistik. Dieses Vorgehen entspricht dem des Verbraucherschutzministeriums, das seit mehreren Jahren eine konstante Zahl von Auffälligkeiten registriert: In etwa 25 Prozent aller gastronomischen Betriebe werden Unregelmäßigkeiten beanstandet - von einer gebrochenen Fliese über kaputte Lampen bis hin zu verdreckten Küchen. Bei beinahe jeder zehnten Untersuchung bundesweit werden Fleischproben beanstandet.

Eine Küche ist kein Labor

"Das ist der normale Wert. Er steigt nicht an, er geht aber auch nicht merklich zurück", sagt Andreas Winkler von Foodwatch. Interessant sei bei diesen Proben für die Verbraucher freilich, welche Restaurants und Hotels sich dahinter verbergen. Ob das neue Gesetz in diesem Punkt mehr Klarheit schaffen werde, sei aber noch offen. Eben weil die Bürger die Daten dazu auch abfragen müssen.

Mit einer Kontrolle pro Jahr muss Monika Poschenrieder in ihrem gemütlichen Restaurant in Bad Tölz rechnen - unangemeldet. Kleinste Details werden dabei geprüft. "Und das ist richtig. Wir haben nichts zu verbergen." Die Auflagen und Vorgaben durch den Gesetzgeber seien enorm. Es müsse aber auch berücksichtigt werden: "Wir sind kein Labor. Wir sind ein Restaurant mit einer Küche, in der gearbeitet wird." Und dort könne es passieren, dass ein Fettspritzer auf der Ablage und ein Salatblatt auf dem Boden landet. "Wenn der Kontrolleur etwas finden will, dann findet er auch etwas. Aber das heißt nicht, dass wir unhygienisch arbeiten."

Dies unterstellt auch die Organisation Foodwatch den Betrieben der Gastrobranche nicht. Andreas Winkler nimmt zugleich die Kontrolleure in Schutz. Die Überlastung sei angesichts der dünnen Personaldecke in allen Bundesländern enorm, sagt er: "Und das in einem sehr sensiblen Bereich." Dennoch lieferten die zuständigen Stellen verlässliche Daten: "Die müssen auf den Tisch. Das ist unser Ansinnen, das über das neue Gesetz hinaus geht: Alle Ergebnisse müssen veröffentlicht werden."

Nur das könne Klarheit schaffen. Eine Pflicht zur Veröffentlichung sieht das reformierte Verbraucherinformationsgesetz indes nur bei Grenzwertüberschreitungen vor. "Ein wichtiger Schritt, wenn auch ein wirklich kleiner", sagt Winkler. Einen strahlenden Smiley habe die Gesetzesnovelle daher nicht verdient.

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