Hochschulen in Bayern:Experten plädieren für verbindliche Uni-Eignungstests

Hörsaal

Damit weniger junge Leute ihr Studium abbrechen, sollen sie in Zukunft gründlich beraten werden. Allerdings ganz unverbindlich.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Fast jeder dritte Studierende in Bayern schmeisst sein Studium.
  • Um die Quote zu senken, sollen die Studierenden mehr und besser beraten werden.
  • Die Staatsregierung will den Hochschulen nun erlauben, Bewerbern eine verpflichtende Beratung oder Eignungstest vorzuschreiben - jedoch unverbindlich.

Von Johann Osel

Die Pläne der Staatsregierung, die Zahl der Studienabbrecher in Bayern durch mehr Beratung zu senken, lösen Skepsis aus. In der Kritik steht dabei nicht das Ziel, sondern die Umsetzung. Da nach Schätzungen fast jeder dritte Student im Freistaat sein Studium hinwirft, will die Regierung den Hochschulen erlauben, Bewerbern eine verpflichtende Beratung vorzuschreiben oder gar Eignungstests - diese jedoch unverbindlich. Jüngst hat das Kabinett den Gesetzentwurf von Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle (CSU) beschlossen.

Der Minister sei mit dem Plan "zu kurz gesprungen, da dieser keinerlei verbindliche Regelungen vorsieht", sagte der hochschulpolitische Sprecher der Freien Wähler im Landtag, Michael Piazolo. Eher verhalten äußerte sich auch der Präsident der Technischen Universität München, Wolfgang Herrmann. "Es wäre ermutigend, das durch Ressourcen für Personal zu unterstützen. Es wird sich zeigen, wie die Universitäten das annehmen", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Herrmann will eine weitergehende Novelle: das Recht für die Unis, die Eignung zu prüfen und so Studenten auszuwählen. "Ich bin unzufrieden mit den Gestaltungsmöglichkeiten."

Erste Pressemeldungen nach dem Kabinettsbeschluss hatten Verwirrung ausgelöst. "Unis dürfen künftig Studienanwärter testen", war in zahlreichen Medien zu lesen. Die Pressekonferenz von Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) hatte offenbar den Eindruck erweckt, dass es künftig fixe Tests für Studienbewerber geben soll. Dies trifft so nicht zu, wie Nachfragen beim Ministerium zeigen. Allerdings böte das neue Gesetz die Option, eine Beratung oder "Orientierung" zur Pflicht zu machen. Hochschulen könnten selbst entscheiden, für welche Studiengänge und wie sie das handhaben wollen, ob tatsächlich mit Wissenstests, Online-Fragebögen, Probevorlesungen, Beratungsgesprächen oder anderen Angeboten.

Falls es an einer Uni für ein Fach künftig einen Test gibt, kann ein Abiturient sich aber einschreiben, selbst wenn er durchfallen würde - er muss nur den Nachweis erbringen, an dem Orientierungsangebot teilgenommen zu haben. Spaenle teilte mit: "Ziel der Studienorientierungsverfahren ist, die Studierwilligen dahin gehend zu beraten, dass sie selbst erkennen, ob das angestrebte Studium wirklich zu ihnen passt." In Ministeriumskreisen wird das prägnanter formuliert: "Die jungen Leute sollten wissen, was auf sie zukommt - und nicht irgendein Fach studieren, weil es gut klingt oder gerade hip ist."

Die Staatsregierung beruft sich bei den Angaben zur Abbrecherquote auf bundesweite Daten des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW); Länderdetails gebe es nicht. Demnach dürften eben gut 30 Prozent der bayerischen Studenten vor dem Bachelor aufgeben, in Naturwissenschaften noch mehr. Das DZHW erörtert in seinen Analysen auch die Motive. Nur gut ein Viertel der Abbrecher ist durch Rahmenbedingungen wie Geldprobleme, familiäre Gründe oder Krankheit dazu gezwungen. Gut 30 Prozent der Abbrecher werden dagegen den Anforderungen nicht gerecht, bestehen etwa Prüfungen nicht; ein ähnlich hoher Anteil an Studenten gibt außerdem auf, weil sie nicht mehr motiviert sind, weil sich ihre Vorstellungen vom Fach nicht erfüllen.

Es gibt kiene zusätzlichen Gelder

Im Ministerium rechnet man damit, dass die neue Möglichkeit von den Hochschulen genutzt wird. Zusätzliche Töpfe werde es jedoch nicht geben. Und auch ohne Pflicht sei das Projekt eine "echte Hilfe", heißt es. So sollten die Hochschulen "idealerweise eine eindeutige Empfehlung für oder gegen eine Studienwahl aussprechen". Auch in Zukunft nicht geplant seien Aufnahmeprüfungen, wie sie beim Musikstudium üblich sind. Geige oder Klavier kann nur studieren, wer sein Instrument schon außerordentlich gut beherrscht.

Tatsächlich gibt es bis dato Zulassungstests nicht nur im künstlerischen Bereich; wenn Studiengänge "besondere qualitative Anforderungen" haben, sieht das Hochschulgesetz eine Eignungsfeststellung vor. Hochschulen müssen dies für jeden Studiengang im Ministerium genehmigen lassen, wenn sie etwa spezielle Kenntnisse verlangen oder Bewerbungsgespräche abhalten wollen. Auf SZ-Anfrage teilt das Ministerium mit, dass man 33 solchen Verfahren den Segen erteilt habe. Zum Beispiel an der Uni Bayreuth in den Studiengängen für Gesundheitsökonomie und Wirtschaftsingenieurwesen oder an der Hochschule Rosenheim für das Fach Innenausbau.

Die TU München gilt als Vorreiter

Die meisten Genehmigungen entfallen auf die TU München, Herrmann sieht sein Haus als "Pionier" in dieser Frage. So hatte die TU die Eignungsfeststellung vor allem im vergangenen Jahrzehnt in einem Pilotmodell getestet, etwa mit Castings und Motivationsschreiben. Auch ein Ehrenamt wurde berücksichtigt oder eine Berufsausbildung. "Wir wollen nicht die Streber", sagte Herrmann mal. Nach Gerichtsurteilen zur Freiheit der Berufswahl hatte das Ministerium in den vergangenen Jahren aber einen strengeren Kriterienkatalog für diese Auswahlverfahren ausgearbeitet. "Hier ist eine Gesetzesänderung wünschenswert, das ist in der jetzigen Form schwer handhabbar", sagt Herrmann, der sich mehr Spielraum wünscht. Es handelt sich um denselben Artikel, den Spaenle nun um einen Beratungspassus erweitern will.

In Bayern waren zuletzt laut einer Untersuchung des Centrums für Hochschulentwicklung 36,4 Prozent aller Bachelor-Studiengänge mit einem Numerus clausus versehen, in Technik- und Wirtschaftsfächern mehr als 40 Prozent. Herrmann sagt: Abiturnoten seien "oft nur ein Beweis, dass jemand Wissen abliefern kann und lernen wie ein Ochse. Die Eignungsfeststellung wäre da häufig die gerechtere Möglichkeit".

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