Heimatbericht:"Ein Minister Söder muss es schön reden"

Söder stellt Heimatberichtes 2016 vor

Von wegen Überalterung. Heimatminister Markus Söder zufolge gibt es wieder mehr junge Leute auf dem Land.

(Foto: dpa)

Mehr Zuwanderer, mehr Studenten, weniger Arbeitslose: Markus Söder erkennt in seinem Heimatbericht einen positiven Trend für die ländlichen Regionen. Experten und die Opposition sehen das kritischer.

Von Lisa Schnell

Immer mehr Menschen ziehen aufs Land, immer mehr studieren dort, die Arbeitslosenquote ist auf einem Rekordtief. Heimatminister Markus Söder erkennt in seinem Heimatbericht, den er am Montag vorstellte, einen langfristigen positiven Trend. Experten und Opposition sind in ihrer Bewertung zurückhaltender.

Demografie

Das vierte Jahr in Folge wachse die Bevölkerung im ländlichen Raum, sagte Söder. Im Jahr 2015 lebten 7,18 Millionen Menschen im Freistaat auf dem Land und damit ein Prozent mehr als noch im Vorjahr. In ganz Bayern fiel die Bevölkerungsentwicklung mit einer Steigerung um 1,2 Prozent noch ein wenig positiver aus. Insgesamt stieg in 89 von 96 Landkreisen die Einwohnerzahl.

Während 2014 noch 18 Landkreise einen Rückgang verzeichneten, waren es 2015 nur noch sieben. Das sind Neustadt an der Waldnaab in der Oberpfalz und die oberfränkischen Kreise Wunsiedel, Bayreuth, Hof, Coburg, Kronach und Kulmbach. Doch auch in Oberfranken stieg die Einwohnerzahl zum ersten Mal seit 2001, wenn auch nur um 0,3 Prozent. "Ein vorsichtiger Trend, aber auf jeden Fall erkennbar", sagte Söder.

Auch wenn auf dem Land mehr Kinder geboren werden als in der Stadt, gibt es dort immer noch sehr viel mehr Beerdigungen als Kindergeburtstage. Dass die Bevölkerung trotzdem wächst, liegt an der Zuwanderung. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Wahlbayern zieht aufs Land. Nur zwei Prozent von ihnen wandern aus anderen Bundesländern zu, der Rest kommt aus dem Ausland und dabei zu 56 Prozent nicht aus Europa. Das Jahr 2015 stelle aufgrund der hohen Asylbewerberzahlen eine Sondersituation dar, sagte Söder. So wanderten 2014 knapp 48 500 Menschen mehr nach Bayern ein als ab, 2015 waren es mehr als 87 000.

Die Asylbewerber müsse man herausrechnen, da es sich kaum um eine freiwillige Zuwanderung handle, findet Christian Bernreiter, der Präsident des Landkreistages. Auch sei anzunehmen, dass die meisten von ihnen mittelfristig in die Städte umziehen, um dort Arbeit zu finden, sagt Regionalforscher Ralf Klein von der Universität Würzburg. Holger Magel von der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum gibt zu bedenken, dass die 44 Prozent, die aus der EU zuwandern, vor allem aus "Problemregionen" wie Osteuropa kommen.

Arbeiten auf dem Land

Dass in Bayern die Wirtschaft brummt, wirkt sich auch auf die ländlichen Regionen aus. Söder spricht von einem Rekordtief der Arbeitslosenquote. Sie sank in allen Regierungsbezirken außer in Unterfranken, wo sie bei 3,3 Prozent stagnierte und in Niederbayern, wo sie sich um einen Prozentpunkt auf 3,5 erhöhte. Insgesamt stieg die Anzahl von sozialversicherungspflichtigen Jobs im ländlichen Raum um 2,1 Prozent auf 2,5 Millionen. Die sehr gute Arbeitsmarktsituation sei insbesondere für jüngere Leute wichtig, sagte Söder.

Auch wenn die Zahlen auf den ersten Blick positiv wirkten, liefen die Städte dem Land immer noch davon, sagt dagegen Magel. Während das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in südbayerischen Großstädten bei mehr als 70 000 Euro liege, betrage es im Grenzgebiet stellenweise nur 30 000 Euro, geben auch die Freien Wähler zu bedenken. Detlev Sträter von der Münchner Projektgruppe für Sozialforschung weist zudem auf die Tücken der Arbeitslosenstatistik generell hin.

So handele es sich bei einem Großteil der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze um Teilzeitjobs, Langzeitarbeitslose tauchten in der Statistik gar nicht auf. Landkreistagspräsident Bernreiter macht sich zudem Sorgen um den Fachkräftemangel auf dem Land. Um ihm zu begegnen, müsse das Land weiter attraktiver gemacht werden. Der Mensch brauche nicht nur Arbeit, sondern Lebensqualität, heißt es von den Grünen. In den Dörfern gebe es oft keine Supermärkte mehr und kein Freibad. Auch das Schienennetz und die ärztliche Versorgung müssten ausgebaut werden, fordert die SPD.

Studieren auf dem Land

Wo Hochschulen und Wissenschaft sind, da entstehen Arbeitsplätze, so die Rechnung von Heimatminister Söder. Es sei deshalb wichtig, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, früher Fachhochschulen genannt, nicht nur in den Städten anzusiedeln. Derzeit haben neun von 17 ihren Standort im ländlichen Raum. Insgesamt habe sich der Anteil der Studenten dort von 29 auf 33 Prozent im Jahr 2015 erhöht. Blickt man auf die letzten zehn Jahre zurück ergibt sich ein Anstieg von 86 Prozent. Die Strategie, vermehrt Hochschulen auf dem Land anzusiedeln, habe sich bewährt, sagt auch Sozialforscher Sträter.

Heimatstrategie

Söder führt die positiven Effekte auf seine Heimatstrategie zurück, die eine Entschleunigung in den Städten und eine Beschleunigung auf dem Land zum Ziel hat. Einen erneuten Schub erhofft er sich durch die Verlagerung von Behörden aufs Land und die Lockerung des Anbindegebots, mit dem Gewerbegebiete außerhalb von Siedlungen entstehen können. Dass seine Strategie aufgehe, belegen für ihn die positiven Entwicklungen der jüngsten drei Heimatberichte.

Sozialforscher Sträter hat sich den von 2015 für die SPD genauer angeschaut. "Das Ministerium geht schon ganz nah an den Bereich der Datenmanipulation", sagt er. Mal würden absolute Zahlen genommen, mal prozentuale Anstiege, von denen man nicht wisse, was ihnen zugrunde liege. Man suche sich eben das raus, was politisch gerade passe, um auf Erfolge hinzuweisen, die so gar nicht nachweisbar seien.

Auch würden im Heimatbericht aufgrund eines zu groben Analyserasters positive Entwicklungen, die eigentlich den Städten zuzuordnen sind, dem ländlichen Raum zugerechnet. Sträter spricht deshalb von einer "Fakeproduktion". Sein Kollege Magel ist da verständnisvoller. "Ein Minister Söder muss es schön reden. Das ist seine Aufgabe", sagt er.

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