Hochwasser:Niederbayern: "Unsere Rente ist weggeschwommen"

Am Tag nach der Katastrophe packen viele Simbacher an, um die Spuren der Verwüstung zu beseitigen. Manche sind dafür noch zu geschockt.

Reportage von Isabel Meixner, Simbach

Elmar Egger wusste, dass Hochwasser kommen würde. Deswegen ging er in den Keller, noch schnell den Strom abschalten, damit es keinen Kurzschluss gibt. Fast wäre das sein Todesurteil gewesen. Plötzlich sprengten die Wassermassen des angrenzenden Simbachs die Haustür auf, in Sekunden lief das Wasser die Treppen runter und der Keller voll. Der Rentner konnte sich am Geländer festkrallen, zu seinem Glück war seine Frau Hallgerd in der Nähe. "Ich habe ihn gerade noch am Kragen erwischt."

Am Tag nach der Überschwemmung steht das Ehepaar auf der schlammigen Innstraße vor seinem Haus. Es stinkt nach Heizöl, das Wasser hat viele Tanks ausgeschwemmt. Im Hintergrund rattert die Pumpe und leert den Keller, in dem das Wasser noch immer einen Meter hoch steht. Eine braune Linie im Erdgeschoss zeigt an, wie weit es am Mittwoch hochgekommen ist: Es sind sicherlich sechs Meter. Hier, auf der Straße, habe ihr Mann noch das Auto geparkt für den Fall, dass die Tiefgarage vollläuft, erzählt Hallgerd Egger. Und nun? "Ich habe unser Auto noch herumschwimmen sehen, das liegt jetzt in einem Fahrradladen."

Hinter dem Haus wird das Ausmaß der Zerstörung ebenfalls deutlich. Bäume, Äste, Verkehrsschilder hat es wie Streichhölzer gegen Häuser gedrückt, ja sie fast darunter begraben. Fensterscheiben und Türen wurden herausgerissen, Möbel umgeworfen, Autos überschwemmt oder unter Trümmern begraben, ein Wagenanhänger hängt auf einem Scheunentor, drei Meter über dem Erdboden. Der Schlamm steht immer noch überall mindestens knöchelhoch. Strom und Trinkwasser funktionieren nicht.

An einer Stelle hat der zum reißenden Strom mutierte Bach einen Teil der Seitenbefestigung mit sich gerissen und ist über die Ufer getreten. Die Straße, die dort verlief, kann man nur noch erahnen. Eine Frau bahnt sich mit einem Hund ihren Weg durch die Trümmerteile. Ein Feuerwehrmann sieht das. "Vorsicht", ruft er und läuft ihr entgegen. Durch den dicken Schlamm kann man nicht erkennen, wie tief man einsinken kann.

"Das ist eigentlich ein Bach, da kannst du sonst drüberspringen", sagt eine Helferin, die gerade eine Pause macht. Auch am Donnerstag sieht der Simbach wieder harmlos aus, die braune Brühe hat sich wieder in den Flusslauf zurückgezogen. Die junge Frau nimmt ihr Handy, macht ein Foto, dann greift sie wieder zur Schaufel. Auch wenn es aussichtslos scheint: "Da kann man schaufeln und schaufeln und man sieht nichts."

In einigen Häusern werden bereits Möbel und Holzböden auf die Straße geworfen. In anderen genauso zerstörten Gebäuden wird nicht gearbeitet, stattdessen stehen sie mit ihren zerstörten Schaufenstern und hineingespülten Bäumen da wie stumme Zeugen des Dramas, das sich hier vor nicht einmal 24 Stunden ereignet hat.

"Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend"

Auch Wilhelm Eppenrieder schaufelt sein Haus aus, in dem der Schlamm noch fast knietief steht. Er hat es erst vor einem halben Jahr gekauft, oben ist vermietet, im Erdgeschoss sollte ein Laden rein. "Das ist brutal", sagt er. Für ihn doppelt: Er hat keine Versicherung gegen das Hochwasser. "Bis jetzt war noch nie etwas", sagt er. Zumindest nichts Vergleichbares. Sicher, ab und an habe es Hochwasser gegeben, 1986 stand mal der Keller unter Wasser. Aber so etwas? Der Simbacher schüttelt den Kopf. Einer seiner Helfer ruft währenddessen Passanten zu: "Helfen Sie mit!" Wer er ist, weiß Eppenrieder nicht: "Den kenne ich nicht." Der Mann habe einfach mit angepackt.

Auch andere Menschen zeigen sich hilfsbereit, aus dem benachbarten Braunau helfen Leute mit, die Trümmer zu beseitigen. Jugendliche, die nicht in die Schule mussten, haben sich zusammengetan und greifen zur Schaufel. "Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend", sagt Eppenrieder.

Manche wirken aber am Donnerstag einfach noch zu geschockt, um anpacken zu können. Eine Restaurantbesitzerin kämpft mit den Tränen und versucht zu begreifen, was geschehen ist. "Unsere Rente ist weggeschwommen", presst sie hervor. Seit Mitte April ist sie in Rente, die Miete aus dem Lokal sollte ihr einen guten Ruhestand ermöglichen. Mehr als zwei Meter stand das Wasser im Restaurant. Ob ihre Hausrat- und Gebäudeversicherung zahlt, weiß sie nicht. Immerhin, sagt sie und sagen auch viele andere Simbacher an diesem Tag: "Zum Glück hat es nicht mehr Tote gegeben."

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