Grassau:Gipfeltreffen der Gegensätze

Bundesumweltministerin Hendricks bezieht bei der Alpenkonferenz erneut Position gegen die Staatsregierung: Eine Skischaukel am Riedberger Horn lehnt sie ebenso ab wie einen Tourismus, der auf Schneekanonen setzt

Von Matthias Köpf, Grassau

Die Mühen der Ebene gibt es auch bei einer Alpenkonferenz, und so haben die acht Alpenstaaten und die EU bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag im oberbayerischen Grassau neben großen Zielen auch kleine Präzisierungen beschlossen. Einige betreffen die Arbeit des Überprüfungsausschusses. Er wacht darüber, dass sich die Mitglieder auch an die Alpenkonvention halten, die sie unterzeichnet haben. Die Prüfer wissen nun, wie sie genau mit Artikel 11 des Naturschutzprotokolls verfahren sollen. "Die Vertragsparteien verpflichten sich, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten", steht darin unter anderem. Eine Skischaukel am streng geschützten Riedberger Horn wäre ein klarer Fall für Artikel 11 und für den Überprüfungsausschuss, was der Bund als Unterzeichner der Konvention gerne vermeiden würde.

Ob das Projekt mit der Alpenkonvention vereinbar ist, müsse aber zunächst allein die bayerische Staatsregierung prüfen, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Donnerstag zum Abschluss der Alpenkonferenz. Zugleich ließ Hendricks keinen Zweifel daran, dass sie selbst das Projekt für einen Verstoß gegen die Konvention hält, für den sich dann international der Bund rechtfertigen müsste. Das Riedberger Horn im Oberallgäu liegt mitten in der strengen Schutzzone C des gemeinsamen Alpenplans, in der jede neue technische Erschließung ausgeschlossen ist. "Wir haben als Bund darauf zu achten, dass völkerrechtlich bindende Verträge auch eingehalten werden", sagte Hendricks. An den Überprüfungsausschuss könne sich im Übrigen jedermann wenden. Die Einschätzung des Ausschusses sei dann zwar noch kein Gerichtsurteil, aber doch ein deutlicher Hinweis.

14. Alpenkonferenz

Das Riedberger Horn im Oberallgäu liegt mitten in einer strengen Schutzzone, in der jede neue technische Erschließung ausgeschlossen ist.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

An die völkerrechtliche Verbindlichkeit hat Hendricks die Staatsregierung nach eigenen Angaben schon im Februar erinnert und vor einigen Tagen noch einmal einen entsprechenden Brief an ihre Ressortkollegin Ulrike Scharf (CSU) geschrieben. Auch Abstimmungen in zwei bayerischen Gemeinden für die Skischaukel stünden nicht über internationalem Recht, hieß es darin sinngemäß. Mit Scharf habe sie sich in Grassau "sehr kollegial unterhalten", sagte Hendricks - zumal Scharf innerhalb der Staatsregierung "eine andere Auffassung als andere" habe. Scharf hatte Hendricks' Brief nach eigenen Angaben an das federführende Heimatministerium von Markus Söder weitergeleitet, der sich für die Skischaukel stark macht.

In der Alpenkonferenz habe das Riedberger Horn aber keine Rolle gespielt, sagte Hendricks. Offizielles Thema war dagegen der nachhaltige Tourismus in den Alpen, und auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten zwischen der Bundesumweltministerin und der Staatsregierung. Während diese den Einsatz von Schneekanonen fördert, darf es aus Hendricks' Sicht "auf Dauer keinen Tourismus mehr geben, der auf Schneekanonen setzt und nur so tut, als gäbe es noch natürlichen Schnee".

Beginn Internationale Alpenwoche auf Herrenchiemsee

Wegen des Streits um das Riedberger Horn haben die Grünen bereits am Vorabend des Gipfels der Alpenkonvention eine symbolische Seebestattung bereitet.

(Foto: Uwe Lein/dpa)

Hendricks nannte den Klimaschutz als einen Schwerpunkt der Grassauer Konferenz und auch der zweijährigen deutschen Präsidentschaft der Alpenkonvention. In den vergangenen 100 Jahren sei in den Alpen die Durchschnittstemperatur doppelt so stark gestiegen wie weltweit. Die Alpenregion, in der 14 Millionen Menschen leben und in die jährlich 120 Millionen Touristen kommen, sei daher ein Klima-Frühwarnsystem und könne zugleich "eine Modellregion für eine klima- und ressourcenschonende Entwicklung in Europa" werden.

Mit dem Ende der Grassauer Konferenz ist die Präsidentschaft der Alpenkonvention an Österreich übergegangen. Die deutsche Präsidentschaft nannte der Generalsekretär der Konvention, Markus Reiterer, "zwei sehr aktive und sehr gute Jahre". So zufrieden zeigten sich in Grassau jedoch nicht alle. Der deutsche, österreichische und Südtiroler Verband der Internationalen Alpenschutzkommission Cipra richteten einen "Grassauer Appell" an die Umweltminister, sich stärker für die Konvention und vor allem für deren Umsetzung zu engagieren. Unter anderem fordern sie ein Moratorium für neue Skigebiete. Die Landtagsfraktion der Grünen hatte der Alpenkonvention wegen des Streits über das Riedberger Horn schon zum Staatsempfang auf Herrenchiemsee am Vorabend eine symbolische Seebestattung bereitet.

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