Hochzeitsbräuche in Bayern:Erster Schritt ins Grab

Die Lust am Heiraten ist in Bayern ungebrochen. Doch die Riten ändern sich. Heute wird ein Event der Liebe gefeiert, früher ging es ums Geschäft - und um den Tod.

Von Hans Kratzer

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Quelle: Volk-Verlag

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Jährlich lassen sich in Bayern bis zu 25 000 Ehepaare scheiden. Die Lust am Heiraten ist dennoch ungebrochen, denn 60 000 Paare geben sich im Freistaat jedes Jahr das Ja-Wort. Viele Hochzeiten werden dabei zum emotional aufgeladenen Event und zum schönsten Tag im Leben hochstilisiert. Das war früher undenkbar.

"Der Gang vor den Traualtar war für viele Frauen letztlich der erste Schritt ins Grab", sagt die Kunsthistorikerin Martina Sepp, die bei ihren Recherchen zum Wandel der bayerischen Hochzeitsbräuche auf bemerkenswerte Fakten und Zusammenhänge gestoßen ist - und auch auf längst vergessene Bräuche wie dem Myrtenkranz, den Hochzeiterinnen früher anstelle eines Brautstraußes trugen, um böse Geister abzuwehren.

"Abschied von der Heimat" kritzelte jemand unter dieses Foto vom 23. November 1925.

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Und doch gibt es noch alte Rituale, die bei Hochzeiten nach wie vor eine prägende Rolle spielen. Der urbayerische Hennentanz gilt zum Beispiel als Vorläufer der modernen Hen Party, eine Art Junggesellenabschied für angehende Bräute, zu uns herübergeschwappt aus den angelsächsischen Ländern. Eines der markantesten Insignien einer Hochzeit, das weiße Brautkleid, ist dagegen kein alter Brauch. Noch heute tragen Bräute im Tölzer Land bei der Hochzeit ein dunkles Gewand.

Ein Brautpaar um 1930 - mit der Braut im schwarzen Hochzeitskleid.

Das bayerische Hochzeitsbuch - Unter die Haube gebracht

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Früher waren die Hochzeitskleider ausschließlich schwarz. Das bot viele Vorteile: Erstens konnte das Kleid an Festtagen weiterhin getragen werden. Zweitens waren helle Farben in Zeiten, als das Waschen noch eine mühsame Handarbeit war, viel zu empfindlich. Dass diese Gewänder wie eine Trauerkleidung aussahen, hatte seinen Sinn. Bis ins 20. Jahrhundert sind unzählige Mütter im Kindbett gestorben. Hochzeit und Tod lagen gefühlsmäßig eng beisammen, was im traurig dunklen Hochzeitskleid auf berührende Weise zum Ausdruck kam.

Silberne Hochzeit mit Hochzeitslader

Das bayerische Hochzeitsbuch - Unter die Haube gebracht

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Früher sei in den seltensten Fällen aus Liebe oder auch nur aus freien Stücken geheiratet worden, sagt Martina Sepp, die ihre Forschungsergebnisse nun in einem Buch zusammengefasst hat. Bei einer Hochzeit handelte sich unmissverständlich um einen Vertrag zur gegenseitigen Absicherung. "Die Heirathen sind in der Regel nicht Herzens- sondern Geschäftssache", notierte der Schriftsteller Felix Dahn im Jahre 1860. "Wie viel moanst, dass an Mosbauern sei Cenz mitkriagt?" fragt logischerweise der Hochzeiter in Ludwig Thomas Stück "Der Heiratsvermittler".

Eine Bauernhochzeit in der Wildenau bei Garmisch-Patenkirchen: Das Brautpaar posiert vor einem Kammerwagen mit dem die Aussteuer der Frau zur Schau gestellt werden soll.

Hochzeitslader Volk Verlag

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Den Heiratsvermittler, auch Hochzeitslader genannt, gibt es immer noch. Auch wenn er die Eheleute nicht mehr zusammenbringen muss. Vor allem die weit gereisten Viehhändler wussten früher genau, wie groß die Höfe waren, wer wie viel zu vererben hatte und wessen Söhne und Töchter gut zusammenpassten. Entsprechend haben sie die Paare dann verkuppelt und die Einladung zur Hochzeit an die Familien und Nachbarn weitergetragen.

