Grünen-Politikern Scheel:Abschied einer Hoffnungsträgerin

Ein Posten im Kabinett wäre ihr sicher gewesen: Bei einem Regierungswechsel in Bayern hätte Christine Scheel die erste Finanzministerin im Freistaat werden können. Doch nun wechselt sie in die Wirtschaft. Ein herber Verlust für ihre Partei.

Katja Auer

Einige haben sie nach der Landtagswahl 2013 schon am Kabinettstisch in München gesehen, andere konnten sie sich gar als Spitzenkandidatin der Grünen vorstellen. Aber Christine Scheel mag keine Politik mehr machen. Die Bundestagsabgeordnete aus Aschaffenburg legt zum Ende des Jahres ihr Mandat nieder und wechselt zum Februar in den Aufsichtsrat des hessischen Energieversorgers HSE. "Ich werde bald 55, wenn ich noch mal was anderes machen will, dann jetzt", sagt sie selbst.

Christine Scheel

"Die wussten nicht so recht, wie sie mit ihr umgehen sollen" - Christine Scheel hat das Weltbild der CSU ein bisschen in Unordnung gebracht.

(Foto: privat)

Die Partei bedauert den Schritt, auch wenn von allen Seiten Glückwünsche zu hören sind. "Das ist ein Verlust für uns", sagt der Landesvorsitzende Dieter Janecek. Die Grünen wollen Ende 2013 endlich mitregieren, und da wird jeder gebraucht. Zwar ist Christine Scheel schon 1994 in den Bundestag gewechselt, aber nach wie vor ist sie eine der bekanntesten bayerischen Grünen.

Als Finanzexpertin ist sie fraktionsübergreifend anerkannt und besetzt damit ein Thema, bei dem den Grünen immer noch nicht allzu viele Kompetenzen zugewiesen werden. Auch in der Wirtschaft genießt die Mittelstandsbeauftragte der Grünen-Bundestagsfraktion ein hohes Ansehen, und das weiß man in ihrer Partei. "Sie wäre für alle möglichen Funktionen in Betracht gekommen", sagt Dieter Janecek.

"Bei einem Regierungswechsel hätten wir nicht auf sie verzichten wollen", sagt Margarete Bause, die Fraktionsvorsitzende, die vor 25 Jahren gemeinsam mit Scheel der ersten Grünen-Fraktion im Landtag angehörte. "Das war richtig gut", erinnert sich Bause, "weil wir das Bild der Politikerin revolutioniert haben." Dabei habe die blonde, gut aussehende Scheel so manchen CSUler ordentlich verwirrt. Denn trotz der netten Optik war sie hartnäckig und durchsetzungsstark. "Die wussten nicht so recht, wie sie mit ihr umgehen sollten", sagt Margarete Bause. Scheel habe die Vorurteile von den grünen Emanzen ordentlich durcheinander gebracht.

Von 1986 bis 1994 war Scheel im bayerischen Landtag, zweimal war sie Fraktionsvorsitzende, dann wechselte sie in den Bundestag. Dort wurde die Tochter eines Steuerberaters zur Finanzspezialistin, sie war lange finanzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und von 1998 bis 2005 Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag. Nebenbei engagiert sie sich in der evangelischen Kirche, sie ist Mitglied der Landessynode. Gerade erst hat ihr Landtagspräsidentin Barbara Stamm die goldene Verfassungsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Verfassung verliehen.

"Ich werde nichts vermissen"

Ob sie tatsächlich bei einem eventuellen Regierungswechsel mitgemacht hätte? "Klar hätte es mich gereizt", sagt Christine Scheel. Sie habe sehr mit sich gerungen, ob sie tatsächlich von der Politik in die Industrie wechseln solle. Sie weiß auch, dass ihr Name immer wieder gefallen ist, wenn die Grünen wieder einmal überlegten, wer wohl die beste Spitzenkandidatin abgeben würde. Auch wenn es von Anfang an nicht sehr wahrscheinlich war, dass die Bundestagsabgeordnete Scheel dieses Amt übernehmen würde.

Aber eine allzu große Auswahl haben die Grünen nicht, gerade nach dem Tod von Sepp Daxenberger. Der Biobauer aus Waging hatten den Grünen in Bayern viele Sympathien und auch Wählerstimmen gesichert. Zwar haben die Grünen einige fähige Köpfe, aber ein natürlicher Spitzenkandidat ist nicht darunter. So steht bislang nur fest, dass es wohl eine Frau werden wird, schon um einen Kontrast zu all den Männern der anderen Partei zu setzen. Das rät auch Christine Scheel ihrer Partei. "Ich würde empfehlen, dass man sich auf eine Person konzentriert und dass es eine Frau ist", sagt sie. "Ich werde nichts vermissen", sagt Christine Scheel.

Bei den Grünen will sie bleiben und weiter "meinen Rat und was ich beitragen kann", einbringen. Und eigentlich gehe sie ja leichten Herzens, weil es aufwärts gehe mit dem Grünen. Dass sie da nicht mehr gebraucht wird, das will allerdings keiner sagen. Aber die Parteifreunde sind tapfer. "Wir halten das schon aus", sagt Dieter Janecek.

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