Haindling:"Ich war der totale Revoluzzer"

Hans-Jürgen Buchner über sein Bühnenjubiläum, Stoiber, das Geheimnis seiner Musik und darüber, dass es kaum noch Klänge gibt, die ihn "vom Hocker reißen". Interview: Michael Ruhland

Der Keramikmeister Hans-Jürgen Buchner, 62, hatte sich viel Zeit gelassen mit seiner ersten Platte. 1982 erschien ,,Haindling1'', da war der Niederbayer 37 Jahre alt. Die Entscheidung war goldrichtig, sagt Buchner. Mehr als 15 Scheiben und viele Filmmusiken ließ er folgen. Am 8. Juni startet er seine Jubiläumstournee in Indersbach. Vor 25 Jahren gründete er Haindling.

SZ: Herr Buchner, was ist die Basis für einen typischen Haindling-Song?

Buchner: Ich mische die Instrumente zusammen und suche bewusst ungewöhnliche Zusammenstellungen. Manchmal gehe ich in meinem Studio zwischen all den Instrumenten herum und schaue, was ich noch nie gemacht habe oder was eine unmögliche Kombination wäre. Das probiere ich dann aus.

SZ: Manchmal muhen auch Kühe mit.

Buchner: Ich habe immer meinen Walkman dabei und nehme Sachen auf - vom Radio oder wenn ich sonst etwas höre. Vogelstimmen, Presslufthämmer, Traktoren, Kühe - gerade habe ich Schafe aufgenommen. Die spiele ich auf mehrere Tonspuren, und dann schaue ich, was dabei herauskommt.

SZ: Gibt es nach 25 Jahren Experimentieren überhaupt noch Neues für Sie?

Buchner: Mittlerweile gibt es auf der Welt nicht mehr viel an Klängen, die mich noch vom Hocker reißen. Die Schwingungen sind ja begrenzt: Es gibt Blas-, Saiten- und Schlaginstrumente, elektronische Instrumente - mehr ist das nicht. Ich kaufe mir zum Beispiel eine tibetanische Tempeltrompete, die klingt aber auch geblasen. Vor 25 Jahren, als ich anfing, gab's noch ein großes Spektrum. Jetzt habe ich praktisch alles.

SZ: Ihre Sammlung an Instrumenten ist gigantisch. Spielen Sie die alle auch?

Buchner: Ja. Nur: Wenn ich sie spiele, klingt zum Beispiel die Gitarre anders, als wenn ein richtiger Gitarrist spielt, weil der sein Können zeigt. Ich beschränke mich auf ein paar Töne, die ich aber in wunderbarer Weise schwingen lassen kann. Man muss nicht unbedingt zeigen, was man kann, sondern man muss die Instrumente klingen lassen. Das ist eigentlich das Geheimnis in der Musik.

SZ: Ihrer Musik.

Buchner: Meine Musik wird man immer erkennen. Es heißt ja, dass man, wenn man zwei Sekunden zuhört, weiß, dass es Haindling ist. Entscheidend ist für mich aber nur, dass es mir gefällt. Ich mache in erster Linie Musik für mich.

SZ: Warum spielen Sie alle Stücke des Nachts allein in Ihrem Studio ein?

Buchner: In der Nacht habe ich meine Ruhe, da läutet kein Telefon, da stört mich niemand. Außerdem war ich immer schon ein Nachtmensch. Im Internat mussten wir schon um sechs Uhr aufstehen. Da wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mal einen Beruf zu haben, bei dem ich selbst bestimmen kann, wie lange ich schlafe. Und den habe ich jetzt.

"Ich war der totale Revoluzzer"

SZ: Wie wichtig ist Ihnen der bayerische Dialekt?

Buchner: Ich habe vor 25 Jahren deshalb mit bairischen Liedern angefangen, weil ich fand, dass die Sprache gut klingt. Ich wollte keinen internationalen Erfolg anstreben, indem ich mit Englisch loslege. Ich hatte keine Ambitionen, berühmt zu werden. Das war mir einfach zu anstrengend und ist es immer noch.

SZ: Keine Botschaft dabei?

Buchner: Ich bin ja schon seit 40 Jahren beim Bund Naturschutz. Ich dachte mir, bevor ich eine Rede halte, kann ich das musikalisch in meiner Sprache machen. Damals schrieb ich ein Lied über den Donaukanal.

SZ: Inzwischen sind Sie mit einigen Preisen dekoriert. Pro meritis scientiae et literarum (2000), bayerischer Verdienstorden (2005), Sonderpreis des Kultusministeriums (2005) - trotz Kritik an der CSU. Wie kommt das?

Buchner: Ich habe ja auch beim Neujahrskonzert in Berlin vor 2000 Leuten aus Wirtschaft und Politik gespielt. Der Stoiber und der Huber saßen ganz vorne. Bei meinen Umweltliedern, "Hauruck, do haun ma no a Straß her", oder "Der Mensch muss auf den Mars" lachten und klatschten alle.

SZ: Die meisten haben Ihre Texte wahrscheinlich gar nicht verstanden.

Buchner: Ich glaube, es war die freche und selbstverständliche Art, wie wir das Konzert gegeben haben, weshalb das Publikum total begeistert war. Wenn einer nur ein bisschen Intelligenz hat, muss er mir mit meinen Texten Recht geben. Nachdem es beim Eon-Kulturpreis schon geheißen hat, Haindling, die Stimme Bayerns, ist es für die große Partei nicht unwichtig, dass sie sich auch damit schmückt.

SZ: Keine Angst, sich verbiegen zu lassen?

Haindling: Nein, niemals. Die wissen, wie ich bin und mögen mich gerne. Ich habe innerlich lachen müssen, dass ausgerechnet ich, der ich vor 25 Jahren als der totale Revoluzzer angefangen habe, den Orden kriege.

Die CSU hätte mich schon öfters gerne für Geburtstage von Politikern gehabt. Das haben wir immer abgelehnt. Wenn aber Stoiber oder seine Frau, die ein ganz großer Haindling-Fan ist, zum Chiemsee zu einem unserer Konzerte kommt, freue ich mich sogar. Dann hören sie auch mal meine Meinung, ohne dass sie etwas dazwischenreden können.

SZ: Sie leben seit 30 Jahren in Haindling. Was bedeutet Heimat für Sie?

Haindling: Heimat muss so sein, dass man es aushalten kann. Wenn das nicht mehr der Fall ist, muss man weg. Ich fühle mich hier wohl, und das alte Wirtshaus hier würde ich niemals hergeben. Heimat ist für mich aber auch der Überbegriff Bayern, Niederbayern, und ich setze mich auch dafür ein, dass sie nicht kaputtgemacht wird.

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