Hanf-Anbau in Bayern:Garteln, bis die Kripo klingelt

Kiffer in Berlin
(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Viele Menschen in Bayern versuchen sich als Cannabis-Bauern. Ein riskantes Hobby, denn die Polizei ermittelt sehr gewissenhaft gegen die Gärtner mit den illegalen Pflanzen - und hat in diesem Jahr bereits 73 Plantagen abgeerntet.

Von Korbinian Eisenberger, Sophia Schirmer und Dario Nassal

Nirgendwo sonst in Deutschland wird der Anbau oder der Besitz von Cannabis so hart bestraft wie in Bayern. Die Polizei geht bei der Spurensuche in der Regel sehr gewissenhaft vor. Zuletzt etwa im unterfränkischen Gerolzhofen oder im oberbayerischen Oberau, wo Beamte regelrechte Hanf-Großplantagen entdeckten. Die SZ beleuchtet Aspekte des illegalen Lasters.

Hanf-Anbau in Bayern: Wie hier in einem Einfamilienhaus bei Garmisch-Partenkirchen entdecken bayerische Beamte häufig Hanf-Kleingärten, die einer Profi-Plantage gleichen.

Wie hier in einem Einfamilienhaus bei Garmisch-Partenkirchen entdecken bayerische Beamte häufig Hanf-Kleingärten, die einer Profi-Plantage gleichen.

(Foto: Polizei)

Die Politik

Während die CSU Hanfzüchtern und Konsumenten das Leben weiter schwer machen will, fordern SPD und Grüne einen lockereren Umgang mit der Droge. Für Dieter Janecek, Landeschef der Grünen, ist die Drogenpolitik im Freistaat "komplett gescheitert". Statt Dutzende Beamte mehrere Tage mit der Sicherung von Hanfpflanzen zu beschäftigen, "hätte die Polizei weitaus wichtigere Aufgaben" zu bewältigen.

Janecek fordert deshalb, Cannabis zu legalisieren, durch eine Ausgabe in Apotheken zu kontrollieren und zu besteuern. Zurückhaltender äußert sich die SPD. Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Landtagsfraktion, hält aber immerhin eine kontrollierte Freigabe von Cannabis für den Eigenbedarf für denkbar. "Dann stünde auch endlich bundeseinheitlich fest, was die sogenannte geringe Menge an Haschisch ausmacht", sagt Kohnen. Auch den jüngst entdeckten Hanf-Plantagen wäre dann "der Nährboden entzogen."

Zufrieden gibt sich lediglich die CSU: Die Landtagsfraktion lobt die Aushebung der Cannabisplantage in Oberau bei Garmisch als "beachtlichen Erfolg" für Polizei, Zoll, Landes- und Bundeskriminalamt. Angesichts von 245 Marihuanapflanzen, die von dort aus in Umlauf gekommen wären, sei "der zeitliche und personelle Aufwand bei Ermittlung und Spurensicherung absolut gerechtfertigt".

Die Gefahren

Cannabis ist nicht gleich Cannabis. Wie stark Marihuana wirkt, hängt unter anderem vom THC-Gehalt ab. Und der Trend geht hin zu immer stärkerem Gras. "Heute ist Cannabis eine neue Droge", sagt Sarah Hatton, die Jugendliche bei der Drogenhilfe Augsburg berät. Während in den Siebziger Jahren Gras rund acht Prozent THC enthielt, sei Marihuana mit über 20 Prozent keine Seltenheit mehr. Dieses Hochleistungsgras wächst aber nicht einfach im Garten, im Gegenteil: Die Lichtverhältnisse, die Bewässerung und die Kreuzung der Marihuana-Sorten müssen optimal abgestimmt sein. Die Plantage in Oberau ist ein Beispiel für diese professionellen Züchtungsmethoden.

