Haberfeldtreiben:Es kracht zwischen Bauern und Politikern

Ein Haberfeldtreiben niederbayerischer Bauern gegen die Agrarpolitik und den Deutschen Bauernverband erregt den Zorn der CSU.

Ch. Sebald

"Des war schon immer so", sagt Wolfgang König, "so lang du Floskeln sagst, die keinem weh tun, lassen sie dich mitmachen. Aber wehe, wenn du laut die Wahrheit rufst, dann reagieren sie sofort." Deshalb wundert es den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) nicht, dass er und seine kleine Bauernvereinigung nun aus der Zukunftskommission Landwirtschaft fliegen sollen.

Haberfeldtreiben: Als Haberer verkleidete Bauern protestieren in in Ruhstorf an der Rott gegen den Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, Gerd Sonnleitner.

Als Haberer verkleidete Bauern protestieren in in Ruhstorf an der Rott gegen den Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, Gerd Sonnleitner.

(Foto: Foto: ddp)

Zumindest fordert das der Simbacher CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger. "Mit ihrem Haberfeldtreiben gegen politisch missliebige Personen und Positionen hat die AbL die demokratische Streitkultur verlassen", poltert Straubinger. Deshalb sei kein Platz mehr für sie in der Kommission, die Ministerpräsident Horst Seehofer und Agrarminister Helmut Brunner berät, auf dass die Bauern einen Ausweg aus ihrer Existenzkrise erhalten.

Trommeln und Dreschflegel

Es war das zweite Haberfeldtreiben gegen den Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner und die Politik des Bauernverbands, zu dem die AbL ihre Anhänger Freitagnacht gerufen hatte - nach Ruhstorf, den Wohnort Sonnleitners. Und wie vor einem Jahr war es ein schauriges Spektakel. Im Stockdunklen zogen die Bauern - die Polizei sprach von 1500, die AbL von 2500 - von der Niederbayernhalle auf den Ruhstorfer Marktplatz, begleitet vom ohrenbetäubenden Lärm der Trommeln, Kuhglocken, Ratschen und Dreschflegel. Eine Blaskapelle intonierte Heimatland und andere Märsche, dazwischen spielten die Musiker einfach schräg drauf los, auf dass der Krach noch lauter wurde.

Und natürlich hatten sich die Bauern die Gesichter rußig geschwärzt, zottelige Bärte umgehängt und die Hüte mit den Eibenzweigen tief in die Gesichter gedrückt, getreu dem Haberer-Brauch, der freilich schon immer zwischen dem Anprangern von Außenseitern - ledigen Müttern etwa - und einem Volksgericht wider Unrecht von oben schillerte.

Wie auch immer, auch diesmal prangerte der fränkische Biobauer Anton Prechtl als Haberermeister im Schein der Fackeln in deftigen Reimen all das an, was vielen Landleuten aufs Gemüt schlägt: die Milchpolitik, die Agro-Gentechnik, die Politik des Bauernverbands und seines Präsidenten, die Zwangsimpfung gegen die Blauzungenkrankheit und anderes mehr. "Auf dass ihr Bauern aufstehts und euch nix mehr g'falln lassts", so Prechtl zu dem vielhundertstimmigen "Wahr is"-Schreien der Bauern. "De anderen wird sowieso no da Deife holn."

So groß der Zorn der Bauern war, so friedlich verlief das Ruhstorfer Haberfeldtreiben aus Sicht der Polizei. Die Einsatzleitung meldete "keinerlei strafbare Handlungen", auch zu "Diffamierungen von Personen des öffentlichen Lebens" sei es nicht gekommen. Ein Sprecher attestierte den Bauern gar ausdrücklich, "dass sie aufrichtig bemüht waren, den friedlichen und störungsfreien Verlauf der Veranstaltung bis zuletzt zu wahren".

