Gymnasialreform in Bayern:Das Flexi-Gymnasium

SPD warnt vor G8-Schnellschuss

Es wird wohl wieder nur Eckpunkte geben - über die Gymnasialreform muss noch viel diskutiert werden.

(Foto: dpa)

Das G 9 ist vom Tisch: Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle will das in die Kritik geratene G 8 vor allem pädagogisch reformieren. Mehr Zeit soll es wohl nur für die Schüler der Mittelstufe geben.

Von Tina Baier

Der Beginn des neuen Schuljahrs wird in Bayern vom selben Thema beherrscht, das schon im alten Schuljahr alles überlagert hat: die Endlos-Diskussion um das achtjährige Gymnasium. Am 15. September, also einen Tag bevor der Unterricht nach den Sommerferien wieder beginnt, will sich Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) mit den bildungspolitischen Sprechern der Oppositionsparteien treffen, um abzuklären, inwieweit die Opposition den "Eckpunkten" für eine Gymnasialreform zustimmen kann, die das Kultusministerium erarbeitet hat. Diese Eckpunkte werden dann eine Woche später auf der Klausurtagung der CSU-Fraktion in Kloster Banz diskutiert.

Auch wenn Spaenle unablässig beteuert, dass er "für alles offen" ist, zeichnet sich inzwischen deutlich ab, dass es eine Rückkehr zu einer neunjährigen Gymnasialzeit, wie sie der Philologenverband und alle Oppositionsparteien fordern, nicht geben wird. Zu groß sind die Widerstände in der Fraktion. Eine gewisse Sympathie innerhalb der CSU gibt es dagegen für das Modell einer flexiblen Mittelstufe. Demnach könnten die Schüler den Stoff der achten, neunten und zehnten Klasse wahlweise in drei oder in vier Jahren lernen. "In der Mittelstufe sehe ich den größten Handlungsbedarf", sagt Spaenle.

Die Landeselternvereinigung hat ein Modell erarbeitet, wonach Eltern in der siebten Klasse entscheiden können, ob ihr Kind ein Zusatzjahr einschiebt oder nicht. Nach Einschätzung von Karl-Heinz Bruckner, dem Vorsitzenden der bayerischen Direktorenvereinigung wäre das "organisatorisch durchaus machbar". Allerdings könne nicht jedes Gymnasium für jede Fächerkombination beide Varianten garantieren. "Wenn sich acht Schüler für Griechisch als dritte Fremdsprache entscheiden, kann ich nicht für vier von ihnen auch noch eine verlängerte Mittelstufe anbieten", sagt Bruckner. Max Schmidt, Vorsitzender des bayerischen Philologenverbands, hält eine solche Lösung dagegen für "Herumgeschraube" am G 8, "das die Diskussion nicht beendet und außerdem teuer wird".

Gymnasialreform und Ganztagsschule

Spaenle bemüht sich derweil, die Frage nach acht oder nach neun Jahren so tief wie möglich zu hängen. "Das ist ein überholter Gegensatz", sagt er, wohlwissend, dass er in der Strukturfrage mit den Oppositionsparteien keinen Konsens erreichen kann. Mit ziemlicher Sicherheit wird Spaenle seine Vorschläge zur Gymnasialreform aber mit dem Ausbau von Ganztagsschulen verbinden. Damit käme er der Opposition entgegen, die das schon lange fordert; außerdem bedeutet Ganztag mehr Zeit zum Lernen ohne die Rückkehr zu einer neunjährigen Gymnasialzeit.

"Die Gymnasialreform wird drei Säulen haben", sagt Spaenle. Erstens: Pädagogische Reformen. Zweitens eine Reform des Lehrplans, die mit dem so genannten Lehrplan plus ohnehin ansteht. Und erst an dritter Stelle die Frage nach acht oder neun Jahren.

Beim Punkt "pädagogische Reformen" kann das Kultusministerium auch auf Zustimmung außerhalb der CSU hoffen. Es gibt praktisch niemanden, der das nicht fordert. Was genau sich dabei ändern soll, scheint aber selbst dem Minister noch nicht ganz klar zu sein. Allerdings hält man im Kultusministerium viel von den Vorschlägen des Pisa-Forschers Manfred Prenzel, der auch zur CSU-Klausur eingeladen ist.

Kluft zwischen Lehrplan und Realität

Auf einer Veranstaltung im Kultusministerium kritisierte Prenzel kürzlich, dass an den Gymnasien zu wenig darauf geachtet werde, "was die Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schulzeit wirklich können". Er mache da eine "Kluft zwischen Lehrplan und Realität" aus. Der Unterricht am Gymnasium müsse besser werden. Wissenslücken von Schülern müssten möglichst schnell nach ihrem Auftreten geschlossen werden. Außerdem forderte Prenzel eine "klare Trennung zwischen Zeiten des Lernens und des Prüfens", um das Lernklima zu verbessern.

Beim Lehrplan hat Spaenle sich insofern festgelegt, als dass er auf keinen Fall mehr Stoff enthalten soll - auch dann nicht, wenn Schüler ein Zusatzjahr in Anspruch nehmen. Ein großes Anliegen ist Spaenle, dass wieder mehr Zeit für Kernfächer wie Deutsch und Mathematik eingeplant wird. Die dafür erforderliche Zeit ließe sich seiner Ansicht nach auch durch "Vermeidung von Doppelungen" schaffen. Offenbar gibt es Themen, die zweimal behandelt werden, etwa in Biologie und Physik.

Wieder nur Eckpunkte von Spaenle

Für sinnvoll hält Spaenle auch so genannten epochalen Unterricht. Fächer, für die lediglich eine Stunde pro Woche vorgesehen ist, werden nur ein Halbjahr unterrichtet, dafür aber zweistündig. Grundsätzlich halten es einige in der CSU-Fraktion für sinnvoller, im 90-Minuten-Takt zu unterrichten als im herkömmlichen oft hektischen 45-Minuten-Rhythmus. "Offen ist noch, ob die zweite Fremdsprache weiterhin schon in der sechsten Klasse dazukommen soll oder doch erst wieder in der siebten", sagt Spaenle.

Dass der Kultusminister so lange braucht und jetzt wieder nur "Eckpunkte" vorlegen will, macht Oppositionspolitiker und Philologen ungeduldig bis ungehalten. "Die einzige schulrechtlich saubere Lösung ist eine neunjährige Gymnasialzeit", sagt der Vorsitzende des Bildungsausschusses Martin Güll (SPD). "Es gibt zwar immer wieder Gespräche mit dem Minister, aber man wird aus ihm nicht schlau", sagt Thomas Gehring, Bildungssprecher der Grünen. Günther Felbinger von den Freien Wählern befürchtet, dass Spaenles groß angekündigte Eckpunkte "ziemlich schwammig" sein werden und sagt: "Diese Hinhaltetaktik geht der gesamten Schulfamilie auf den Geist."

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