Heikles Kirchenbild in Hof:"Das ist keine Hitler-Hommage"

Heikles Kirchenbild in Hof: Links um Hilfe Flehende, in der Mitte Jesus, rechts ein Mann mit den Zügen Hitlers. So ist das bis heute zu sehen in der Hofer Christuskirche.

Links um Hilfe Flehende, in der Mitte Jesus, rechts ein Mann mit den Zügen Hitlers. So ist das bis heute zu sehen in der Hofer Christuskirche.

(Foto: Christa Unglaub)

Auf einer Bildtafel in der Christuskirche im oberfränkischen Hof ist neben Jesus eine Person abgebildet, die Züge von Adolf Hitler trägt. Ist der 1939 eingeweihte Bau also eine Nazi-Kirche? Der evangelische Pfarrer Martin Gölkel deutet das Bild ganz anders.

Von Olaf Przybilla, Hof

Der evangelische Pfarrer Martin Gölkel, 45, hat acht Jahre in der Christuskirche in Hof gepredigt. Sie wurde im November 1939 während der NS-Zeit eingeweiht. An der Hufeisenempore dieses Gotteshauses sieht man 40 Bildtafeln, die den Weg von Jesus illustrieren. Ein Bild dieser Serie gibt zu denken: Man sieht eine Person neben Jesus, die offenbar die Züge von Adolf Hitler trägt. Ein Gespräch über Bilddeutungen und noch ausstehende Debatten.

SZ: Herr Gölkel, Sie haben dieses Jahr die Pfarrei gewechselt. Hatte das was mit dem Hitler-Bild im Gotteshaus zu tun?

Martin Gölkel: Überhaupt nicht, das waren ganz persönliche, eher spirituelle Gründe. Ich habe mich in dieser Hofer Kirche acht Jahre lang sehr wohl gefühlt. Ich fand es auch schade, dass ich 2006, als ich dort anfing, gelegentlich auf die "Nazi-Kirche" angesprochen wurden, in der ich da nun angeblich predigen würde. Das trifft es nicht.

Warum?

Man wird der Kirche nicht gerecht. Sie wurde in schwerer Zeit gestaltet und eingeweiht, ohne Frage. Aber die Gesamtaussage der Bilder an der Empore ist, wenn ich es richtig deute, nicht etwa die Verherrlichung der in dieser Zeit Mächtigen. Sondern im Gegenteil: Der Mensch wird aufmerksam gemacht darauf, dass sein Leben endlich ist, egal wie mächtig er sich fühlen mag. Und es eine andere Macht über ihm gibt, eine stärkere. Und diese NS-Epoche auch ihre Zeit hat, die zu Ende gehen wird.

Das sehen Sie auch in dem Hitler-Bild?

Also, das ist keine Hitler-Hommage in meinen Augen. Links von Christus sieht man Menschen, die offenbar etwas erbitten von ihm. Da ist jemand am Boden, kniend vor Jesus. Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen schenkt er Gnade, so heißt es in der Bibel. Jesus wendet sich diesen Leuten zu. Der Hitler dagegen steht herrisch am Rand, als einziger, der Stiefel trägt. Sein Gewand wirkt irgendwie . . .

Feldherrenhaft?

Ja, genau: feldherrenhaft! Und hochmütig und arrogant. Aber dieser Mann kann es doch nicht mit Jesus aufnehmen, er weicht meines Erachtens sogar leicht zurück vor der Autorität des Mannes in der Mitte. Ein bisschen, finde ich, wie ein Kaninchen vor der Schlage. Dieser Mann am Rand wirkt auf mich wie ein Außenseiter.

Sie hatten nie ein Problem, in der Umgebung eines Hitler-Porträts zu predigen?

Überhaupt nicht. Gleich neben dem Prediger in Hof hängt ein Bild mit dem Titel: Jesus ist Sieger. Das ist doch die Botschaft!

Heikles Kirchenbild in Hof: Martin Gölkel ist Pfarrer im fränkischen Wieseth.

