·:Gottgewollter Krieg in Oberammergau?

Regisseur Christian Stückl inszeniert Stefan Zweigs "Jeremias" im Passionstheater - doch statt zu proben, verbringt er die meiste Zeit in Bürgerversammlungen. Denn er kämpft um seine Zukunftspläne.

Anne Fritsch

Christian Stückl ist sauer. Da engagiert er sich für die Oberammergauer Theatertradition, frischt das Passionsspiel erfolgreich auf und erweckt die Interimsspiele zu neuem Leben - und was machen die Oberammergauer?

Oberammergau

Passionsspiele: In Oberammergau probt Regisseur Stückl gerade Stefans Zweig "Jeremias".

(Foto: Foto: dpa)

Eine Bürgerinitiative rufen sie ins Leben, um zu verhindern, dass die nächsten Passionsspiele um 22.30 statt um 17.30 Uhr enden. Das Nachtspiel ist dem Regisseur wichtig, weil er in der Dunkelheit "eine ganz andere emotionale Ebene der Zuschauer erwischen und die Qualität des Spiels nach vorne bringen" will.

So kommt es, dass Stückl momentan viel Zeit in Bürgerversammlungen verbringt, obwohl er in den Endproben zu Stefan Zweigs Jeremias im Passionstheater steckt.

Die Oberammergauer haben "den ungünstigsten Zeitpunkt"' für ihren Aufstand gewählt: Zwei Tage nach der Jeremias-Premiere (15.6.) entscheiden sie über das Nachtspiel - und möglicherweise darüber, ob Stückl die Passion 2010 zum dritten Mal inszenieren wird.

Jetzt bringt er erstmal Zweigs Jeremias auf die Oberammergauer Bühne: ein biblisches Schauspiel über den Propheten, der vergebens vor dem Krieg Israels gegen Nebukadnezar warnte. "Wie geht man mit dem Begriff des gottgewollten Kriegs um?", fragt sich Stückl. "Das ist heute wieder ein Thema. Sowohl George Bush als auch Osama bin Laden rufen Gott herbei, um ihre Kriege zu rechtfertigen."

Stückl konzentriert die Handlung auf eine Gruppe junger Menschen, die jegliche Warnung der Älteren ignorieren. "Da herrscht eine Kriegseuphorie, die man nicht nachvollziehen kann." Dieses Phänomen interessiert Stückl. Mit mehr als 500 Oberammergauer Laiendarstellern, Musikern und Sängern inszeniert er eine Parabel über die Sinnlosigkeit des Kriegs.

Seine Schauspieler konnte Stückl dabei problemlos von der Wirkung einer im Dunkeln brennenden Fackel oder eines lodernden Feuers überzeugen. Sein Feind im Kampf um das nächtliche Passionsspiel ist der Einzelhandel, der Einbußen im Souvenirgeschäft fürchtet, wenn die Passionstouristen nicht früh genug aus dem Theater entlassen werden.

Solche Bedenken kann Stückl nicht nachvollziehen: "An erster Stelle sollte die Qualität des Spiels stehen."

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