Gymnasium:Auch Stadtkinder wollen lieber aufs G 9

Container Gymnasium Garching

Klares Votum: Kurze Schulwege spielen keine Rolle - auch in den Städten wollen viel mehr Kinder als erwartet in die Mittelstufe Plus.

(Foto: Florian Peljak)

Nicht nur auf dem Land bewerben sich viele Gymnasiasten für die Mittelstufe Plus, sondern auch in Nürnberg oder Augsburg

Von Anna Günther

In Sachen Mittelstufe Plus ist der von Politik und Verbänden prognostizierte Unterschied zwischen Stadt- und Landgymnasien ist bei weitem nicht so deutlich wie gedacht. Dies zeigt sich jetzt nach der endgültigen Auswertung der Anmeldezahlen. Sechs von 47 Gymnasien, die am zweijährigen Modellversuch teilnehmen, stehen in den größeren Städten Bayerns, nur in München hatte sich keine einzige Schule beworben. Doch anders als erwartet, ist die Nachfrage an den sechs Gymnasien in Nürnberg, Regensburg, Augsburg, Ingolstadt und Würzburg vergleichbar mit dem Ansturm auf die Landschulen.

An drei Schulen hat sich etwa die Hälfte aller Siebtklässler für die Mittelstufe Plus angemeldet, in Ingolstadt und Würzburg sind es sogar zwei Drittel. Bayernweit gehen anders als ursprünglich vom Kultusministerium erwartet, nicht bloß 25 bis 30 Prozent, sondern 60 Prozent des Jahrgangs vom kommenden Schuljahr an ein Jahr länger aufs Gymnasium. Die Abstimmung mit den Füßen fällt in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen deutlich aus. Daraus kann man schließen: Der Wunsch nach einem neunjährigen Gymnasium hat wenig mit weiten Schulwegen und komplizierten Busfahrplänen zu tun.

Lediglich am humanistischen Neuen Gymnasium in Nürnberg interessiert sich nur ein Viertel der Kinder für die verlängerte Mittelstufe - das ist aber die Ausnahme. An der zweiten Nürnberger Pilot-Schule, dem Pirckheimer-Gymnasium, sieht die Sache anders aus. "Wir haben aber auch eine ganz andere Schüler-Klientel", sagt Direktor Wilfried Büttner. An dem Gymnasium mit naturwissenschaftlicher und sprachlicher Ausrichtung ist der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund deutlich höher als am Neuen Gymnasium. Gerade für diese Schüler sei das zusätzliche Jahr wichtig, um bei Schwierigkeiten in Deutsch und in den Fremdsprachen mehr Zeit zu haben, sagt Büttner. Doch wie an allen anderen Pilot-Schulen haben sich auch Jugendliche mit guten Noten angemeldet.

Das humanistische Profil mit Griechisch und Latein allein kann die starke G-8-Präferenz am Neuen Gymnasium in Nürnberg trotzdem nicht erklären, denn auch in Regensburg am Albrecht-Altdorfer-Gymnasium hat sich mehr als die Hälfte der Siebtklässler für die vierjährige Mittelstufe angemeldet. Neben dem naturwissenschaftlichen Zweig und den modernen Sprachen gibt es dort auch einen humanistischen Zweig. "Allerdings sind wir in der Nähe des Bahnhofs, für die Kinder aus dem Umland dürfte der wegfallende Nachmittagsunterricht also schon eine Rolle spielen", sagt Schulleiter Clement Utz. Der Wunsch nach neun Jahren bis zum Abitur sei bei Kollegen und Eltern allerdings schon lange deutlich spürbar gewesen, deshalb habe die Schule sich beworben.

Peter Schwertschlager, der Direktor des Augsburger Gymnasiums bei St. Anna, erhofft sich von der Mittelstufe Plus die Belebung von Projekten, Orchester und Chor. "Wir machen tolle Sachen, und in der Mittelstufe bleiben plötzlich die Jugendlichen weg", sagt Schwertschlager, "Ich habe keine Zeit mehr - diesen Satz kann ich einfach nicht mehr hören." Auch in Augsburg haben sich viele gute Schüler angemeldet, die mehr Zeit für ihre Hobbys haben wollen. Schwertschlager geht davon aus, dass noch einzelne Schüler aus den beiden Regelklassen in die Pilotgruppen wechseln werden. Manche Eltern wollten erst mal ausprobieren, ob es nicht doch mit dem G 8 klappt.

Hohe Schülerzahlen und massive Raumnot wie an den Münchner Gymnasien kennt der Nürnberger Schulleiter Büttner. "Die flächendeckende Einführung des G 9 wäre ein nicht zu bewältigendes Problem", sagt er. In Augsburg und Ingolstadt ist man entspannter. Die Zeit, als 1200 beziehungsweise 1400 Kinder die Schulen besuchten, sind vorbei, neue Gymnasien im Umkreis entlasten und die Schülerzahlen gehen ohnehin zurück. Die Opposition drängt die Staatsregierung wegen des Ansturms auf die Mittelstufe Plus zu schnellem Handeln: Zwei Gesetzesentwürfe der SPD und der Grünen standen am Donnerstag im Landtag zur Abstimmung. Die SPD will schon jetzt das neunjährige Gymnasium im Gesetz verankern, die Grünen fordern mehr Flexibilität. Die Abstimmung wurde kurzfristig verschoben.

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