Günther Beckstein und Erwin Huber:Ruhe und Unfrieden

Die Stille vor dem Knall: Weil bald Kommunalwahlen sind, behält in der CSU derzeit noch jeder seine Zweifel für sich. Doch sollte das X zu den 50 Prozent zu klein ausfallen, könnte das Führungsduo aus Huber und Beckstein in Bedrängnis geraten.

Peter Fahrenholz

Die Rede klang wie eine gute Regierungserklärung im Bayerischen Landtag: Sie war schwungvoll, dynamisch, benannte die Problemfelder der Landespolitik präzise und war auch noch mit durchaus witzigen Seitenhieben garniert. Nur stammte sie nicht von Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein, sondern vom sozialdemokratischen Oppositionsführer Franz Maget.

Günther Beckstein und Erwin Huber: "Es ist zu ruhig": Die CSU ist mit ihrer Spitze unzufrieden.

"Es ist zu ruhig": Die CSU ist mit ihrer Spitze unzufrieden.

(Foto: Foto: ddp)

Wieder einmal musste die CSU zur Kenntnis nehmen, dass Maget so souverän agierte, wie sie es sich eigentlich von ihrem Regierungschef wünschen würde. Wäre Bayern ein normales Bundesland, hätte Maget vermutlich Chancen, die kraftlos wirkende Regierung abzulösen.

Doch so weit wird es natürlich nicht kommen. Dazu ist die SPD in Bayern zu weit abgeschlagen, und die CSU kann nach wie vor davon ausgehen, dass sie ihr immerwährendes Wahlziel von "50 plus X" auch bei der Landtagswahl im September wieder erreichen wird.

Kleines X, große Angst

Nach jüngsten Umfragen ist dieses "X" allerdings deutlich kleiner geworden, und die Nervosität in der CSU damit deutlich größer. Denn falls die CSU im Herbst tatsächlich bei gerade mal 50 Prozent landete, wäre das aus Sicht der siegesgewohnten Partei eine Katastrophe. "Das hieße 20 Mandate weniger, das wäre ein riesiger Blutzoll", hat ein CSU-Präside ausgerechnet. Und ein großer schwarzer Minus-Balken, der die Differenz zu der Rekordzahl von 2003 anzeigte, als die CSU unter Edmund Stoiber die Zwei-Drittel-Mehrheit errang, der wäre psychologisch niederschmetternd.

Jeder darf sagen, was er will

In der CSU wachsen also die Zweifel daran, dass das Tandem aus Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber wirklich die beste Wahl war. Nach dem rastlosen Edmund Stoiber, dessen politischer Motor ständig auf Hochtouren lief, hatten sich viele in der CSU nach einer Rückkehr zur Normalität gesehnt, nach mehr Ruhe und Beschaulichkeit.

Es gab das Grundgefühl, dass die Partei sich endlich wieder auf Bayern konzentrieren sollte, statt immer nur zu versuchen, das große Rad zu drehen. Inzwischen dämmert aber vielen, dass politische Beschaulichkeit auch ganz anders buchstabiert werden kann: als Provinzialität.

"Es ist zu ruhig", sagt ein CSU-Präsidiumsmitglied deutlich. Früher haben Sitzungen des CSU-Vorstandes oder des bayerischen Kabinetts immer so lange gedauert, weil Edmund Stoiber endlose Monologe hielt. Heute sitzt man so lange zusammen, weil jeder sagen darf, was er will.

Die Sitzung des CSU-Vorstandes nach der Hessen-Wahl habe drei Stunden gedauert, erzählt ein Teilnehmer. "Da konnte jeder seine persönliche Wahlanalyse vortragen." Unter Stoiber gab es meist keinerlei Absprachen, dafür jede Menge politischer Vorgaben - und Alleingänge, die in der Münchner Staatskanzlei ausgeheckt wurden.

Heute ist es genau umgekehrt. Es wird alles brav abgesprochen, so wie Beckstein und Huber es vor ihrer Wahl auch gelobt haben, aber es gibt keine politischen Vorgaben mehr. Zu fast allen wichtigen Fragen gibt es in der CSU jetzt mehrere Meinungen.

Bewährung bis zur Wahl

Und das politische Frühwarnsystem funktioniert auch nicht mehr. In Gesprächen mit CSU-Politikern werden immer wieder zwei Themen genannt, bei denen es an der Basis erheblich grummelt: das rigide bayerische Rauchverbot und die Reform der Erbschaftsteuer.

Gerade die Erbschaftsteuer ist ein gutes Beispiel dafür, wie die CSU tickt. Hier hat Hessens Ministerpräsident Roland Koch für die gesamte Union federführend mit der SPD verhandelt, man könnte also die Schuld einfach weiterreichen. Doch der normale CSU-Anhänger erwartet von seiner Partei, dass sie Unsinn aller Art verhindert, ob er nun in Berlin oder anderswo ausgeheckt wird.

Und im Falle der Erbschaftsteuer rebellieren insbesondere die Freiberufler. Denn die vererben ihre Praxen, Kanzleien oder Architekturbüros in der Regel nicht, sondern verkaufen sie. Und profitierten damit nicht von einer Neuregelung der Erbschaftsteuer im Fall des Betriebsübergangs. "Wir treiben die Leute in Scharen zur FDP", sagt ein Vorstandmitglied.

Doch die CSU kann zurzeit wenig ändern, denn Regierungschef Beckstein befindet sich in der Bewährungszeit. Er wird nicht an den matten Auftritten im Landtag, sondern am Ergebnis der kommenden Landtagswahl gemessen. Liegt es nahe der 50-Prozent-Marke, wird noch in der Wahlnacht die Diskussion darüber beginnen, wann Beckstein sein Amt für einen Jüngeren räumen muss.

Und Erwin Huber, der in der Landesbank-Affäre um sein politisches Überleben kämpft, wird im Moment noch durch sein Amt als CSU-Chef geschützt. Denn die Partei kann unmöglich schon wieder einen neuen Vorsitzenden wählen. Aber wenn die Wahl nicht den üblichen, haushohen CSU-Sieg bringt, kann die Lage rasch außer Kontrolle geraten. "Ich glaube, dass es noch vor der Bundestagswahl krachen wird", sagt ein einflussreiches Präsidiumsmitglied der Partei.

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