Der Trend zu immer stärkerem Gras sei alarmierend, sagt Hatton. "Durch den hohen THC-Gehalt verstärkt sich das Risiko für Psychosen", sagt die Sozialpädagogin. Ängste, Orientierungslosigkeit, Sprachfindungsstörungen seien keine Seltenheit. Ganz allgemein sei Gras keine harmlose Sache, wie viele meinten. "Viele Langzeit-Süchtige stumpfen emotional ab und verlieren ihre Zielstrebigkeit im Leben", sagt Hatton. Körperlich sei die Abhängigkeit im Vergleich zu anderen Drogen wie Alkohol allerdings gering. Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler sieht vor allem für junge Menschen Risiken durch Cannabiskonsum. "Die Bundesregierung hält diese für zu groß, als dass sie eine Legalisierung verantworten könne", sagt Mortler. Wichtig sei gute Aufklärungsarbeit.

Bauern, Indizien, Strafen

Die Bauern

"Nach meiner persönlichen Erfahrung werden die Versuche, Cannabisprodukte selbst anzubauen, häufiger", sagt Walter Moser, Leiter der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER) Südbayern. Dem Landeskriminalamt liegen nur die Zahlen für die vergangenen zwei Jahre vor. Demnach wurden 2014 bislang 73 Plantagen sichergestellt. 2013 waren es insgesamt 122. "Wir haben zwar noch ein paar Monate, aber es deutet nichts darauf hin, dass es 2014 mehr werden als 2013", erklärt Ludwig Waldinger, Sprecher des Landeskriminalamtes. Kleine Mengen erfasst die Statistik nicht.

Von einer Plantage spricht die Polizei ab einer Größe von 20 Pflanzen. Sie unterscheidet zwischen drei Plantagenarten: Bei weniger als 100 Pflanzen handelt es sich um eine Kleinplantage. 100 bis 1000 Pflanzen bilden eine Groß- und mehr als 1000 Pflanzen eine Profiplantage. Außerdem wird zwischen Indoor- und Outdoorplantagen unterschieden, wobei erstere häufiger vorkommen: 2014 wurden bislang 56 Indoor- und 17 Outdoorplantagen entdeckt. Indoor-Pflanzen liefern in der Regel höhere Qualität.

Die Indizien

Laut Walter Moser gibt es typische Indizien, die eine Plantage verraten, zum Beispiel den Geruch. "So große Anlagen müssen ja eine Lüftungsanlage haben", erklärt er. Ein weiterer Hinweis ist das genutzte Gebäude: "Oft sind das Gewerbehallen oder Wohnungen, die nicht regelmäßig und meistens nachts frequentiert werden." Fenster seien häufig verklebt oder nicht vorhanden. Erst wenn ein Verdacht besteht, kann die Polizei weitere Informationen einholen. Dazu gehört zum Beispiel die Stromrechnung: "Viele haben durch die Strahler und Lüftungsanlagen extrem hohe Stromrechnungen", sagt Moser.

Die Strafe

Die Strafe, die einen Hanfbauern erwartet, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. "Das hängt zum Beispiel davon ab, ob der Verdächtige schon Vorstrafen hat oder ob er ein Wiederholungstäter ist", erklärt Moser. Außerdem spielt die angebaute Menge eine Rolle: "Bei einer geringen Menge Rauschgift spricht man von einem Vergehen. Bei einer nichtgeringen Menge von einem Verbrechen. Da beträgt die Mindeststrafe dann ein Jahr."

Der Konsument

Für Christoph Rossner ist die Sache klar: "Es gibt kein Lebewesen auf diesem Planeten, das immer nüchtern ist." Und "von allen Rauschmitteln ist Gras das harmloseste", sagt der 44-jährige Geschäftsführer einer Maschinenbaufirma. Rossner nimmt seit Jahren THC in Reinform als Tabletten. Er darf das. Denn seit einem Arbeitsunfall hat er einen gelähmten Arm, und THC sei der einzige Wirkstoff, der ihm wieder ein Gefühl in den Fingern gegeben habe. "Ich finde es auch okay, wenn Jugendliche am Wochenende mal einen Joint rauchen, statt ständig durch Koma-Saufen im Krankenhaus zu landen", sagt Rossner. Wobei er betont, dass der Konsum von Cannabis aufgrund der derzeitigen rechtlichen Situation Jugendlichen nicht zu empfehlen ist. Gemeinsam mit Juristen hat er einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung ausgearbeitet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: