Glücksspiel:Mit Steuer gegen Spielhallen

Innenminister Herrmann will die Ausbreitung von Automaten bremsen - Kommunen sind bisher hilflos.

Karin Prummer und Dominik Stawski

Die Gier nach dem großen Gewinn lässt sich nicht leicht stillen. Doch auch wenn der Automat leuchtet, klingelt und rattert, dem Spieler bleibt davon meist nicht viel. Das nächste Spiel wartet schon. Nur einer gewinnt offenbar konstant: der Spielhallenbetreiber.

Wie lukrativ das Geschäft ist, zeigt die Zunahme der Automaten in Bayern: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl auf 14.000 verdoppelt. In keinem anderen Bundesland steigt die Zahl so rasant. Die Bürgermeister gehen wegen der Spielhallen in ihren Ortszentren auf die Barrikaden, doch sie können dagegen rechtlich wenig machen. Doch das soll sich nun ändern. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will eine Spielhallensteuer einführen.

Die Hoffnung: Die Steuer, die jede Kommune selbständig erheben könnte, schmälert den Gewinn der Betreiber, und so wird der Standort weniger interessant. Und kommen die Hallen doch, sollen die klammen Gemeinden zumindest mitverdienen. So könnte die Steuer beispielsweise auf die Umsätze erhoben werden, von 15 Prozent ist die Rede. Herrmann nennt die Zunahme der Spielhallen eine "problematische Entwicklung". Jetzt, da immer mehr Gemeinden über ihre Machtlosigkeit gegen die Spielhallen klagen, hat er reagiert.

Die Spielhallensteuer gibt es schon seit langem in anderen Bundesländern, zum Beispiel im Stadtstaat Hamburg. Bayern ist ein Sonderfall, denn seit 1980 gibt es hier keine Vergnügungssteuer mehr. Während in anderen Bundesländern die Kommunen an Gewinnen der Vergnügungsstätten zusätzlich verdienen, ist das in Bayern nicht der Fall.

Eine solche Steuer birgt insofern aber auch eine Gefahr: Denn wenn die Kommunen vom Geschäft profitieren, könnte ihr Interesse sogar steigen, Spielhallen in die Stadt zu holen. Und das, sagt Herrmann, "wäre dann wirklich eine problematische Wirkung". Er plädiert dafür, bei den Spielhallen über schärfere Beschränkungen nachzudenken, so wie es bei den staatlichen Kasinos praktiziert wird. Dort können sich beispielsweise Spieler selbst sperren lassen. Solche Änderungen betreffen allerdings Bundesrecht, sind also nicht Sache Bayerns.

Dass die Spielhallensteuer ein wirksamen Instrument gegen den Automatenboom ist, daran zweifeln manche Bürgermeister. "Viel wichtiger wäre, dass die Kommunen endlich das juristische Werkzeug bekommen, Spielhallen unter bestimmten Voraussetzungen zu verhindern", sagt etwa Michael Kölbl (SPD) aus Wasserburg. Genau das würde er selbst gerade am liebsten tun, denn auch in seiner Stadt hat kürzlich ein Spielhallenbetreiber angeklopft. Ein neues Spiele-Center, gleich in der Nähe der Hauptschule. Wasserburg wehrt sich, so wie viele andere Gemeinden in Bayern, mit Tricks, grantigem Protest und allem, was das Baurecht hergibt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie einige Kommunen mit Spielhallen umgehen.

Keine Chance gegen die Spielhalle

Wasserburg

Keine Chance gegen die Spielhalle

Wasserburg ist eine Stadt mit Sinn für Kultur. Es gibt Museen, Galerien und Theater. Die Wasserburger sind stolz darauf. Das hat auch Petra Höcketstaller erfahren. Sie ist Geschäftsführerin eines Automatenbetriebes in Winhöring im Landkreis Altötting, nicht weit entfernt von Wasserburg. Höcketstaller will in Wasserburg eine Spielhalle eröffnen. Und sie hat die verschiedenen Räume ihrer geplanten Halle mit Künstlernamen versehen: Ein Raum in der Halle soll Picasso heißen, ein anderer Kandinsky, Hundertwasser und so weiter. Picasso und Co. würden sich im Grab umdrehen", sagt Friederike Kayser-Büker (SPD). Sie ist Mitglied im Bauausschuss der Stadt und was sie sagt, denken fast alle im Gremium: Bitte keine Spielhalle in unserem Wasserburg.

Bürgermeister Kölbl nennt Wasserburg eine "weiße Insel" auf der Spielhallen-Karte. Und tatsächlich gibt es nur wenige Gemeinden in Bayern, die mehr als 10.000 Einwohner haben, aber keine Spielhalle. Zum ersten Mal lehnte der Bauausschuss Höcketstallers Antrag im Dezember vergangenen Jahres ab. Zu groß, zu zentral, zu nah an den vielen Schulen in der Stadt, meinten die Stadträte. Spielhallenbetreiber sind gewohnt, dass ihre Anträge zunächst abgelehnt werden. Sie wissen aber, dass Gemeinden nach den Regeln des Gewerberechts die Hallen genehmigen müssen, wenn die formalen Kriterien erfüllt sind.

Höcketstaller setzte sich deswegen noch einmal an das Konzept. Im neuen Antrag stehen fünf Spielhallen, alle aber unter einem Dach. Das ist ein Trick, den viele Betreiber anwenden. Übersteigt eine Halle die zulässige Größe, wird gestückelt. "Man kann doch nicht einfach Rigips-Wände einziehen und fertig", sagt Stadtrat Peter Stenger, Mitglied der SPD-Fraktion. Der Bauausschuss lehnte wieder ab - einstimmig. Begründung: Es gibt eine gemeinsame Sanitäranlage und nur eine Kaffee-Lounge, daher sei von einem Spielhallenkomplex auszugehen.

Petra Höcketstaller überlegt, ob sie es noch einmal versucht. Sie kann nicht nachvollziehen, dass sich die Wasserburger Sorgen um ihre Schüler machen, schließlich hätten Minderjährige keinen Zutritt. Der Bürgermeister und einige Stadträte haben schon angekündigt: Kommt ein neuer Antrag, werde man wieder dagegen kämpfen.

Nandlstadt

Himmel und Hölle so nah beieinander - das darf nicht sein. Die Bürger in Nandlstadt im Landkreis Freising wurden grantig, als sie erfuhren, zu was ihre Markträte vor Weihnachten Ja gesagt hatten: Eine Spielhalle direkt neben der Kirche.

Die Markträte mussten sich einiges anhören. "Wir können uns ja gar nicht mehr auf der Straße blicken lassen", erzählten sie Elena Völz, der Geschäftsleiterin im Nandlstädter Rathaus. Der Marktrat hatte einen Antrag auf Nutzungsänderung auf dem Tisch und er stimmte zu. Der Eigentümer des Hauses, das in Nandlstadt alle nur "Schwemmwirt" nennen, plant, eine Spielhalle einziehen zu lassen. Was aus dem einstigen Traditionswirtshaus Schwemmwirt werden soll, ist eine leidige Geschichte in Nandlstadt. Seit vor Jahren der Lebensmittelhandel ausgezogen ist, steht alles leer. Der Schwemmwirt liegt direkt an der Marktstraße, im Kern des 5000-Seelen-Marktes, mit kleinen Läden, gepflegten Bürgerhausfassaden und eben der St.-Martins-Kirche. "Nandlstadts gute Stube" sei die Straße, steht auf der Webseite der Stadt - und das soll sie bleiben.

Ob die Nandlstädter nun besonders trickreich waren oder ob die Tagesordnung, nach der der Marktrat der Halle zugestimmt hatte, wirklich formal nicht korrekt benannte, was in den Räumen geplant ist, sei dahingestellt. Es gelang den Nandlstädtern jedenfalls, den Beschluss für nicht rechtsgültig zu erklären. Bei der erneuten Abstimmung waren nun alle Markträte gegen die Halle. "Weil es als störend empfunden wurde und weil es ein Schandfleck im Ortsbild wäre", sagt Völz. Nur der Bürgermeister stimmte weiter dafür. Er sagt, eine Ablehnung mit diesen Gründen halte rechtlich nicht stand. Womöglich hat er Recht. Aber zumindest sind nun nicht mehr die Nandlstädter Markträte schuld, wenn die Spielhalle doch einziehen darf.

Denn endgültig entscheiden muss nun das Freisinger Landratsamt als Baugenehmigungsbehörde. Die Prüfung sei "noch im Fluss", sagt eine Sprecherin. Der Bauherr überdenke seine Pläne noch einmal. Die Nandlstädter haben kürzlich einen Wunsch ins Landratsamt geschickt. Sollte die Spielothek doch genehmigt werden, dann bitte mit einer Einschränkung: Sie soll nicht öffnen dürfen, wenn nebenan Gottesdienst gefeiert wird.

Straubing

"Das ist typisch Bahn", "So geht man nicht mit seinen Kunden um", "Die nutzen ihre Monopolstellung aus" - solche Urteile über die Deutsche Bahn kennt jeder Zugreisende und spricht sie gelegentlich auch selbst aus. Doch diese Worte fielen nicht wegen Verspätung, Signalstörung oder defekter Weichen. So zitierte das Straubinger Tagblatt Ende März die Straubinger Stadträte. Die hatten kurz zuvor erfahren, dass dem Pächter der Bahnhofsgaststätte zum 31. Dezember 2010 gekündigt wurde und eine Spielhalle einziehen soll. Nun ist die Gaststätte keine heruntergekommene Kaschemme, wie man sich das klischeehaft vorstellt. Nein, neben dem Restaurant ist eine lebendige Kleinkunstbühne entstanden mit Rock'n'Roll, hochklassigem Kabarett und Lesungen.

Die Bahn wolle einfach höhere Mieten verlangen, mutmaßen die Straubinger. Sie befürchten, die Spielhalle könnte ein Klientel anziehen, das den Bahnhof nicht gerade sicherer macht. Sie sorgen sich, weil viele Kinder und Jugendliche von dem Bahnhof aus in die Schule pendeln. "Das ist pädagogisch nicht optimal", sagt Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU). Ein Bahnhof sei das Eingangstor zu einer Stadt. Was für einen Eindruck werde bei den Gästen entstehen, wenn sie von einer Spielhalle empfangen werden?

Im Stadtgebiet gibt es bereits 19. Nach den Protesten versicherte die Bahn, alles sei ein Missverständnis, man habe nicht vor, eine Spielhalle einziehen zu lassen. Man wolle modernisieren und verhandle mit verschiedenen Investoren. In Passau kam bei diesen Verhandlungen am Ende eine Spielstätte als neuer Mieter heraus. Vor drei Monaten ist sie eingezogen. "Unerfreulich" sei das, sagt eine Sprecherin der Stadt. Aber man habe einfach nichts dagegen tun können.

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