Gräfenberg-Zone:Auf dem Fünf-Seidla-Steig zum G-Punkt

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Wer die Mühe auf sich nimmt, kommt spätestens im Bahnhofsviertel im fränkischen Gräfenberg zum Ziel. Im Kiosk von Cora Gundelfinger gibt es alles zum Thema mit dem kleinen Punkt: T-Shirts, Aufkleber, Vollbier und den Himbeerlikör "Feuchter Traum"

Von Olaf Przybilla, Gräfenberg

Und plötzlich kamen also die, nein, eben nicht nur die Männer. Es kommen auch Frauen und wenn sie kommen, dann kommen sie in Gräfenberg - man wird das hier ausnahmsweise mal so sagen müssen - richtig. Und zwar in Gruppen, Braut suchen, Braut abliefern, Braut heimsuchen, wer weiß das schon immer so genau. Betäubungsmittel spielen eine Rolle, man müsse sich da keinen Illusionen hingeben, sagt Cora Gundelfinger. Sie hatte ihre Geschäftsidee, auch das muss man erst mal auf sich wirken lassen, beim Günther-Jauch-Schauen. Seit diesem Fernsehabend handelt sie mit dem G-Punkt.

So. Es mag schon niveauvollere Themeneinstiege gegeben haben. Andererseits ist die Sache mit dem Niveau durchaus ein Dauerthema für Cora Gundelfinger, 49, die sich, wenn gar nichts mehr geht, zur Not auch Frau G. nennen lässt. Wäre sie zu fein besaitet, dann würde sie das hier halt nicht machen, mit dem G-Punkt Handel treiben, sagt sie. Aber sie habe sich eben dagegen entschieden, was soll denn die Wohlanständigkeit? Ist auch öde auf Dauer, sagt Cora Gundelfinger, die früher als Aufnahmeleiterin Geld verdient hat. Außerdem gebe es auch Leute, und nicht nur die üblichen Blödbatzen, denen sie mit ihrer Idee auch ganz ohne die Einwirkung von höher dosiertem Frankendestillat ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern kann. Natürlich immer im Gestus: Also eigentlich ist das ja nicht so mein Niveau. Klar nicht.

Punktlandung: Cora Gundelfinger freut sich, dass ihr Geschäft mit dem G-Punkt, bei dem ihr Mann Jochen ihr hilft... (Foto: Peter Roggenthin)

Zur Sache. Da war also dieser Günther-Jauch-Abend, und den unreifen Einwand, was denn bitte schön ausgerechnet der mit dem G-Punkt zu tun haben soll, sollte man im Gespräch mit Cora Gundelfinger womöglich einfach mal wegdrücken. Sie erklärt das dann schon von selbst: Die Frage bei Jauch lautete: Wo befindet sich die Gräfenberg-Zone? Zur Auswahl standen A) Hunsrück B) äußerer Erdkern C) Körper der Frau und D) Mikrowellengerät.

In Oberfranken saßen sie an dem Tag etwas belämmert auf dem Sofa, weil die Gräfenberg-Zone nun mal eine Region ist, die irgendwie jeder kennt, weil man da wandern kann wie, sagen wir, Gott in Franken. Gut, Gräfenberg-Zone nennt das zwar kein Mensch, Fränkische Schweiz schon eher. Oder eben, speziell bezogen auf das Städtchen Gräfenberg, Fünf-Seidla-Steig. Ein Traum, aber dazu später. Nur gab es bei Jauch an diesem Abend halt kein E), also kein: Das ist da, wo uns Papa am Sonntag immer zum Wandern und dem eigenen Frohsinn-Frönen hinkutschiert hat.

Als richtige Antwort nannte Jauch stattdessen C, also im Körper der Frau. Wobei die besagte Gräfenberg-Zone besser bekannt sei als der G-Punkt. Und der wiederum benannt ist nach einem gewissen Dr. Ernst Gräfenberg, einst Arzt und Forscher. Erstmal war das ein kleiner Schock in Oberfranken. Aber die Erkenntnis, dieses Jauch-Ding, habe sie seither nicht mehr losgelassen, sagt Gundelfinger. Suche den nicht irgendwie jeder, diesen Punkt, mehr oder minder erfolgreich, fragt sie. Und wäre es nicht schön, all den Suchern einen Ort auf der Welt anzubieten, wo sie fündig werden können? Und sei es nur, selten dürfte die Formulierung so an ein Ziel geführt haben: dem Buchstaben nach?

...vielen Kunden ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert und ihr ein Auskommen ermöglicht. (Foto: Peter Roggenthin)

Und so vertreibt Cora Gundelfinger nun also den G-Punkt, und ihr Mann Jochen, 53, hilft ihr gelegentlich dabei. Sie tun das, wenn man so will, im Bahnhofsviertel der Stadt. Wobei das Bahnhofsgebäude von Gräfenberg eine ziemlich traurige Sache war, bevor sich die Gundelfingers dort ihren Laden einrichteten. Inzwischen gammelt dort nichts mehr vor sich hin, stattdessen werden Dinge für den alltäglichen Bedarf angeboten: bedruckte T-Shirts etwa, mit denen der Träger zu verstehen geben kann "I made it to the G-spot". Auch Aufkleber mit großem G und kleinem Punkt. Und allerlei andere Frankenrauschmittel. Wobei, sagt Cora Gundelfinger, erstaunlicherweise am besten nicht etwa das Dr. Gräfenberger G-Punkt Vollbier im lustigen Sechser-Tragerl weggeht. Sondern der Himbeerlikör "Feuchter Traum".

Es kommen eben auch viele Frauen. Beziehungsweise kamen, derzeit ist der Bahnhofskiosk geschlossen. Richtig los geht die Saison in G.-City erst wieder am 18. April, kurz darauf ist dann schon der Tag des Bieres. An solchen Tagen, sagt Cora Gundelfinger, habe sie am Fünf-Seidla-Steig schon allerlei erlebt: Komatöse Wanderer, "das ging bis zum Verlust der Muttersprache". Verglichen damit seien ein paar ordentliche Zoten eine erträgliche Sache. Und die jungen Kunden zeigten sich dabei im Übrigen deutlich verschämter als die reiferen .

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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