Hilfe für den Automobilzulieferer:Schaeffler spaltet die Koalition

Wirtschaftsminister Zeil (FDP) hält das CSU-Modell einer Bürgschaft in Milliardenhöhe für den angeschlagenen Schaeffler-Konzern "für ausgeschlossen".

Die geplante Hilfe der Staatsregierung für den finanziell angeschlagenen fränkischen Autozulieferer Schaeffler wird zur schweren Belastungsprobe für die Regierungskoalition. Während Ministerpräsident Horst Seehofer offenbar bereit ist, Schaeffler mit Bürgschaften des Freistaats in Höhe von mehr als 1,2 Milliarden Euro zu helfen, lehnt Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP ein Engagement des Freistaates in dieser Höhe kategorisch ab. "Das halte ich für ausgeschlossen", sagte Zeil der Süddeutschen Zeitung.

Hilfe für den Automobilzulieferer: Mitarbeiter des Schaeffler-Konzerns protestierten gegen den Stellenabbau.

Mitarbeiter des Schaeffler-Konzerns protestierten gegen den Stellenabbau.

(Foto: Foto: dpa)

Am Mittwoch gab der Konzern bekannt, 250 Millionen Euro Personalkosten einsparen zu wollen - das hieße, umgerechnet auf Arbeitsplätze, den Verlust von 4500 Jobs. An mehreren Schaeffler-Standorten ging die Belegschaft auf die Straße. Derweil ist auf politischer Ebene ein heftiger Streit über Staatshilfen entbrannt. Nach SZ-Informationen wird in der CSU ein Modell diskutiert, wonach allein der Freistaat mit mindestens 1,2 Milliarden Euro für Kredite bei Schaeffler bürgen soll. Insgesamt liege der angestrebte Bürgschaftsrahmen bei vier Milliarden Euro, wobei sich Bund und jene Bundesländer, in denen Schaeffler Werke unterhält, die Summe zur Hälfte teilen sollen. Der Anteil der Länder bemesse sich an der Beschäftigtenzahl, der Freistaat müsste dem Vernehmen nach für 60 Prozent der Ländersumme bürgen. Das sind mindestens 1,2 Milliarden Euro.

Zunächst nichts Konkretes

Ministerpräsident Seehofer lehnte es vorerst ab, Details über eine geplante Beteiligung des Freistaates zu nennen, sprach aber am Dienstag von einem "unterstützungswürdigen" Konzept, das die Firmenspitze kurz zuvor der Staatsregierung vorgelegt hatte. Er deutete an, dass es Hilfe nur mit Beteiligung der Bundesregierung und "unter Einbeziehung der Länder" geben könne. "Das wird ein ganz schwieriger Weg", so Seehofer.

Vor allem beim Koalitionspartner FDP haben die Pläne der CSU für Ärger gesorgt. Wirtschaftsminister Zeil hatte bisher Staatshilfen für Schaeffler an ein schlüssiges Sanierungskonzept geknüpft. Allerdings ist er nicht bereit, mit Geld in dieser Höhe auszuhelfen. "Wir können als Freistaat Bayern nicht solche Summen für ein einzelnes Unternehmen hinlegen", sagte der FDP-Politiker. Weil Schaeffler ein Unternehmen von nationaler Bedeutung sei, müsse eine Lösung auf Bundesebene gefunden werden, sagte Zeil, der Staatshilfen für Unternehmen ohnehin skeptisch gegenübersteht. Das landeseigene Bürgschaftsprogramm für Mittelständler umfasst in Bayern lediglich 200 Millionen Euro. Der Freistaat sei mit derartigen Bürgschaftswünschen überfordert, sagte Zeil.

In der CSU spricht sich ein Großteil der Landtagsabgeordneten für eine Bürgschaft für Schaeffler aus. "Wer sich für sein Land so einsetzt, hat unsere Unterstützung verdient", sagte der frühere Ministerpräsident Günther Beckstein. Die genannte Summe allerdings, die bislang in der Fraktion nicht bekannt ist, macht den meisten Sorgen. "Wir wissen nicht, wie das gehen soll", heißt es aus den Reihen der Finanzexperten. Eine Bürgschaft müsste gedeckt sein, aber die Rücklagen des Freistaates, die zu Beginn der Amtszeit Seehofers auf drei bis vier Milliarden Euro beziffert wurden, sind weitgehend aufgebraucht. "Das ist nicht zu schultern", heißt es.

