Halser Ilzschleife:Die schwarze Perle

Ihre ursprüngliche Schönheit, ihr großes Gefälle und der Reichtum ihres Wassers machen die Ilz so besonders. Und rund um Hals scheint der Fluss seine Besucher mit einem vermeintlichen Richtungswechsel verwirren zu wollen

Von Magdalena Hechtel, Hals

Blau ist die Donau, grün ist der Inn und schwarz ist die Ilz. Die dunkle Farbe bedeutet aber nicht, dass der Fluss schmutzig ist. Im Gegenteil, sein Wasser ist glasklar. Schwarz ist die Ilz wegen der Moor- und Humusböden, über die sie auf ihrem Weg aus dem Bayerischen Wald in Richtung Süden fließt. Wer den mit 65 Kilometern Länge kleinsten der drei Passauer Flüsse näher kennenlernen will, sollte sich auf eines gefasst machen: Ruhe. Außer Vogelzwitschern, Froschkonzerten und dem Rauschen - oder besser dem Gluckern und Blubbern - des Flusses ist kein anderes Geräusch zu hören. Es riecht würzig, nach einer Mischung aus nassem Gras und Tannennadeln. Die Wege am Ufer entlang sind weit davon entfernt, befestigt oder begradigt zu sein. Wurzeln, Steine und Gehölz liegen überall, auf der einen Seite des Pfades fließt der Fluss, auf der anderen Seite ragen dicht bewachsene Berghänge steil nach oben. Das alles wirkt vor allem eines: ursprünglich. Man könnte meinen, die Ilz ist langweilig - kurz, schmal, flach und dann auch noch schwarz. Doch das ist sie nicht.

Halser Ilzschleifen in Passau

Im Laufe von Jahrmillionen bahnte sich die Ilz ihren Weg vorbei am harten Gneis und mäandert nun um die Halbinsel.

(Foto: Mediendenk)

Das merkt man spätestens dann, wenn man vom Passauer Stadtteil Hals aufbricht und sich an der Fließrichtung der Ilz orientieren will. Der Weg leitet Wanderer zunächst gegen den Strom, nach einigen Kilometern ändert der Fluss aber plötzlich scheinbar die Richtung. Ganz schön verwirrend. Noch konfuser ist die Tatsache, dass alle, die in Hals starten und immer dem Fluss entlanglaufen, auch wieder in Hals ankommen, fast so, als ob die Ilz in einem Kreis fließt. Tatsächlich verläuft das Flussbett rund um Hals in zwei Schleifen. Und der ehemalige Markt hat seinen Namen nicht von ungefähr: Als Hals wird die Halbinsel bezeichnet, auf der das Zentrum mit der historischen Burgruine liegt. Westlich des Marktplatzes fließt die Ilz in Richtung Norden, östlich davon in Richtung Süden. Wer das nicht bedenkt, dem wird auf seiner Suche nach dem richtigen Weg bestimmt nicht langweilig.

Halser Ilzschleife: Zu den Schätzen des Flusses gehören Muscheln. Deren Perlen wurden in der Brautkrone der Herzogin Hedwig verarbeitet.

Zu den Schätzen des Flusses gehören Muscheln. Deren Perlen wurden in der Brautkrone der Herzogin Hedwig verarbeitet.

(Foto: Oberhausmuseum Passau)

