Großprojekt der Bahn:Zugstrecke von München ins Allgäu wird ausgebaut

EC 195 Zürich HB - München Hbf

Noch schleppen Dieselloks die Züge durch die malerische Landschaft am Bodensee.

(Foto: Deutsche Bahn/OH)
  • Nach jahrzehntelanger Planung beginnt die Bahn mit dem Ausbau der Zugstrecke von München zum Bodensee.
  • Der Streckenabschnitt von Geltendorf über Memmingen nach Lindau soll elektrifiziert werden. Auch Gleise, Bahnhöfe und Übergänge werden erneuert.
  • Die Bahn beziffert die gesamten Baukosten auf 850 Millionen Euro, 440 Millionen entfallen alleine auf die Elektrifizierung.

Von Christian Rost, Memmingen

Mit dem Auto vom Allgäu nach München zu fahren, "das macht wirklich keinen Spaß", sagt Manfred Schilder. Der Memminger Oberbürgermeister kennt wie jeder andere Autofahrer aus der Region auch die Tücken der A 96: Dauerbaustellen, viele Unfälle im dichten Verkehr und die Probleme mit den beiden Tunneln nahe des Ammersees, die seit der Installation von Höhenmessanlagen für Lastwagen regelmäßig gesperrt werden.

Am Etterschlager und am Echinger Tunnel, die eher Einhausungen gleichen als richtigen Tunnel, ist in diesem Jahr bereits 140 Mal die Höhenkontrolle ausgelöst worden, weil Lastwagenfahrer ihre Abdeckplanen nicht festgezurrt oder ihre Auflieger zu hoch beladen haben. Das bedeutet: Jeden dritten Tag Stau auf der Autobahn München-Lindau, nur der Tunnel wegen.

Vor diesem Hintergrund dürften sich nicht wenige Pendler aus dem Allgäu darüber freuen, dass die Deutsche Bahn nach jahrzehntelanger Planung nun endlich mit dem Ausbau der Zugstrecke von München zum Bodensee beginnt. Vom kommenden Frühjahr an soll der Streckenabschnitt von Geltendorf (Kreis Landsberg) über Memmingen nach Lindau elektrifiziert und zu einer konkurrenzfähigen Alternative zur A 96 werden.

Winfried Karg, der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn in Bayern, hat schon nicht mehr daran geglaubt, dass das seit Jahren auf dem Papier existierende Projekt überhaupt noch umgesetzt wird. In der vergangenen Woche erst forderte er in einem Brief an alle bayerischen Bundestagsabgeordneten, dass mehr für die Elektrifizierung von Bahnstrecken getan werden müsse. Karg erinnert daran, dass in Bayern bereits 1909 die erste elektrisch betriebene Eisenbahn im Alltagsverkehr unterwegs war - zwischen Murnau und Oberammergau.

Seither ging auf etlichen Strecken nichts voran, vor allem im Allgäu, das Diesellok-Land blieb. Für den Pro-Bahn-Chef ist das völlig unverständlich: In der Politik werde über Oberleitungen für Lastwagen auf Autobahnen nachgedacht, der Bund schaffe es aber nicht einmal, seine Bahnstrecken auf den Strombetrieb umzurüsten. Gleichwohl ist Karg froh, dass etwas vorangeht. Der Ausbau der Zugstrecke nach Lindau sei "dringend überfällig".

Die Dieselloks dürfen nicht in die Schweiz

Zwischen München und Geltendorf fahren die Züge längst unter Strom, weil hier auch S-Bahnen verkehren. Im weiteren Streckenverlauf bis Lindau sind bis dato nur Dieselloks unterwegs. Und diese sind mit ihrem Antrieb nicht nur klimaschädlich, sondern für den grenzüberschreitenden Bahnverkehr auch nicht mehr zu gebrauchen. "Die Schweizer lassen schon seit Jahren keine Dieselloks mehr in ihre Bahnhöfe", berichtet Karg. Dies hat zur Folge, dass die in Richtung Zürich verkehrenden Züge jeweils in Lindau halten müssen, um die Lokomotiven zu wechseln. Für die Fahrgäste bedeutet dies unnötige Wartezeiten.

Die Umrüstung auf den elektrischen Betrieb soll Ende März beginnen und im Dezember 2020 abgeschlossen sein. Für zehn von 21 Abschnitten der 197 Kilometer langen Strecke München-Lindau liegt nach den Angaben der Bahn jetzt Baurecht vor. Während der Bauphase müssen sich Bahnreisende auf erhebliche Einschränkungen einstellen. So werden 2018 fünf Streckenabschnitte jeweils über mehrere Wochen komplett gesperrt, der Abschnitt zwischen Buchloe und Leutkirch sogar von März bis September. In dieser Zeit setzt die Bahn Schnellbusse ein. Etwa 3200 Fahrgäste werden pro Tag auf die Busse umsteigen müssen. Die Euro-City-Fernverkehrszüge werden bei Streckensperrungen über Kempten umgeleitet.

Fahrzeit nach Zürich wird deutlich kürzer

Gebaut werden nicht nur Oberleitungen. Die Gleise werden für Züge mit Neigetechnik nachgerüstet, mehrere Bahnhöfe und Bahnübergänge werden erneuert, und auch Schallschutzwände sind vorgesehen - insgesamt auf 25 Kilometern Länge. Die Bahn beziffert die gesamten Baukosten auf 850 Millionen Euro, 440 Millionen entfallen alleine auf die Elektrifizierung.

Wenn die Fernverkehrszüge der Euro-City-Linie dann unter Strom fahren können, soll sich die Fahrzeit von München nach Zürich um eine Stunde auf noch knapp dreieinhalb Stunden verkürzen. Es werden auch mehr Züge unterwegs sein; statt vier Fernverkehrsverbindungen sind es künftig sechs pro Tag. Während die Anwohner an der Strecke trotz des besseren Lärmschutzes nicht begeistert sein werden von mehr Zugverkehr und schnelleren Zügen, sehen die Kommunen die Modernisierung als "deutliche Verbesserung" an, wie Memmingens OB Schilder sagt. Er erhofft sich von der elektrischen Zuganbindung für die Region eine "Steigerung der Attraktivität".

Pro-Bahn-Vorstand Karg gibt allerdings zu bedenken, dass der Ausbau einer anderen Strecke sinnvoller gewesen wäre: nämlich jener über Kempten Richtung Lindau. "Diese Strecke ist zweigleisig und weniger störungsanfällig. Hauptsache aber ist, dass überhaupt etwas voran geht", so Karg.

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