Unterschiedliche Ansichten

Der Wirtschaftsexperte Philipp Lerchenfeld sagte, man könne nicht Opel die Hilfen untersagen und sie nun für Schaeffler genehmigen. "Fehlentscheidungen des Managements können wir nicht durch staatliche Hilfen subventionieren", sagte er.

In Schweinfurt reagierten nicht nur die Betroffenen bei Schaeffler mit Entsetzen auf den drohenden Jobabbau. Mit Streichungen hatte sie in der Industriestadt am Main gerechnet, dass nun 1034 Stellen auf der Kippe stehen, trifft sie wie ein Schock. In Schweinfurt weckt die Verlautbarung aus der Konzernspitze Erinnerungen an das Jahr 1992, das schlimmste der Nachkriegeschichte. Damals wurden bei den drei großen Industriebetrieben in Schweinfurt insgesamt 10.000 Stellen gestrichen, das FAG-Werk stand kurz vor der Schließung.

Zuletzt freilich wähnten sie sich im alten Kugelfischer-Werk auf der sicheren Seite. Nicht zuletzt weil Schaeffler nach der Übernahme von FAG im Jahr 2001 das Werk modernisiert und profitabel gemacht hatte. Noch im Jahr 2008 hatte das für die oft gebeutelte Stadt zu einem unverhofften Geldregen geführt. Mehr als 90 Millionen Euro nahm Schweinfurt über die Gewerbesteuer ein - mehr als doppelt soviel wie in den Jahren zuvor.

Und nun? Dass jetzt praktisch jeder fünfte Arbeitsplatz von Streichung bedroht ist und "offenkundig die Belegschaft für die schlimmen Fehler des Managements büßen soll", stimmt Schweinfurts CSU-Chef Hans Gerhard Stockinger "einfach nur bitter". Für eine Stadt, die in der bayerischen Arbeitslosenstatistik seit Jahrzehnten auf den hintersten Plätzen rangiert, wären 1000 Stellen weniger "ein Wahnsinn", sagt auch Werner Bonengel, SPD-Fraktionsvize in Schweinfurter Stadtrat. CSU-Oberbürgermeisterin Gudrun Grieser zeigt sich "sehr besorgt" über die Zukunft der insgesamt 18.000 Arbeitsplätze in der metallverarbeitenden Industrie Schweinfurts. Würde Schaeffler betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, wäre dies ein "verhängnisvolles Signal für ganz Schweinfurt". Andererseits könnte Schaeffler nun demonstrieren, wie man "Kosten spart ohne Kündigungen". Gegen Entlassungen werde sich nicht nur die Belegschaft von Schaeffler wehren - sondern "ganz Schweinfurt". Am Mittwoch demonstrierten bereits 5000 Schweinfurter gegen die Einsparungen.

Jede fünfte Stelle bedroht

Beim Bürgermeister von Herzogenaurach, German Hacker, überwog am Mittwoch die Hoffnung. Zwar würden die geplanten Einsparungen von 59 Millionen Euro Personalkosten am Hauptquartier von Schaeffler theoretisch die Streichung von 1050 Stellen bedeuten. Dass es soweit kommt, glaubt der SPD-Politiker allerdings nicht. "Die Konzernspitze hat ganz klar gesagt, dass sie betriebsbedingte Kündigungen verhindern will." Dass nun "endlich auch aus München" Signale für Unterstützung für Schaeffler kommen, hält Hacker für "längst überfällig". Bedrohlich ist die Situation auch an drei anderen Schaeffler-Standorten in Bayern: Im mittelfränkischen Höchstadt stehen 265 Stellen auf der Kippe, im oberfränkischen Hirschaid sind es 128, im unterfränkischen Eltmann 111.

Der SPD-Fraktionsvize im Landtag, Thomas Beyer, übte wegen der drohenden Personaleinsparungen Kritik an der Konzernspitze. Noch vor einigen Wochen hätten die Familie Schaeffler und die Geschäftsführung dem SPD-Fraktionsvorstand "die Wahrung der Arbeitnehmerinteressen zugesagt und einen Kulturwandel im Verhältnis zur Belegschaft" angekündigt. Der Staatsregierung bescheinigte Beyer, durch ihre "monatelange Untätigkeit und Unfähigkeit" die Situation für die Arbeitnehmer verschlimmert zu haben.

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