Grenze zu Bayern:Flüchtlinge - schon fast Routine

Migrants stay in queue before passing Austrian-German border

Flüchtlingskinder erfreuen sich am österreichischen Schnee, bevor sie in Wegscheid über die Grenze nach Deutschland gefahren werden.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Das Geschäft mit den Flüchtlingen läuft gut, die Sache mit den winterfesten Zelten manchmal eher weniger. Immerhin: Frieren muss keiner.

Von Andreas Glas und Matthias Köpf, Wegscheid/Freilassing

Es schneit, aber zum Frieren hat Alois Wolkersdorfer keine Zeit. Im Minutentakt kommen die Flüchtlinge an seinen Kiosk auf der österreichischen Seite der Grenze, im Minutentakt klimpert das Kleingeld. Zwei Euro kostet eine Tüte Chips, Pistazien kosten Vierfünfzig, für Fünffünfzig gibt es eine Schachtel Marlboro. "Es geht laufend dahin", sagt Wolkersdorfer übers Geschäft, "der Wahnsinn, gigantisch."

Ein paar Meter weiter steht Maria Baumgartner und zählt die Fünfzig-Euro-Scheine, die ihr ein Flüchtling in die Hand gedrückt hat. Sie steht neben ihrem Kleinbus, die nächste Fahrt steht an. Sie fährt diejenigen zurück ins Landesinnere, die von der österreichischen Polizei an die Grenze gekarrt wurden, obwohl sie doch eigentlich in Österreich bleiben wollen. Sie fährt zwei, drei solche Touren am Tag, die nächste Fahrt geht nach Linz, Fahrpreis 400 Euro.

Das Geschäft mit den Flüchtlingen läuft gut, die Sache mit dem winterfesten Zelt eher weniger - jedenfalls hier am Grenzübergang zwischen dem österreichischen Hanging und dem niederbayerischen Wegscheid. Erst war es der Regen, jetzt hat der Schnee die Wiese aufgeweicht, auf dem das Zelt steht. Sie haben Hackschnitzel aufgeschüttet, aber das hat nichts geholfen gegen den Matsch. Es ist eh ein Wunder, dass das Zelt nicht vollgelaufen ist, als es neulich geschüttet hat. Die Wiese rundum ist ja ziemlich abschüssig. Aber immerhin: Im Zelt ist es einigermaßen warm, die Helfer verteilen Winterklamotten und heiße Gemüsesuppe.

Ein Bus, der irgendwo hinfährt, wo es weniger matschig ist

Etwa 500 Flüchtlinge warten im Zelt darauf, dass sie die paar Meter über die Grenze marschieren, dass sie auf deutscher Seite in einen Bus steigen dürfen, der sie irgendwo hinbringt, wo es weniger matschig ist und weniger feucht. Es ist ruhiger geworden in Wegscheid. Es kommen etwas weniger Flüchtlinge an als noch vor zwei oder drei Wochen, die Polizisten und Helfer haben inzwischen Routine - und frieren muss auch keiner. Damit das so bleibt, wird ein neues Zelt gebaut.

Drei Kilometer entfernt, in der österreichischen Gemeinde Nebelberg. Um das neue Zelt winterfester zu machen als das alte, haben sie in Nebelberg angefangen zu asphaltieren, am 5. Dezember soll alles fertig sein, dann werden Polizei, Helfer und Flüchtlinge dorthin übersiedeln. Und noch etwas ändert sich dann: Von Nebelberg aus sollen die Flüchtlinge direkt über die Grenze in deutsche Unterkünfte gefahren werden. Das hat die Landespolizei Oberösterreich bestätigt.

Im Inntal, wo viele Flüchtlinge über Italien und den Brennerpass ankommen, hat sich dieses Vorgehen schon eingespielt. Hier fahren die deutschen Bundespolizisten den Asylbewerbern über die Grenze bis Kufstein entgegen, wo die Österreicher beheizbare Zelte mit festem Boden aufgestellt haben. Von dort begleiten die deutschen Beamten im Schnitt mehr als 1000 Flüchtlinge pro Tag in Regionalzügen nach Rosenheim.

Die ebenfalls beheizten Untersuchungszelte dort würden nun nach und nach durch Container ersetzt, kündigt der Sprecher der Rosenheimer Bundespolizeiinspektion, Rainer Scharf, an. In Rosenheim werden die Asylbewerber erfasst und per Bus meist in den "Warteraum Asyl" nach Erding gebracht. Direkt an ihrer Kontrollstelle auf der Inntal-Autobahn bei Kiefersfelden greift die Bundespolizei nach eigenen Angaben nur noch vereinzelt Schleuser und deren Passagiere auf. An der Bundesstraße durch Kiefersfelden gibt es derzeit nur Stichproben.

Am Grenzübergang zwischen Salzburg und Freilassing hat die Polizei dagegen längst wieder festen Posten bezogen - seit den Terrorangriffen von Paris müht sich der tägliche Pendler-Stau dort an einem Beamten mit Maschinenpistole vorbei.

Die Übergabe der Flüchtlinge läuft inzwischen routiniert und nahezu reibungslos. Die Österreicher bringen die Asylbewerber aus ihren Sammellagern - vor allem der alten Salzburger Autobahnmeisterei und einem Zeltlager im grenznahen Stadtteil Liefering - an die Saalachbrücke.

Auf Zuruf werden sie in kleineren Gruppen über den Grenzfluss nach Deutschland geführt und in einem Zelt durchsucht, das die Bundespolizei ebenfalls bald durch einen Container ersetzen will. Von dort geht es per Polizeibus zunächst in ein ehemaliges Möbelhaus, wo es Schlafplätze und medizinische Betreuung gibt. Täglich zwei Sonderzüge bringen die mehr als 1000 Flüchtlinge, die derzeit pro Tag in Freilassing ankommen, weiter ins ganze Bundesgebiet.

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