Grüne: Klausurtagung:"Die CSU hat Schiss vor uns"

Die bayerischen Grünen werden auf ihrer Klausur von neuen Umfragewerten überrascht - und reden weiter über Sachpolitik. Zugleich wird die CSU attackiert.

Olaf Przybilla

Man muss sich nur vorstellen, wie die CSU einen solchen Moment zelebrieren würde. Es ist gerade Klausur und just in die Sitzung platzt nun also die Meldung, dass die Partei in Bayern gerade ein historisches Maß an Zustimmung erfährt, jedenfalls einer Forsa-Umfrage zufolge. Womöglich würde die CSU nun sämtliche Stammes-Hymnen des Freistaats gleichzeitig anstimmen, die Bayern-, die Franken- und die Vertriebenen-Hymne, wenn es die gäbe.

Klausurtagung der Landesfraktion der Gruenen in Coburg

Jubeln wollen sie nicht, aber freuen tun sie sich schon: Margarete Bause (links) und Claudia Roth.

(Foto: dapd)

Das aber ist keine Tagung der CSU, das ist die Winterklausur der Grünen-Landtagsfraktion in Coburg. Und da wird die Meldung, dass die Grünen in der Wählergunst momentan bei 20 Prozent notiert werden und damit erstmals die stärkste Oppositionspartei in Bayern wären, so verkündet: Fraktionsvorsitzende Margarete Bause tritt vor die Presse. Sie sagt einen Satz ("Ist doch ein schönes Geschenk zur Klausur"), dann beginnt sie, über die Nahziele grüner Energiepolitik zu referieren.

Thomas Mütze, er ist der männliche Teil der grünen Fraktionsspitze, hat es an diesem Morgen gar nicht erst vor die Presse geschafft. "Zu viel Arbeit", wird er am Abend erklären, und dass diese Meldung mit den 20 Prozent seine Fraktion "noch gar nicht richtig realisiert" habe. Die Grünen debattierten gerade über demografischen Wandel in Bayern, als die Kunde vom historischen Höhenflug eintrudelte, einer hat sie in der Runde verkündet, danach ging es wieder um die Sache.

Mütze hat später die Abendschau des Bayerischen Rundfunks eingeschaltet, da waren die Grünen plötzlich ziemlich weit vorne platziert, noch vor den anderen Parteien, "an so etwas kann ich mich überhaupt nicht erinnern", sagt Mütze. Er hält kurz inne, dann fügt er hinzu: "Der Druck auf uns wird jetzt natürlich steigen. Und die Verantwortung." Euphorie stellt man sich anders vor.

Warum das so ist bei den Grünen, lässt sich vermuten, wenn man der Bundesvorsitzenden Claudia Roth zuhört. Sie tritt beim "Grünen Abend" in Coburg auf, einer Veranstaltung, zu der die Partei während ihrer Klausur traditionell ihre Basis hinzulädt, diesmal ist die aus Oberfranken an der Reihe. Roth steht üblicherweise eher nicht für die besonders unaufgeregten Töne in ihrer Partei, an diesem Abend aber hat sie beinahe etwas Besänftigendes.

Die CSU, erklärt sie, habe die Grünen nun zu ihrem "Hauptgegner" auserkoren. Man würde nun allgemeinen Jubel im Saal erwarten, die CSU bekämpft schließlich nicht jeden. Aber die Parteichefin will auf etwas anderes hinaus, und sie sagt das offenkundig ohne jeden Anflug von Ironie: "Der Hauptgegner der CSU zu sein, das ist hart. Es ist hart, dauernd mit deren Klischees konfrontiert zu werden. Die Älteren von euch wissen das bereits, unsere Jüngeren werden es noch lernen müssen."

1000 neue Mitglieder in Bayern

So sei sie halt, "unsere Mama", wird das später ein Parteimitglied kommentieren. Die Stimmung ist da längst zurückgekehrt in den Saal, denn die Rede ist mehrmals auf die Art und Weise gekommen, wie die CSU gerade versucht, die Grünen in eine Ecke zu drängen, ihren neuen "Hauptgegner". Es geht also um den CSU-Generalsekretär und dessen Männlein-steht-im-Walde-Video, "dieses Machwerk eines gewissen Dobrindt", schimpft Fraktionschefin Bause, das die Grünen als notorische Steinewerfer und Neinsager zu diffamieren versuche.

Das Ganze sei so offenkundig stillos, dass die Grünen die CSU nur auffordern könnten, das Video möglichst prominent auf ihrer Internetseite zu platzieren. "Dieses Filmchen zeugt von der Panik der CSU - die haben Schiss vor uns", ruft Bause. Und auch das: "Die CSU ist nicht über den Berg, die leben hinter dem Berg." Im Saal, an der grünen Basis, macht sich nun doch so etwas wie Euphorie breit, ein bisschen zumindest lässt man es zu.

Stefan Rau ist einer dieser Basis-Leute, ein Mann mit ernstem Blick. Oberfranken ist alles andere als ein Stammland der Grünen, zumindest in den ländlichen und strukturschwachen Regionen, die in Oberfranken weit verbreitet sind. In letzter Zeit aber geht es auch im nördlichen Oberfranken einigermaßen voran, berichtet der Handelsvertreter Rau, in seinem Kreisverband mischen nun ein Forstwirt, ein Sachbearbeiter und ein Angestellter von der HUK-Coburg mit, allesamt Leute, die man vor kurzem eher nicht zur klassischen Klientel der Partei gerechnet hätte.

In Bayern sind allein im letzten Jahr 1000 neue Mitglieder bei den Grünen eingetreten, insgesamt sind es nun 7300. Noch vor kurzem konnte die Partei einmal im Jahr alle neuen Mitglieder nach München einladen, um dort die Oberen der Partei kennenzulernen. Das gehe nun nicht mehr, berichtet Thomas Mütze. Man müsse inzwischen mehrmals pro Jahr einladen - alle neuen Mitglieder passen einfach nicht in einen Raum.

Mütze ist einer aus der jungen grünen Riege in Bayern, für die die Meinungsforscher zuletzt nicht nur Erfreuliches bereithielten. Weniger als jeder Vierte im Freistaat gibt an, einen Thomas Mütze zu kennen. Beim Parteichef Dieter Janecek ist das nicht viel besser. "Das sind natürlich ziemlich bescheidene Werte", räumt Janecek ein. Mit Blick aber auf die Meinungsumfragen - einmal sind es 17 Prozent, einmal 20 Prozent - scheine sich das offenkundig nicht ungünstig auszuwirken. "Ich vermute, den Grünen-Wählern ist es vergleichsweise wurscht, wie gerade der Fraktionsvorsitzende heißt", sagt Mütze, "denen geht es um Sachpolitik."

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