Gewalt auf der Wiesn:Brutal sicher

Besoffen und rücksichtslos: Auch wenn die Zahl der Straftaten auf dem Oktoberfest sinkt, macht die Gewalt auf der Wiesn der Polizei Sorgen. Die Täter werden immer unverfrorener und brutaler.

S. Simon und S. Wimmer

Ein 32-jähriger Australier stirbt nach Maßkrugschlägen auf den Kopf fast an Gehirnblutungen; am S-Bahnhof Hackerbrücke wird ein 65-jähriger Wiesngast von zwei Betrunkenen zu Boden gestoßen und erleidet einen Oberschenkelhalsbruch; an nur einem Wochenende werden fünf Frauen Opfer von betrunkenen Sexualtätern - Gewalt und Kriminalität rund um das Oktoberfest scheint in diesem Jahr deutlich zuzunehmen, die Wiesn gefährlicher denn je zu sein. Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer räumt ein: "Die Täter werden unverfrorener und brutaler." Zugleich fügt er aber hinzu: "Die Wiesn ist sicher."

177. Oktoberfest - Wiesnwache

Personenkontrolle auf der Wiesn: Polizisten dürfen nicht nach Gutdünken Menschen kontrollieren - das Gesetz zeigt ihnen Grenzen auf.

(Foto: dpa)

Dafür sprechen die statistischen Fakten: Zur Halbzeit der Wiesn sind die Einsatzzahlen konstant geblieben, die Zahl der Straftaten ist sogar gesunken: 555 waren es in der ersten Festwoche, im Vorjahr dagegen 736. Das schöne Wetter habe sicher zu der positiven Bilanz beigetragen, meint er, "und der Schwerpunkt, den wir auf die Prävention gelegt haben", sagt Schmidbauer im Gespräch mit der SZ. Denn die Polizei nimmt potentielle Schlägertypen schon vorab in Gewahrsam, um so Ausschreitungen zu verhindern. Das gilt auch für betrunkene Jugendliche: 30 Minderjährige hat die Polizei in diesem Jahr bereits einkassiert, bevor sie ein Zelt betreten konnten.

Diese Entwicklung bereitet Schmidbauer besonders Sorgen. Er spricht von einer "Erlebnisgesellschaft", die die Wiesn als Event sieht, von Jugendlichen, die mit dem Bierträger auf das Oktoberfest kommen, schon "vorgeglüht" haben und sturzbetrunken sind, bevor sie überhaupt ein Zelt von Innen gesehen haben.

Eine "neue Aufgabe" sei da auf die Polizei zugekommen: der Jugendschutz. Tatsächlich lesen die Beamten immer mehr Minderjährige auf, teilweise 13- oder 14-Jährige, die völlig betrunken, orientierungs- und hilflos über das Festgelände stolpern. Sie werden von den Beamten auf die Wiesnwache gebracht und die Erziehungsberechtigten verständigt.

Auch die Schwere der Straftaten bereitet Schmidbauer Kopfzerbrechen. Die Täter werden "brutaler", der Maßkrug immer öfter als Schlagwaffe eingesetzt. Nur im vergangenen Jahr gab es zur Halbzeitbilanz auffallend wenig Maßkrugschlägereien (2009: 18, 2010: 31). "Das könnte daran gelegen haben, dass wir im letzten Jahr auch in den Zelten optisch sehr präsent waren."

Diese Präsenz ist auch ohne aktuelle Bedrohung von islamistischen Terroristen hoch geblieben. 300 Beamten verrichten auf der Wiesnwache Dienst, 200 bis 500 Polizisten sind rund um die Theresienwiese im Einsatz. Als "Hochsicherheitstrakt" will Schmidbauer die Wiesn trotzdem nicht bezeichnen. "Wenn man bedenkt, dass an einem Samstag 500.000 Besucher auf das Oktoberfest strömen, ist die Zahl der eingesetzten Polizisten doch relativ gering." Die präventiven Maßnahmen sollen sich auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Wiesngäste niederschlagen. Schmidbauers Botschaft lautet: Die Wiesn ist sicher, genießt das Oktoberfest - aber haut nicht über die Stränge.

Wurde ein Besucher auf dem Oktoberfestgelände Opfer oder Zeuge einer Straftat, greift er meist sofort zum Handy. Ein Umstand, der der Polizei mehr Anzeigen verschafft und ihr gleichzeitig die Möglichkeit gibt, schnell am Tatort zu sein. Denn wer auf der Wiesn die 110 wählt, ist direkt mit der Einsatzzentrale der Wiesnwache verbunden. Und die Polizisten dort haben sich laut Schmidbauer zu wahren Experten des Festgeländes entwickelt. "Die kennen mittlerweile jede Aufschrift auf Zelten oder Wirtsbuden und können sofort orten, wo sich der Anrufer befindet."

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