Hasstiraden von Grundschülern in Neu-Ulm:"Wer das Kreuz malt, muss in die Hölle"

Grundschule Neu-Ulm

"Wer das Kreuz malt, der muss in die Hölle", äußerten Schüler dieser Neu-Ulmer Grundschule. Die Lehrer waren entsetzt.

(Foto: Stefan Puchner)
  • Nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo spricht eine Lehrerin in Neu-Ulm mit ihren Viertklässlern über die Bluttat.
  • Dabei offenbaren einige Schüler religionsfeindliche Einstellungen gegenüber Juden und Christen. Laut der Rektorin waren die Sprüche keine Einzelfälle
  • Die Lehrer versuchen das Problem pädagogisch anzugehen.
  • Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.

Von Stefan Mayr, Neu-Ulm

Es begann nach den Weihnachtsfeiern. Genauer gesagt nach dem Anschlag auf die Redaktionsräume der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo. Eine Ethiklehrerin der Grundschule "Neu-Ulm Stadtmitte" sprach mit Viertklässlern über die Bluttat in Paris. Zwei Schüler hatten dazu eine dezidierte Meinung: "Das geschieht denen doch Recht", sagten sie. Wer Mohammed zeichne, habe eben nichts anderes verdient. Nur ein cooler vorpubertärer Spruch? Oder echte Gesinnung?

Die Lehrer bohrten nach. Und sie mussten erkennen: Sie waren nur auf die Spitze des Eisbergs gestoßen. An ihrer Schule gibt es gleich mehrere Kinder, die extremistische Einstellungen offenbaren. Nach intensivem Nachfragen bekamen die Lehrer "entsetzliche Sätze" zu hören, wie Rektorin Beate Altmann berichtet. Islamistische Hetzparolen wie: "Christen muss man töten" oder "Juden stehen auf einer Stufe mit Schweinen".

Die Sprüche waren keine Einzelfälle

Diese Worte kommen aus dem Mund von neun- bis zehnjährigen Kindern. Sie sind strafunmündig, aber das macht den Fall eigentlich noch schlimmer. Zumal die Schule bislang nicht als Problemfall aufgefallen ist, sondern als ganz normale Innenstadtschule durchgeht. 22 Nationen, viele verschiedene Kulturen. Großstadt-Alltag. Und die Sprüche waren keine Einzelfälle. Rektorin Altmann spricht von "bis zu zehn Schülern". Die Kriminalpolizei ermittelt wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Die Beamten und Lehrer fragen sich: Woher haben die Knirpse diese Sprüche?

Die Polizei macht dazu keine Angaben. Rektorin Altmann sagt, dass die Kinder drei Moscheen nennen, in denen sie sonntags und in den Ferien die Koranschule besuchen. Eine dieser Gemeinden ist der Verein für islamische Bildung und Kultur (VIBK), der im Neu-Ulmer Ortsteil Schwaighofen eine ehemalige Fabrikhalle zum Gebetshaus umgebaut hat. Der Vereinsvorsitzende Kenan Adigüzel weist alle Vorwürfe zurück: "Jemanden zu töten, ist eine große Sünde", sagt er, "bei uns gibt es keinen Ton in diese Richtung." Die Stadt Neu-Ulm machte bereits vor Jahren als Islamisten-Hochburg Schlagzeilen. 2005 ließ der Freistaat das "Multi-Kultur-Haus" schließen, weil dort zum "Heiligen Krieg" aufgerufen wurde. Danach wurde es ruhiger. Sind jetzt die Hassprediger von damals wieder am Werk? Die Polizei gibt sich bedeckt: "Derzeit gibt es keine Bezüge zu den Personen, die früher auffällig geworden sind."

Lehrer wollen Schülern Weltreligionen näher bringen

Während die Polizei noch am Anfang ihrer Ermittlungen steht, packten die Lehrer das Problem pädagogisch an. Zunächst versuchten sie , ihren Schülern die verschiedenen Weltreligionen "und ihre Gemeinsamkeiten" näherzubringen, sagt Altmann. Dabei machten sie weitere verstörende Erfahrungen. Schon beim Zeichnen der Symbole der Religionen stießen sie auf ein unüberwindbares Hindernis: "Einige Schüler malten das Kreuz nicht", berichtet die Rektorin. Die Kinder begründeten das so: "Wer das Kreuz malt, muss in die Hölle."

Beate Altmann betont, dass die Mehrzahl der muslimischen Kinder anders denkt. Und dass viele türkische Eltern "ebenfalls schockiert" waren und sich von den Aussagen distanzierten. Aber andererseits rechnet die Rektorin anhand ihrer Klassenlisten eine beunruhigende Zahl aus: Von 27 muslimischen Viertklässlern an ihrer Schule besuchen lediglich sieben den offiziellen Islam-Unterricht. Nicht weniger als 20 Kinder werden von ihren Eltern bewusst in Ethik geschickt. Warum? Altmann: "Ich vermute, dass ihnen der Islam-Unterricht bei uns zu liberal ist." Der Lehrer Selahattin Sögüt wird vom türkischen Konsulat entsandt. Wenn er jeden Mittwoch an die Schule kommt, erreicht er nur einen Bruchteil der Viertklässler.

Resolution in fünf Sprachen

Beate Altmann machte den Schritt an die Öffentlichkeit bewusst. "Das ist eine wichtige Diskussion, die zu wenig geführt wird", sagt sie. Jeder wisse vom Problem Salafismus, aber viele wollten es im Alltag nicht wahrnehmen. "Ich nehme an, dass es in Großstädten viele Moscheen mit den gleichen Problemen gibt, irgendwo müssen die vielen IS-Kämpfer ja herkommen." Man müsse dieses Thema endlich offen ansprechen können, "ohne gleich in eine Ecke gestellt zu werden", sagt sie. Dabei betont sie, "dass es Extremismus in alle Richtungen" gibt. Seit dieser Woche ist klar: auch an Bayerns Grundschulen.

Das Kultusministerium spricht von " erschreckenden Äußerungen" und lobt die Reaktion der Schule: "Das Vorgehen entspricht ganz dem, was man von einer aktiven und leistungsfähigen Schule erwartet", sagt Sprecher Ludwig Unger. Er verweist auf die Resolution, die die Schulleitung mit dem Elternbeirat verfasst hat. "An unserer Grundschule gibt es keinen Raum für Rassismus, Extremismus und Gewalt", heißt es darin. Sie wurde in fünf Sprachen übersetzt und wird am Montag den Kindern mitgegeben. Die Eltern müssen unterschreiben. Auf die Frage, ob an anderen Schulen Bayerns ähnliche Aussagen gemacht wurden, sagt Unger: "Ich kenne solche Äußerungen nicht."

Neben der Grundschule Stadtmitte befindet sich die Mittelschule. Ob und wie viele Schüler dort indoktriniert sind, weiß Altmann nicht. "Die sind schon größer", sagt sie. "Die wissen, was sie uns Lehrern sagen können und was nicht."

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