Gillamoos:Star, Guru, Adabei

Der Wahlkampf in den Bierzelten von Abensberg ist um einiges unterhaltsamer als das Fernsehduell. Die CSU huldigt Guttenberg, Schulz punktet mit SPD-Themen, die anderen mühen sich um Aufmerksamkeit

9.01 Uhr

Wer reserviert hat und jetzt noch nicht da ist, der hat Pech gehabt, sagt Martin Neumeyer, der Kelheimer CSU-Landrat. "Die Reservierungen sind aufgehoben." Doch das ist egal, weil das Zelt eh schon voll ist. Alle wollen Karl-Theodor zu Guttenberg hören. Besser sei die Stimmung nur vor fünf Jahren gewesen, behaupten Kenner, die ihre Expertise durch viele Besuche und noch mehr Bier erworben haben. "Angie! Angie!" skandierten die Menschen damals, zu Gast war die Kanzlerin. Kein Problem für Guttenberg, findet eine CSU-Frau: "Der wird der nächste Kanzler."

9.30 Uhr

Von Martin Schulz ist noch nichts zu sehen, aber bei den SPD-Anhängern im Jungbräu-Festzelt hat man sich schon auf eins geeinigt: Dass das TV-Duell am Vorabend super war. Der Martin habe klare Kante gezeigt. Dass der Martin Kanzler wird, sei jetzt erst recht klar. Die Blaskapelle studiert ein Lied mit dem Publikum ein, irgendwas mit knallroter Gillamoos auf die Melodie von "knallrotes Gummiboot".

9.55 Uhr

Erstmals ist die AfD dabei, aus Platzmangel außerhalb der Festwiese im benachbarten Schlossgarten. Ein Glück für die Partei, dass es nicht regnet. So richtig Bierzeltstimmung kommt nicht auf, Brathendlgeruch und Blaskapelle sind einige hundert Meter weit weg, fast eine andere Welt. Vielleicht ist der Ort aber gar keine schlechte Wahl. Schließlich haben die Redner - Parteichef Jörg Meuthen, in Essen geborener Professor, und EU-Abgeordnete Beatrix von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg - auf bayerischen Volksfesten nicht unbedingt Heimspiele. Anders der erste Redner, Stephan Protschka, AfD-Niederbayern-Chef: "Servus, Griaß eich, habedere!"

10 Uhr

"Wo is denn der Hubert, kommt er?", fragen sie sich bei den Freien Wählern im holzlastigen Weißbierstadl, aber es ist dann doch Guttenberg, den die Kapelle und etliche Kamerateams draußen vorbeigeleiten. Jetzt biegt auch Aiwanger ein, ohne Kameras, dafür mit einer Riege gereifter Parteifreunde. Ein Zelt würde Aiwanger, der hier im Wahlkreis Landshut-Kelheim Direktkandidat ist, nicht füllen. Die Anlage übersteuert gleich, der Tontechniker muss runterregeln. Hubert Aiwanger dagegen dreht auf: "Lindner, du bist gesponsert, du bist geschmiert!" Merkel sei die Mutter der AfD. Und Guttenberg habe "bisher in Deutschland nichts fertiggebracht, als eine gefälschte Doktorarbeit abzugeben und die Bundeswehr zu ruinieren".

10.03 Uhr

Als Guttenberg letztmals am Gillamoos war, 2009, spielten sie am Ende "Highway to Hell" von AC/DC. Guttenberg hat das nicht vergessen. "Die Autobahn zur Hölle, die hab ich dann auf der Überholspur genommen", sagt er. Diesmal gibt es wieder AC/DC, allerdings zum Start. "T.N.T.", explosiver Stoff also, und als solcher könnte auch Guttenberg sich für die CSU noch erweisen. Tatsächlich sind manche Besucher erbost, als der Tross ins Zelt einzieht. Sie meinen aber nicht den Hauptredner, sondern den örtlichen Bundestagsabgeordneten Florian Oßner, der den Menschen zuwinkt. Jahr und Tag lasse sich der Mann hier nicht blicken, und dann fahre er in Guttenbergs Windschatten. "Schon krass."

10.07 Uhr

Auf der Festwiese ist es batzig, wie der Niederbayer sagt. Man hat ein bisschen Angst um seine Schuhe, aber Christian Lindner tritt dann doch nicht in die Lache vor dem Stadl-Zelt. Vor zwei Jahren schickte die FDP noch Wolfgang Kubicki zum Gillamoos. Zwei Mass Bier hat er damals getrunken, "keine Wirkung", sagte Kubicki, "enttäuschend". Jetzt kommt Lindner, auch er kriegt eine Mass hingestellt. Alkoholfrei. Ist besser so, er braucht Balance auf der Bühne, keine zehn Quadratmeter groß. Er ist ja keiner, der auf der Bühne rumsteht, er wandert auf und ab. Er ist auch keiner, der sich hinterm Mikro versteckt, er reißt es aus dem Mikroständer, lästert sofort los über das Fernsehduell zwischen Merkel und Schulz. Lindner findet: "Das war kein Duell, das war ein Duett. Das hätten sie sich schenken können."

