Haberfeldtreiben:Seehofer und der Spott der Bauern

Für Mittwoch haben sich die Bauern angekündigt: Mit Fackeln wollen sie vor die Staatskanzlei ziehen und dem Ministerpräsidenten mit Spottversen überziehen.

Christian Sebald

Jetzt kommt auch der Altmeister des Bayernblues': Wenn die Bauern diesen Mittwoch zum Haberfeldtreiben gegen die CSU und ihren Chef Horst Seehofer vor die Münchner Staatskanzlei ziehen, ist Hanse Schoierer dabei und singt sein "Haberfeldtreiberlied".

Haberfeldtreiben: Mit deftigen Versen las Anton Prechtl beim Haberfeldtreiben in Ruhstorf 2008 dem Präsidenten des Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, die Leviten.

Mit deftigen Versen las Anton Prechtl beim Haberfeldtreiben in Ruhstorf 2008 dem Präsidenten des Bauernverbands, Gerd Sonnleitner, die Leviten.

(Foto: Foto: dpa)

Der schwergewichtige Anton Prechtl, der im November beim Haberfeldtreiben in Ruhstorf an der Rott mit seinen Spottversen auf den Bauernverband Furore gemacht hat, hat einen Text dazu verfasst - getreu dem Motto der "Haberfeldtreiber" von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): "Die Politik der Staatsregierung zeichnet sich dadurch aus, dass alles versprochen, aber nichts gehalten wird!"

Was sich so lustig-anarchisch anhört und womöglich ein gehöriges Spektakel mit Fackelzug und Blasmusik wird, hat freilich einen dramatischen Hintergrund. Es ist die Agrarkrise, welche den Bauern Zukunftsängste bereitet wie noch nie. Nicht nur der Milchpreis ist mit 25 Cent je Liter so niedrig, dass keiner mehr damit erfolgreich wirtschaften kann.

Auch die Preise für Getreide und Mais haben sich halbiert. Agrarminister Helmut Brunner (CSU) redet bereits von einem "drohenden Strukturbruch", der Tausenden Bauernhöfen das Aus bringen könnte. Dabei gab es für die Bauern stets nur zwei Instanzen, denen sie vertraut haben - ihrem Bauernverband und der CSU. Nun schlägt bei vielen die einstige Vertrauensseligkeit in Wut um.

Die Milchkrise, die Agro-Gentechnik und die Blauzungenkrankheit sind die Streitpunkte, welche die Bauern besonders umtreiben. In der Milchkrise werfen sie der CSU Schwäche vor. "Da reden Seehofer und Brunner davon, dass sie für eine Senkung der Milchproduktion um fünf Prozent sind", sagt einer. "Nur durchsetzen können sie es nicht."

Bei der Agro-Gentechnik sitzt das Misstrauen nicht minder tief. Zwar erkennen etliche an, dass Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) mit dem Anbauverbot für Genmais einen "Pflock eingeschlagen hat". Dass sie andererseits Anbauversuche mit Genkartoffeln erlaubt hat, versteht kaum einer.

Bei der Blauzungenkrankheit empört immer mehr Bauern, dass sie ihre Rinder impfen lassen müssen, obwohl nur sehr wenige Tiere an der Seuche erkrankt und noch weniger an ihr gestorben sind. Impfverweigerer müssen mit drakonischen Strafen rechnen. "Obwohl uns Gesundheitsminister Markus Söder Hoffnung gemacht hat, dass er den Impfzwang nicht durchsetzt", sagt Wolfgang König, Bauer aus dem Bayerwald und AbL-Chef in Bayern.

König ist einer der Organisatoren des Haberfeldtreibens. Die AbL knüpft bewusst an die einstige Form des Femegerichts aus dem 18. und 19. Jahrhundert an, bei dem eine Horde Bauern mit rußgeschwärzten Gesichtern dem "Deliquenten" vermeintliche oder tatsächliche Übeltaten vorhielt. Für die AbL steht im Vordergrund, dass es das Volk selbst war, das so seinem Unmut Luft verschaffte. Für andere ist das Haberfeldtreiben eine dubiose Tradition, welche die damalige Obrigkeit völlig zu Recht verbot.

Übrigens bekommt womöglich auch Bauernpräsident Sonnleitner bald die Wut der Bauern zu spüren. Eine Woche nach dem Haberfeldtreiben vor der Staatskanzlei findet eine Demonstration vor dem Generalsekretariat des Bauernverbands in München statt. Die Forderung der Bauern: Sonnleitner solle als bayerischer Bauernpräsident abtreten, weil er nicht die Interessen der Basis vertrete. Das Pikante an dieser Kundgebung: Es ist der Irschenberger Kreis, eine Runde oppositioneller Ortsobmänner des Bauernverbands, die zu ihr aufruft.

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