Hildebrandt über die Bayern-Wahl:"Das sind so Spontansprudler"

Westerwelle als Messias, Müntefering ein "politischer Triebtäter", Mitleid mit Huber und Beckstein: Kabarettist Dieter Hildebrandt redet im SZ.de-Interview über den Wahlkampf in Bayern - und beruhigt die CSU.

Oliver Das Gupta

Dieter Hildebrandt ist seit mehr als fünf Jahrzehnten Kabarettist und piesackt die Volksvertreter - seine SPD kann ein Lied davon singen.

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(Foto: Foto: oh)

Das folgende Interview über den bayerischen Landtagswahlkampf fand am Telefon statt, da der 81-Jährige derzeit durch Ostdeutschland tourt. Er kommt erst nach dem Urnengang wieder zurück ins heimische München. Der edelsten Bürgerpflicht ist Dieter Hildebrandt übrigens schon nachgekommen - per Briefwahl.

sueddeutsche.de: Von Kreuzzügen, vollen Hosen und Biergenuss vor der Autofahrt war im laufenden Wahlkampf in Bayern die Rede. Ist das kabarettistisch wertvoll, was die Damen und Herren Politiker zu bieten haben?

Dieter Hildebrandt: Wissen Sie, Sprüche wie der von Beckstein und dem Bier sind so Sachen, die rausrutschen, das sind so Spontansprudler. Das ist dann Lederhosn, das ist Lodenmantel und Blasmusik - alles Folklore. Wenn die Politiker in Bierzelte gehen, wenn ihnen irgendwo ein Mikrofon hingehalten wird, dann kommt das raus, was in ihnen drin ist - genau das ist doch das Furchtbare. Darüber will ich eigentlich gar nicht mehr reden, denn das hatte ich mir schon vorher gedacht.

sueddeutsche.de: Nun enttäuschen Sie uns ein wenig. Dieser Wahlkampf taugt fürs Kabarett offenbar nicht mehr zur Inspiration.

Hildebrandt: Ein Wahlkampf an sich hat schon satirischen Wert. Allein die Tatsache, dass sich Leute trauen, mit ihrem Gesicht auf Plakaten straßenweise zu präsentieren, ist mutig. Jeder, der da antritt, hat automatisch einen Gegner. Wahlkampf ist der Kampf, den die untereinander führen. Da kann man sich eigentlich nur auf die Tribüne setzen - und zuschauen, wie sie sich gegenseitig umbringen.

sueddeutsche.de: Werden die Zuschauer dort auf der Tribüne gut unterhalten?

Hildebrandt: Ja, das ist sehr lustig. Die CSU erfindet den alten Dreh neu von der "Freiheit statt Sozialismus". Die behaupten allen Ernstes, da im Osten den großen Gegner von einst zu sehen, die Kommunisten stehen angeblich vor der Türe.

sueddeutsche.de: Das finden Sie nicht wirklich witzig, oder?

Hildebrandt: Natürlich! Um Gottes Willen, für diese imaginäre Kommunisten-Angst besteht doch gar kein Anlass. Die Linke ist doch keine ernsthafte Gefahr. Aber die CSU will einfach nicht unter die 50 Prozent - deshalb ist es doch komisch. Oder finden Sie das nicht?

sueddeutsche.de: Es ist interessant, dass die CSU auf ein Thema setzt, das bei der Bundestagswahl 1994 stach, aber hinterher nicht mehr.

Hildebrandt: Wieso soll das interessant sein, wenn sie das schon seit vielen vielen Jahren machen? Aber die bayerische Bevölkerung kümmert sich sowieso nicht darum, ob nun die Linke in den Landtag einziehen wird oder nicht - sie wählt mit Masse ohnehin die CSU.

sueddeutsche.de: Sie bangen also nicht um die absolute CSU-Mehrheit im Freistaat?

Hildebrandt: Nein, natürlich nicht. Wissen Sie: Es gab mal diese Sache mit der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf. Ein Riesen-Theater war das. Der von der CSU-dominierte Staat hatte es damals auf einen Bürgerkrieg abgesehen. Er ließ brave Bayern, die gegen das Werk waren, ordentlich verprügeln. Trotzdem haben sie bei der nächsten Landtagswahl wieder CSU gewählt. Kurzum: Ich mache mir überhaupt keine Sorgen um die 50 plus X Prozent für die CSU.

sueddeutsche.de: Haben Sie noch eine andere Botschaft an das Führungsduo Beckstein/Huber, die Sie hier loswerden wollen?

Hildebrandt: Die beiden werden es schon aussitzen. Dieses Diadochen-Paar ist ja auch sehr komisch, eigentlich Figuren, die Shakespeare erfunden haben könnte. Sie werden an der Regierung bleiben, sie müssen sich nur überlegen, wie lange das noch geht mit ihren Jobs. Sie sind im Grunde genommen bemitleidenswert. Denn eigentlich haben Sie den falschen Beruf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Gedanken sich Edmund Stoiber womöglich über das Duo Huber/Beckstein macht, aber nicht aussprechen darf.

"Das sind so Spontansprudler"

sueddeutsche.de: Mitleid haben Sie mit Huber und Beckstein? Inwiefern?

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Hildebrandt: Rhetorisch sind sie schwach, ihre Logik ist schwach und ihr ganzer Aufbau ist es sowieso. Wenn ich einen Beruf ausübe, in dem ich mittelfristig eigentlich keine Chance habe, dann macht mir das doch keinen Spaß, oder?

sueddeutsche.de: Jetzt sind Sie richtig fies.

