Höhlenforscher:Johann Westhauser kehrt zurück in die Tiefe

Rettungseinsatz für Höhlenforscher

Berühmt geworden ist er, weil ihm am 8. Juni 2014 in der Riesendinghöhle ein Lehmbrocken auf dem Helm zerschellt ist. Johann Westhauser und Retter am 19. Juni, kurz vor dem Ausstieg.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Gut zwei Jahre ist es her, dass Johann Westhauser fast tot aus der Riesendinghöhle geborgen wurde. Nun ist der Forscher trotzdem wieder in eine Höhle gestiegen.

Von Korbinian Eisenberger

Der Höhlenforscher Johann Westhauser ist in den Untersberg zurückgekehrt. Etwas mehr als zwei Jahre nach seinem Unfall in der Riesendinghöhle stieg der 56-Jährige in diesem Sommer erstmals wieder für ein größeres Forschungsprojekt in eine Höhle. Um anhand von Eiskernproben die Klimaentwicklung innerhalb des Untersbergs zu analysieren, wählte Westhauser zusammen mit Kollegen die Schellenberger Eishöhle aus, eine kleinere Höhle. Er wolle es langsam angehen lassen, sagte er der SZ.

Westhauser, der in Karlsruhe als Labortechniker arbeitet, war im Juni 2014 in der tiefsten Höhle Deutschlands tausend Meter unterhalb des Einstiegslochs ein Lehmbrocken auf den Helm gekracht. Sein Unfall löste die spektakulärste Höhlenrettung aus, die es in Europa je gegeben hat. 700 Bergretter, davon 200 der erfahrensten Höhlenforscher, schlossen sich zu einer mitteleuropäischen Allianz zusammen. Medien in der ganzen Welt schickten Reporter nach Oberbayern und berichteten über diesen Mann, der mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma zurück an die Erdoberfläche gebracht wurde. Johann Westhauser wurde weltberühmt. Leider, sagt er.

Kein Interview, keine Medien - bis jetzt

Nur einmal hat er seither öffentlich geredet, vom Krankenbett aus, Tage nach dem Unfall, als er sich in einem Video bei seinen Rettern bedankte. Er hatte große Schwierigkeiten mit dem Sprechen und konnte Teile seines Körpers nicht mehr bewegen, seine linke Gesichtshälfte hing schlaff herunter. Dann war er weg, nicht mehr zu sehen. Kein Interview, kein Film über die Rettung, keine Homestory. Nun hat er sich doch begleiten lassen.

An diesem strahlenden Sommertag hat Westhauser wieder einen Helm auf, mit Rucksack und Bergschuhen geht es hinein in die Höhle. Wenn Westhauser spricht, macht er immer wieder Pausen, überlegt. Vor dem Unfall sei ihm das Sprechen leichter gefallen, sagt er. Als er aus der Reha zurückkam, ging es dann fast nur noch um eine Frage: Wer bezahlt die Rechnung von knapp einer Millionen Euro Gesamtkosten?

Das bayerische Innenministerium beteiligte Westhauser an den Kosten. Wie viel genau, sagen weder das Ministerium noch Westhauser. Nur soviel: Für die Anreise an den Untersberg hat Westhauser den Zug genommen. Alleine mit dem Auto von Karlsruhe nach Berchtesgaden zu fahren, sei zu teuer, sagt Westhauser.

Dass er sich jetzt von einem Journalisten begleiten lässt, macht Westhauser wegen der Forschung. Er hat etwas richtigzustellen, für sich selbst und die 2500 Kollegen vom Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Seit dem Unfall wabert über allem die Frage, was diese Höhlenforscher eigentlich da unten machen. Schon in der Frage schwingt Kritik mit. Dann heißt es oft, der Nutzwert der Höhlenforschung stehe nicht im Verhältnis zum Risiko.

Johann Westhauser sieht das anders, für ihn gibt es in der Forschung noch viel zu tun. Als die Dunkelheit der Höhle das Licht der Eingangshalle verschluckt, ändert sich etwas an seinem Verhalten. Westhauser, der sonst so schüchtern ist, fängt plötzlich an zu reden und hört gar nicht mehr auf. Er spricht über seine Forschung. Über seine Retterin Sabine Zimmerebner, die vor einem Jahr starb, als ihr im Untersberg ein Stein auf den Kopf fiel. Und er spricht über seinen Unfall, und über seine Erinnerungen aus jenen neun Tagen, in denen er auf einer Trage zurück ans Licht befördert wurde.

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