Grafenrheinfeld:Debatte über Messwerte

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Der mögliche Schaden an einem Leitungsrohr im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld sorgt weiter für Wirbel. Eon schließt einen Verschleiß nicht aus.

Olaf Przybilla und Christian Sebald

Der mögliche Schaden an einem Leitungsrohr im unterfränkischen Atomkraftwerk Grafenrheinfeld sorgt weiter für Wirbel. Im Juni 2010 hatte laut dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein Ultraschall-Messgerät einen möglichen Riss an einer Leitung im Reaktorinneren angezeigt. Eon hat den Vorfall erst am 21. Dezember als meldepflichtiges Ereignis eingestuft und offiziell dem bayerischen Umweltministerium gemeldet. In dem Formular, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es zwar, dass das Untersuchungsergebnis "im Wesentlichen nur Toleranzen im Rahmen der Messung zugerechnet" werde. Aber zugleich ist davon die Rede, dass eine "thermische Ermüdung" der Leitung - also ein Verschleiß - nicht auszuschließen sei.

Ein möglicher Schadensfall im Atomkraftwerk Grafenrheinfeld beunruhigt die Grünen. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Für Eon ist das kein Widerspruch. "Die Bewertung des Messergebnisses durch unsere Experten, aber auch durch das Umweltministerium und den TÜV Süd hat eindeutig ergeben, dass es sicherheitstechnisch völlig unbedenklich ist", sagt eine Unternehmenssprecherin. "Deshalb haben wir den Reaktor nach der Routinekontrolle ja wieder anfahren dürfen." Im Zuge weiterer Untersuchungen sei man dann im Dezember zu der Erkenntnis gelangt, dass das Messergebnis auch auf einen Materialfehler oder Verschleiß der Leitung hindeuten könnte. "Gewissheit erlangen wir aber erst", so die Sprecherin weiter, "wenn das Teil im März ausgetauscht wird."

Im Umweltministerium sieht man ebenfalls keinerlei Sicherheitsrisiko in Grafenrheinfeld. "Das Kernkraftwerk war zu jedem Zeitpunkt sicher." Dies hätten auch der TÜV Süd und die Reaktorsicherheitskommission (RSK) bestätigt. Der vormalige RSK-Chef Klaus-Dieter Bandholz, der das Amt zum Jahreswechsel abgab, erklärte unterdessen, dass die Beratungen in der Kommission keinerlei Bedenken gegen den Weiterbetrieb des Reaktors bis zu dem geplanten Austausch des Bauteils im März 2011 ergeben hätten.

Die Grünen sehen jedoch "etliche Ungereimtheiten" und fordern eine umfassende Aufklärung des Vorfalls im Landtag. In Schweinfurt sorgt der mögliche Schaden für große Verunsicherung. 90 Prozent der Schweinfurter wohnen in zehn Kilometer Umkreis um das Atomkraftwerk. "Wir fühlen uns massiv bedroht", sagte der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Joachim Schmidl. "Und betrachtet man die aktuelle Lage, dann ist das offenkundig nicht nur ein Gefühl."

Die Probleme im Atomkraftwerk würden wie so oft nur scheibchenweise eingeräumt, es bleibe der Eindruck, "dass es da etwas zu verheimlichen gibt", sagt Schmidl. Auch die Schweinfurter Bürgerinitiative gegen Atomanlagen äußert sich empört. Das Unternehmen verfahre stets auf gleiche Weise: "Verheimlichen, vertuschen und dann Stück für Stück zugeben. Eon hat nicht einen Funken dazugelernt", erklärt Marc-Dominic Boberg, der auch Chef der Grünen im Stadtrat ist. Der Verschleiß des Meilers, der 1982 ans Netz ging, sei nicht länger zu verheimlichen.

Der von der CSU dominierte Schweinfurter Stadtrat hatte im Juni 2010 eine Resolution gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke verabschiedet - das in Grafenrheinfeld soll noch bis 2028 am Netz bleiben. Zu den Unterzeichnern gehörte auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU). Inzwischen haben sich weitere CSU-geführte Kommunen in der Region gegen die Laufzeitverlängerung ausgesprochen. Auch der Würzburger Stadtrat verabschiedete eine Resolution.

© SZ vom 18.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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