10.15 Uhr

Beatrix von Storch kommt in Fahrt, Thema Islam, es geht um Gefahren. Die Stimmung steigt, trotz Plastikbechern. Vom Festplatz dudelt in Sprechpausen Blasmusik hinein. Hellseherei jetzt, von Storch verkündet, was nebenan Karl-Theodor zu Guttenberg sagen werde über den Bayernplan der CSU, die Obergrenze für Flüchtlinge. "Alles, was Merkel nicht geduldet hat. Die Verschriftlichung eines Offenbarungseids der CSU." Sie sitzt wieder am Tisch, noch ein niederbayerisches Grußwort folgt. "Sie verstehen kein Wort, oder?", fragt einer. "Doch", sagt von Storch, "schon welche."

10.30 Uhr

Bei den Grünen im Weinstadel ist noch Vorprogramm, die Journalisten machen einen erheblichen Anteil des Publikums aus, die Trachtenquote liegt weit unter dem Schnitt. Aber die Kandidaten reden Mundart und Klartext. Jetzt schwäbelt sich Parteichef Cem Özdemir durch, fordert gleich mal mehr Polizei und macht sich Sorgen um die Exportchancen für deutsche Autos. "Der Verbrennungsmotor war mal eine coole Erfindung, um die Kutsche abzulösen", sagt er, aber jetzt müsse das nächste große Ding auf die Straßen, und das müsse möglichst in Deutschland entwickelt und gebaut werden. Eine Koalition mit den Grünen könne es nur mit einem "Einstieg in den Ausstieg aus emissionsbetriebener Mobilität" geben.

11.07 Uhr

Die Luft ist inzwischen gut brathendldurchzogen. Schulz betritt die Bühne, er weiß, dass alle noch unter dem Eindruck des Fernsehduells vom Vorabend stehen, und er fängt auch gleich damit an. Es geht wieder um die Krankenschwester, die in einer Minute vierzig Cent verdient, Schulz ist bei seinem Thema: soziale Gerechtigkeit. Und er bleibt dabei. Es geht um Kita-Gebühren und Wohnungssuche, um Langzeitarbeitslose und Altenpfleger, wenig um Flüchtlinge, nicht um Maut, nicht um Diesel. Schulz gestaltet die Rede so, wie ein zweites TV-Duell hätte aussehen können. Er redet vom "normalen Bürger" und präsentiert sich als einer der ihren, hemdsärmelig, heimatverbunden. Ganz im Gegensatz zum CSU-Redner, dem Baron.

11.20 Uhr

Rundumschlag bei der AfD, Jörg Meuthen spricht über Merkel: "Es ist eines der großen Mysterien, warum ausgerechnet diese Frau Mutti genannt wird. Hat eher etwas von einer Domina, die sadistische Praktiken für das eigene Volk anbietet." Danach an der Reihe: die CSU unter "Heißluft-Horst", die "grüne Gruselbande", die SPD, die "nicht dumm ist, sondern nur Pech beim Denken hat", die FDP mit ihrem Parteichef Lindner: "Alle elf Minuten verliebt sich ein Liberaler in sich selbst." Aber derbe Sprüche reichten nicht aus, so Meuthen, man wolle "die Regierung aus ihren Ämtern jagen". Der offizielle AfD-Vormittag klingt früh aus. Drüben warten ja noch richtige Bierzelte und Volksfesttrubel.

11.24 Uhr

Im FDP-Zelt geht Christian Lindners Rede zu Ende. Mehr Bildung, mehr Digitalisierung, Flexibilität am Arbeitsplatz, flexibles Rentenalter, seine Lieblingsthemen hat er durch, auch die innere Sicherheit: "Der Staat muss besser organisiert sein als die Kriminalität", sagt er, man kennt den Spruch von seinen Wahlplakaten. Es ist eine Rede ohne Überraschungen, ohne Sprüchefeuerwerk. Am Schluss aber trägt Lindner dick auf, klingt wie ein Guru: "Machen Sie den nächsten Schritt in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung, krönen Sie Ihre Biografie: Werden Sie FDP-Mitglied!" Toll, flötet Kollnburgs FDP-Bürgermeisterin Josefa Schmid, als Lindner von der Bühne steigt, "tolle Rede". Dann macht sie ein Selfie mit Lindner, er zwinkert ihr zu. Die Kapelle spielt "So ein Mann, so ein Mann, zieht mich unwahrscheinlich an." Hach!

11.40 Uhr

Im Weinzelt ist Özdemir bei der Integration und fordert verbindliche Sprachkurse für alle Zuwanderer, schon wegen der Elternabende. Und wenn alle arbeiten dürfen, dann schweißt auch das zusammen, denn "s'Hemd schwitzt ned von alloi". Özdemir bringt sich als Ankläger dagegen durchaus selber ins Schwitzen, doch dann hat er es geschafft, große Entspannung, jetzt kann er auch mal lächeln. "Euer Bier schmeckt echt klasse", sagt er noch, aber mehr als ein Quartl fehlt nicht aus dem Masskrug. Die Grünen sind fast eine halbe Minute leidlich begeistert.

12 Uhr

Als Schulz endet, ist die Stimmung gut. Aber Fähnchen schwenken sie nur in den vorderen Reihen. In den hinteren Reihen bleiben sie sitzen.

13.07 Uhr

KT verlässt Abensberg - durchgeschwitzt, aber glücklich. Als Geschenk hat er diesmal einen Trachtenhut bekommen, eingepackt mit weiß-blauer Schleife und buntem Geschenkpapier. Auf der einen Seite bayerisch, auf der anderen Hollywood, sagt der CSU-Lokalmatador Neumeyer: "Also entscheide Dich."

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