Hildebrandt: Das ist gemein, ja.

sueddeutsche.de: Gemein aus Ihrer Sicht dürfte doch aber auch die Tatsache sein, dass die Bayern-SPD Ihres Freundes Franz Maget in Umfragen irgendwo bei 20 Prozent dümpelt.

Hildebrandt: Es ist ja auch nicht ausgemacht, dass die SPD automatisch vom Minus der CSU profitiert.

sueddeutsche.de: Woran liegt es, dass sie das nicht schafft?

Hildebrandt: Ich glaube, hier wirkt Westerwelle. Niemand kennt hier die FDP, dafür nun ihren Boss. Er hatte vorher gedroht, dass er kommt, dann war er da - und wie! Westerwelle ist wie ein Messias durch die verwirrten Wähler durchgezogen. In Keferloh sind 2000 Leute zur Rede von Westerwelle gekommen. Ich wundere mich, dass da überhaupt jemand hingeht. Erstaunlich.

sueddeutsche.de: Floß ist Guido Westerwelle ja auch gefahren, auf der Isar.

Hildebrandt: Ja, aber da hat er sich gelangweilt, habe ich gehört. Er ist ja so unruhig und will immer schnell zum nächsten Termin - auf einem Floß hat er es da natürlich schwer gehabt.

sueddeutsche.de: Westerwelle wurde von Ex-Landesvater Stoiber einst als Leichtmatrose tituliert - heute wird der frühere CSU-Chef sich wohl besonders ärgern, wie sich seine politischen Erben anstellen.

Hildebrandt: Ja, der ärgert sich ... Moment! Das darf er ja nicht. Instinktiv dürfte er lachen, wenn Huber und Beckstein weniger als 50 Prozent bekommen. Äußerlich dürfte er es nicht zugeben. Er ist eben ein Hasenfuß geblieben, sogar ein Hasenfüßchen. Er würde nie sagen: Jetz gfällt's mir aber, dass ihr reingfallen seids, ihr Deppen.

sueddeutsche.de: Herr Hildebrandt, Sie glauben an die absolute Mehrheit der CSU am Wahlsonntag. Was passiert, wenn sie weniger bekommt?

Hildebrandt: Dann holen Sie die FDP und haben Schwarz-Gelb. Ist doch auch ganz gut. Und unterm Strich ändert sich nichts, glauben Sie mir. Ich bin ja auch keiner der dem Lafontaine zum Sieg verhelfen will, ehrlich.

"Das sind so Spontansprudler"

sueddeutsche.de: Im Frühjahr haben Sie uns in einem Interview gesagt, Kurt Beck laufe an Ihnen ab ...

Hildebrandt: ... ja, und nun ist er abgelaufen!

sueddeutsche.de: Sind Sie denn als SPD-Sympathisant zufrieden mit dem neuen Spitzenpersonal?

Hildebrandt: Über Franz Maget geht nichts. Ich sage den anderen Ober-Genossen: Schaut auf den Franz, man kann auch anständig durchs Leben gehen.

sueddeutsche.de: Herr Maget bekam bei der letzten Wahl weniger als 20 Prozent der Wählerstimmen.

Hildebrandt: Nun ja, wenn man als Politiker anständig bleibt, kann es natürlich passieren, dass man nicht so berühmt wird. Ich bin sehr froh, wenn Magets Bayern-SPD 23 Prozent bekommen sollte.

sueddeutsche.de: Er bekommt ja auch kräftig Unterstützung aus Berlin von Franz Müntefering und Frank-Walter Steinmeier ...

Hildebrandt: Ja, und Merkel auch. Noch so 'ne Drohung.

sueddeutsche.de: Sie sind zwar gerade auf Tournee, aber würde es Sie reizen, sich diese Leute mal in natura wahlkämpfend anzugucken?

Hildebrandt: Ich hab das früher gemacht, aber das tu ich mir nicht mehr an. Ich weiß ja, was sie sagen und wie sie es sagen.

sueddeutsche.de: Steinmeier ist ja erst ein Wahlkampf-Neuling und bemüht sich zu schrödern.

Hildebrandt: Nee, den Schröder zu machen, schafft der nicht. Er ist auch einfach zu langsam, er ist nicht schlagfertig. Und außerdem interessieren mich so Dinge wie die Agenda zweitausendundzehn und ähnliches Material nicht. Das hat doch alles keine Chance.

sueddeutsche.de: Ist Steinmeier lustig?

Hildebrandt: Habe ihn noch nie so erlebt.

sueddeutsche.de: Aber Franz Müntefering sorgt doch für Schenkelklopfer wie jüngst im Münchner Hofbräukeller. Beckstein und Huber nennt er "Waschlappen". Gefällt Ihnen so was?

Hildebrandt: Nein, das ist mir zu plump. Er ist ein politischer Triebtäter und als solcher muss er respektiert werden. Er wirft sich sofort in jede Bresche, die sich ihm bietet.

sueddeutsche.de: Hat Sie sein Comeback überrascht?

Hildebrandt: Dass Müntefering wiederkommt, hätte ich nicht für möglich gehalten. Er hat sehr gelitten, keine Frage.

sueddeutsche.de: Was halten Sie überhaupt vom Führungswechsel an der SPD-Spitze?

Hildebrandt: Das ist die Rückkehr der Parteisoldaten - und Soldaten mag ich überhaupt nicht. Ich würde mir das nie gefallen lassen.

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