Kritik von Seehofer

Dabei hatte doch Bayerns oberster Polizeichef, Innenminister Joachim Herrmann, schon vergangene Woche das Haberfeldtreiben scharf kritisiert. "Das hat nichts mit bayerischer Kultur und bayerischem Brauchtum zu tun", sagte Herrmann, "das ist nur eine persönliche Verunglimpfung und Diffamierung in einem Jargon, der das politische Klima in Deutschland in der Weimarer Republik vergiftet und letztlich dem Nationalsozialismus den Boden bereitet hat."

Auch Ministerpräsident Horst Seehofer verurteilte die Kundgebung. "Ich habe für so etwas überhaupt kein Verständnis", sagte er schon vor dem Haberfeldtreiben. "Verunglimpfung, Beleidigungen und persönliche Bedrohungen sind völlig inakzeptabel und haben mit der legitimen Vertretung eigener Interessen nicht das Geringste zu tun."

"Der nimmt koa Blatt vorn Mund"

Die Vorwürfe wollten die Bauern nicht auf sich sitzen lassen. Allen voran Erwin Schneiderbauer, der spät nachts in der Niederbayernhalle seinen Auftritt hatte . Auf seinem uralten Vierseithof im Pfarrkirchner Hügelland erlebt der 46-jährige Niederbayer die Agrarkrise am eigenen Leib. Und er ist über sie zu einem Sprachrohr der Frustrierten, der Zornigen und all derer geworden, die sich ihr ohnmächtig ausgeliefert fühlen.

Bewusste Wortwahl

"Den Schneiderbauer, den musst du hören", sagen sie auf den Dörfern. "Der nimmt koa Blatt vor den Mund, der sagt, wie's is."

Aufsehen hat Schneiderbauer schon vor dem Haberfeldtreiben erregt. In einer E-Mail warf er Sonnleitner "Hochverrat" an den Bauern und am "gesamten deutschen Volk" vor. Das Haberfeldtreiben sollte "unvergesslich" werden für den Bauernpräsidenten und seine Gefolgsleute, was prompt als unverhohlene Drohung verstanden wurde.

Man tut Schneiderbauer sicher nicht Unrecht, wenn man sagt, er habe seine Worte bewusst gewählt. Schneiderbauer weiß, wie man Aufsehen erregt, er hat ein gewisses, schlitzohriges Talent als Redner und Kabarettist. Wenngleich von eher derber Art und gewiss nicht politisch korrekt.

So ruft Schneiderbauer am Freitag, es geht auf Mitternacht zu, ins Mikrophon, er habe "Sonnleitner früher immer wieder mal als Zigeuner beschimpft". Nun tue er das nicht mehr. "Denn", so Schneiderbauer vor den tobenden Bauern, "das wär' eine Beleidigung der Zigeuner. Nicht nur, dass die wie Pech und Schwefel zusammenhalten, da lässt der Obere nix auf die unten kommen."

"Nur brave Bauersleit"

Als Schneiderbauer gleich darauf fordert, "dass sich Herrmann sofort für seine Nazi-Vorwürfe bei uns entschuldigen muss oder aber zurücktreten soll, denn hier herin, hier herin da san nur brave Bauersleit, koane Nazi", hält es keinen auf den Bänken. Alle stehen sie auf, etliche klettern gar auf die Biertische. Minutenlang brandet Beifall durch die Halle, Pfiffe gellen, Kuhglocken, Ratschen und Trommeln dröhnen, Blasinstrumente jaulen. "Ja", ruft Schneiderbauer ein wenig später und grinst unverschämt, "wenn du bis zum Hals in der Scheiße steckst, darfst du den Kopf nicht hängen lassen."

Auch Agrarminister Brunner sind solche Sprüche viel zu derb. Und Brunner ist überhaupt kein Freund des Haberfeldtreibens. Aber Brunner sagt, dass "die Zukunftskommission Landwirtschaft davon lebt, dass der gesamte Bauernstand in ihr vertreten ist". Das habe auch Seehofer stets so gesehen. Was Straubingers Forderung nach dem Ausschluss der AbL anbelangt, will Brunner keine übereilte Entscheidung treffen.

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