Ein Hochzeitslader wie ihn Hugo Wilhelm Kauffmann für das Büchlein "A Hochzeit im Gebirg" illustrierte.

Das bayerische Hochzeitsbuch - Unter die Haube gebracht

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Den Heiratsvermittler, auch Hochzeitslader genannt, gibt es immer noch. Auch wenn er die Eheleute nicht mehr zusammenbringen muss. Vor allem die weit gereisten Viehhändler wussten früher genau, wie groß die Höfe waren, wer wie viel zu vererben hatte und wessen Söhne und Töchter gut zusammenpassten. Entsprechend haben sie die Paare dann verkuppelt und die Einladung zur Hochzeit an die Familien und Nachbarn weitergetragen.

Der Heiratsautomat: Hier werden Ort und Zeit sowie der richtige Bräutigam automatisch vergeben.

Das bayerische Hochzeitsbuch - Unter die Haube gebracht

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Mittlerweile bieten ganze Scharen von Hochzeitsladern ihre Dienste im Internet an. Sie bestehen vor allem darin, eine Hochzeit vorzubereiten und den Ablauf nach altem Zeremoniell zu organisieren. Eine Ausstellung im Bauernhausmuseum Amerang widmet sich zurzeit diesen brauchfesten Männern und Frauen, die auch auf Unvorhergesehenes reagieren müssen - egal ob ein Gast zu tief ins Glas geschaut hat oder ob die Tante auf dem Tanzboden ausgerutscht ist. Indem sie die Hochzeitsfeier oft mit markigen Sprüchen und Gstanzln anheizen, tragen sie freilich auch ihren Teil zur Eventisierung der Hochzeitsfeiern bei.

Münchner Hochzeitspaar auf einer Vespa, um 1960.

Das bayerische Hochzeitsbuch - Unter die Haube gebracht

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Kaum zu glauben, dass einst mehr als die Hälfte der Bevölkerung von der Möglichkeit einer Hochzeit ausgeschlossen war. Eine solche wurde nur demjenigen gestattet, der eine Familie ernähren konnte. Ein Jungbauer durfte erst heiraten, wenn der Hof übergeben war, eine Bauerstochter hatte sich bei der Wahl des Hochzeiters ihrem Vater zu fügen, andernfalls verlor sie jeglichen Besitzanspruch.

Die Vermählung von Kronprinz Rupprecht von Bayern mit Prinzessin Antonia von Luxemburg. Im Jahr 1921 fand die Hochzeit des letzten bayerischen Kronprinzenpaars statt. Die Braut war 30 Jahre jünger als ihr Bräutigam.

Quaglio, Lorenzo: Hochzeitsgesellschaft im Boot, 1849, GK I 6007.

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Erstaunlich ist auch, dass ausgerechnet der Dienstag der bevorzugte Hochzeitstag war. Das lag am weit verbreiteten Aberglauben, galt doch nur der Dienstag als frei von Hexerei und Unheil. Undenkbar waren Hochzeitsfeiern in den Fastenzeiten vor Ostern und Weihnachten. Im Frühjahr und während der Erntezeit hatten die Bauern keine Zeit. Deshalb wurde bevorzugt im Fasching geheiratet oder im Oktober zwischen Kirchweih und Allerheiligen.

"Hochzeitsgesellschaft im Boot", gemalt von Lorenz Quaglio im Jahr 1849, abgebildet in Martina Sepps Hochzeitsbuch.

Hochzeitsbuch Volk

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Selbst die berühmteste bayerische Hochzeit, jene fürstliche Vermählung zu Landshut von 1475, fand im November statt. Im Oktober 1810 war die ähnlich legendäre Hochzeit des Kronprinzen Ludwig mit Therese von Sachsen-Hildburghausen. Sie markiert den Ursprung des Oktoberfests.

Der Landesbrautzug am 16. Oktober 1842 nach einer Lithografie von Gustav Kraus

"Hochzeit im ländlichen Oberbayern", Ausstellung im Bauernhausmuseum Amerang, bis 7. Juni.

"Das bayerische Hochzeitsbuch" von Martina Sepp ist im Volk Verlag erschienen (156 Seiten, 19,90 Euro).

© SZ vom 29.04.2013/mmo
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