Gewalt:15 000 Polizisten im Einsatz angegriffen

  • 2015 hat es mehr Fälle von Gewalt gegen Polizisten gegeben als zuvor.
  • Beamte werden angespuckt, beleidigt und verletzt - Innenminister Herrmann zeigt sich besorgt.

Von Lisa Schnell

Etwa die Geschichte mit der Eisenstange. Eigentlich ein harmloser Routineeinsatz: Ein Mann, der gerne laut Musik hört, ein Nachbar, den das stört. Klingeln, ein bisschen schimpfen, und dann ist die Sache für die Polizei meistens erledigt. Nicht so bei einem Einsatz in Fürstenfeldbruck. Die Polizisten haben gerade geklingelt. Die Tür geht auf. Eine Eisenstange schießt auf den Polizisten nieder. Sie donnert auf seine Schulter. Den Kopf konnte er gerade noch wegducken. Sonst wäre der wohl Matsch gewesen, er vielleicht tot.

Polizisten werden im Einsatz beleidigt, angespuckt, ein blaues Auge, ein Nasenbruch, das sind nicht selten die Nebenwirkungen dieses Berufs. Seit Jahren bewegt sich die Gewalt gegen die Staatsbeamten auf einem hohen Niveau, doch 2015 stiegen die Fälle um drei Prozent auf etwa 7000 - der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 2010. Das geht aus dem Bericht "Landeslagebild Bayern 2015" hervor, den Innenminister Joachim Herrmann diesen Mittwoch im Innenausschuss vorstellte.

Im Jahr 2015 wurden fast 15 000 Polizisten angegriffen. Jeder dritte Beamte wurde "beleidigt, bespuckt, bedroht, geschlagen oder getreten", so Herrmann. Beleidigungen machen mit 41 Prozent den Großteil der Fälle aus. Durch Angriffe verletzt wurden 2051 Beamte und damit fast neun Prozent mehr als 2014. Die Dienstausfalltage stiegen sogar um fast 60 Prozent. "Besonders erschreckend" nannte Herrmann die acht Tötungs- und Mordversuche, bei denen aber kein Polizist zu Tode kam. Betroffen sind vor allem Wach- und Streifenpolizisten, auf die 83 Prozent der Angriffe fallen.

Wer gegen Polizisten vorgeht, ist meistens männlich, deutsch und betrunken

In der ersten Reihe sitzt Andreas Mur. Auch er trägt Uniform, allerdings die der Feuerwehr. Gewalt im Einsatz kennt er trotzdem. "Der Klassiker ist, dass das Auto als Waffe benutzt wird", sagt er. Die Fahrer wollen nicht einsehen, dass die Feuerwehr die Straße sperrt und fahren einfach drauf los, manchmal auch direkt auf Personen zu. Auch Gewalt gegen Feuerwehrleute und Rettungsdienste sei ein "nicht zu vernachlässigendes Problem", sagte Herrmann.

Letztes Jahr gab es 198 Straftaten zum Nachteil von Rettungskräften, 2014 und 2015 waren es etwa sechs Prozent mehr als zuvor. Gewalt gegenüber Rettungskräften sei aber trotzdem "die Ausnahme", so Herrmann. Deswegen gibt es in diesem Bereich wohl auch keine so ausführliche Forschung wie bei Polizeibeamten. Hier liegen genauere Angaben vor.

Wer gegen einen Polizisten vorgeht, ist meistens männlich, deutsch, der Polizei bekannt und hoch promillelastig. Von Samstag auf Sonntag zwischen 21 und zwei Uhr nachts bekommen Polizisten am häufigsten die Faust zu spüren, in der Stadt öfter als auf dem Land. Betrunkene Männer, des nachts also. Die Bilder, vor denen Innenminister Herrmann seinen Vortrag hält, zeigen etwas anderes: Rote Flammen steigen von einem Polizeiauto auf, davor ein schwarz eingemummter Demonstrant, ein anderer haut einem Polizisten mit der Faust ins Gesicht.

Katharina Schulze von den Grünen verwundert das. Sie warnt vor "ideologischen Bildern". Laut Polizeiinspekteur Thomas Hampel werden nur fünf Prozent der Delikte auf besonderen Veranstaltungen verübt. In der Verurteilung der Gewalt sind sich aber alle Parteien einig. Jede Gewalttat sei eine zu viel, so Schulze. "Da wird der Rechtsstaat angegriffen", sagte Peter Paul Gantzer (SPD). Wie gegen die Übergriffe vorgegangen werden kann, da gehen die Meinungen auseinander.

Innenminister Herrmann ist für eine Verschärfung des Strafrechts. Ob nun der Strafrahmen von drei Jahren erhöht oder eine Mindestfreiheitsstrafe eingeführt wird, da ist er noch nicht festgelegt. Die Grünen bezweifeln allerdings, ob höhere Strafen einen Volltrunkenen abschrecken. Sie setzen auf Alkoholpräventionsprogramme. Gantzer von der SPD spricht sich für eine landesweite Sperrstunde aus. Auch nach der Tat bestehe Handlungsbedarf, so Peter Schall von der Gewerkschaft der Polizei. Immer häufiger gebe es Gegenklagen. Der Freistaat solle den vollen Rechtsschutz für Polizisten übernehmen. Bis jetzt tut er das nur, wenn sie nicht anderweitig versichert sind.

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