Richtig spannend ist auch die Geschichte der Ilz. Schon seit rund fünf Millionen Jahren dreht sie um Hals ihre Schleifen, entstanden ist der ungewöhnliche Verlauf durch die Bodenbeschaffenheit. Die Ilz bahnte sich ihren Weg an hartem Gneis vorbei durch den weicheren Pfahlschiefer. Bis zu seiner Einmündung in die Donau legt der Fluss mehr als 1000 Höhenmeter zurück. Das Gefälle ermöglichte einen besonderen Wirtschaftszweig, das Triften. Seit dem 16. Jahrhundert gelangten Baumstämme aus dem Bayerischen Wald über die Ilz nach Passau, wo es einen großen Bedarf an Bau- und Brennholz gab. Insbesondere für Schiffe, die Salz auf der Donau in Richtung Wien transportieren sollten, wurde immer wieder frisches Holz benötigt. Im 19. Jahrhundert wurde die Trift professionalisiert, um die Flussschleifen zu umgehen. Dafür wurde ein Tunnel durch den Felsen gebrochen, vor dessen Eingang entstand die Triftsperre, ein Staudamm, mit der die Hölzer daran gehindert werden sollten, weiter flussabwärts zu treiben. Stattdessen sorgten Arbeiter, die sogenannten Trifter, mit langen Stangen dafür, dass das Holz die Abkürzung durch den Tunnel nahm. Die Triftsperre und der Trifttunnel sind bis heute zugänglich, für schwache Nerven ist der dunkle Gang mit der schroffen, niedrigen Felsdecke allerdings nichts.

Halser Ilzschleife: Eine Auswahl der besten Lesertipps erscheint auch als Buch, voraussichtlich von Sommer 2016 an im Handel.

Eine Auswahl der besten Lesertipps erscheint auch als Buch, voraussichtlich von Sommer 2016 an im Handel.

(Foto: oh)

Wirklich gefährlich war es an der Ilz aber nur, wenn es um ihren größten Reichtum, die Flussperlen, ging. Im Jahr 1437 begann die Perlfischerei, nachdem die glänzenden Kostbarkeiten von Venezianern entdeckt worden waren. Sie suchten nach Erz und fanden stattdessen Perlen. Wenn ein Fremdkörper von außen zwischen die Schale und den Mantel der Muschel dringt, legt sich Schicht um Schicht Perlmutt um den Eindringling. Bis eine Perle so einen Durchmesser von vier Millimetern erreicht, vergehen 20 bis 25 Jahre.

Der Reichtum aus dem Wasser lockte Diebe an, die mit drastischen Mitteln daran gehindert wurden, noch einmal zu klauen. Damit die Langfinger die Stelle, an denen sie Perlen erbeutet hatten, nicht mehr finden konnten, wurden sie geblendet. Plappernden Dieben wurde vorsichtshalber die Zunge abgeschnitten und um ganz sicher zu sein, dass gierige Hände nicht noch einmal nach schimmernden Schätzen greifen, wurden sie abgehackt. Nur ausgebildeten Perlenfischern war es gestattet, die Kostbarkeiten einzusammeln, sie verfügten über das nötige Wissen, eine Muschel zu öffnen, ohne sie dabei zu zerstören. Heute haben Schatzsucher schlechte Karten: Die Wasserqualität der Ilz hat sich so weit verschlechtert, dass die sensible Flussperlmuschel schlicht erstickt. Waren es in den Fünfzigerjahren noch 80 000 Muscheln, gehen Schätzungen heute von nur noch 1000 besonders widerstandsfähigen Exemplaren aus. Einer der Gründe für den Schwund ist der Bau von mehreren Wasserkraftwerken, durch die der Grund und die Fließgeschwindigkeit der Ilz verändert wurden. Und es gibt noch ein dunkles Kapitel in der Geschichte des schwarzen Flusses. Zwischen 1942 und 1945 arbeiteten in einem Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen Häftlinge an der Errichtung eines Unterwasserkraftwerkes an der Oberilzmühle.

Das Ende der Ilz ist unspektakulär. Unter der lärmenden Bundesstraße hindurch fließt sie, eingezwängt zwischen Betonmauern, in Passau in die Donau. Wer ihren Weg nicht zumindest ein Stück zurück flussaufwärts verfolgt, wird sie leicht übersehen können, die schwarze Perle aus dem Bayerischen Wald. Gerecht wird dieser kleine Einblick der Ilz aber nicht.

Für den Tipp bedanken wir uns bei Rosel Meindl aus Alling.

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