Martin Gölkel ist Pfarrer im fränkischen Wieseth.

(Foto: oh)

Aber auch Ihre persönliche Exegese. Gab es während Ihrer Zeit in der Kirche nie Leute, die gesagt haben: Ich will einen Gottesdienst nicht in einer Kirche mit einem Hitler an der Wand erleben?

Dergleichen habe ich in den acht Jahren nie gehört. Aber um nicht missverstanden zu werden: In dieser Gemeinde wird nichts unter den Teppich gekehrt. Deshalb zeigen wir in unserem kleinen Bändchen "Einzigartig" aus Anlass des 75. Jubiläums der Christuskirche auch gleich auf den ersten Seiten, wie im Vorgarten des Pfarrhauses am Tag vor der Kircheneinweihung eine Hakenkreuzfahne weht. Aber an der Kirche selbst weht die Kirchenfahne.

Wie deuten Sie das?

Man tat einerseits das, was tagespolitisch erwartet wurde. Andererseits hielt man an der Kirche als Haus Gottes fest. Wenn mir jemand gesagt hätte: Also, da hängt der Hitler in der Kirche, in dieses Gotteshaus gehe ich nicht mehr rein, dann hätte ich ihn versucht einzuladen und mit mir erst mal über dieses Bild wirklich nachzudenken. Aber diese Ablehnung gab es leider nie.

Sie sagen: leider.

Na ja, die Debatte fände ich natürlich schon wichtig. Also würden andere zum Ergebnis kommen: Dieses Bild ist eindeutig so zu verstehen, dass man damit Hitler eine Ehre erweisen wollte, dann müsste man sich von diesem Bild hier mal verabschieden, das ist doch klar. Das hätte dann in einer christliche Kirche nichts zu suchen. Aber ich kann das nicht herauslesen aus der Konzeption. Wenn man Hitler hätte die Ehre erweisen wollen: Warum hat man ihn dann in diesem Bild auf die Seite gestellt?

Also fehlt aber doch die Debatte.

Ein Aspekt ist da natürlich: Diese Figur hatte ja bis in die 1980er-Jahre nicht mal jemand entdeckt. Offenbar war doch diese Person auf dem Bild so gar nicht besonders auffällig. Und schon gar nicht in der Kriegs-Zeit, denn während der sahen nicht wenige so aus wie der Mann auf dem Bild.

Das Hitler-Bild sollte Ihrer Ansicht nach also nicht entfernt werden aus der Kirche?

Auf keinen Fall. Dieses Bild ist eine ganz zentrale Ansage an den Nationalsozialismus: Christus ist in der Mitte. Da können Mächtige herumstehen, so viel sie wollen. Der Hitler am Rand wirkt doch austauschbar: Das könnte auch irgendein König sein, meinetwegen auch Stalin. Ganz egal: Christus wendet sich nicht der Macht zu, sondern denen, die Hilfe nötig haben. Ich finde, das könnte man sogar als Zeugnis gegen den braunen Ungeist interpretieren.

Es soll Anzeichen geben, dass der Mann, der diese Kirchenausschmückung konzeptionell zu verantworten hatte, am Ende der NS-Zeit in Ungnade fiel.

Ich habe da keine Detailkenntnisse. Ich weiß nur, dass es eine sehr gefährliche Zeit war, auch für Vertreter der Kirche. Bei der Einweihung der Kirche war ein zuvor von den Nazis gedemütigter Bischof zugegen, dessen Kirche geräumt worden war. So waren die Zeiten. Und auf etwas möchte ich besonders hinweisen: Es gibt in dieser Kirche eine gemalte Jesusfigur, die ein Gewand trägt mit vielen Davidsternen drauf. Sie sind schwer zu erkennen, die hat erst meine Frau entdeckt. Keine Geistliche, sondern eine Krankenschwester. Der Davidstern war zu dieser Zeit in offizieller Lesart nicht gut konnotiert, wie wir wissen. Auch das ist für mich ein Hinweis, dass es dort nicht um die Verehrung der Hitlerei ging.

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