Gespräch mit Imkerverband-Präsident:Wer ist Schuld am Bienensterben?

Erst stirbt die Biene, vier Jahre später der Mensch. Prognosen wie diese alarmieren immer mehr Imker. Denn die Zahl der in Bayern lebenen Bienenvölker hat sich halbiert. Im Gespräch kritisiert der Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes die Landwirte, aber auch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner.

Von Stephanie Schwaderer

Erst stirbt die Biene, vier Jahre später der Mensch. Prognosen wie diese, die Albert Einstein zugeschrieben wird, rufen in Bayern immer mehr Hobbyimker auf den Plan. Walter Haefeker aus Seeshaupt kämpft auf einer ganz anderen Ebene um die Zukunft der bayerischen Honigbiene: Der 52-Jährige ist Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes und Leiter der Arbeitsgruppe Gentechnik im Weltimkerverband Apimondia.

SZ: Ihre Bienen stehen auf einem Naturland-Hof am Ammersee. Zur Blütezeit fahren Sie sie in die Obstplantagen der Bio-Kelterei Perger. Ist das der Anfang von amerikanischen Verhältnissen in Oberbayern?

Walter Haefeker: Das kann man so sagen. Vor zehn Jahren war das Thema Bestäubung für Obstbauern wie Johannes von Perger kaum relevant. Inzwischen bekomme ich in jedem Frühjahr einen nervösen Anruf: "Sag mal, wie sind deine Bienen durch den Winter gekommen? Fahren wir mal die Anlagen ab, wo heuer die Stellplätze sein werden?" Früher waren die Bienen in den Bäumen so selbstverständlich wie der Wind. Heute müssen sich die Obstbauern darum kümmern, dass sie zu ihnen kommen. Und teilweise wird dafür wie in Amerika auch schon bezahlt.

In Bayern gibt es immer mehr Hobbyimker, aber immer weniger Bienen. Was läuft falsch?

Die Bienen verschwinden am schnellsten aus dem ländlichen Bereich. Dort hören viele ältere Imker auf, die oft eine beachtliche Zahl Völker als Zubrot gehalten haben. Es kommen zwar viele junge, engagierte Imker nach, gerade auch in den Städten, wo die Biene mittlerweile oft bessere Lebensbedingungen vorfindet als auf dem Land, aber diese Imker haben meist nur ein bis drei Völker im Garten stehen. Die Standplätze in der Agrarlandschaft verwaisen.

Können Sie den Rückgang beziffern?

Vergangenes Jahr hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft am Odeonsplatz eine Gedenkfeier abgehalten für die Bauernopfer von Gerd Sonnleitner während seiner Amtszeit als Präsident des Bayerischen Bauernverbands. Ich habe dazu einen Blick in die Statistiken geworfen: Die Zahl der Bienenvölker in Bayern hat sich unter Sonnleitner ebenso halbiert wie die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe. Derzeit gibt es noch etwa 160 000 Völker.

Zwischen Bienen und Bauern besteht ein solch enger Zusammenhang?

Das Stichwort heißt Strukturwandel. Die Landwirte halten es inzwischen offenbar für normal, dass sie unter dem Motto "Wachse oder weiche" immer weniger werden. Damit geht die Tendenz einher, dass auf immer größeren und spezialisierten Betrieben immer effizienter gearbeitet wird und zum Beispiel auch immer größere Maschinen zum Einsatz kommen. Auch in diesem Frühjahr wird es wieder zu den bekannten Mähverlusten kommen: Bienen und andere Bestäuber, die in den Löwenzahnblüten sitzen, bleiben auf der Strecke.

Studien belegen, dass bei einer Mähaktion ein Bienenvolk leicht einmal ein Kilo Bienen, also fast alle Flugbienen verliert.

Kann ein solches Volk sich erholen?

Das hängt davon ab, in welchem Entwicklungsstadium es sich befindet. Wenn die Abteilung Sammeln wegbricht, bedeutet das einen enormen Stress: Bienen, die eigentlich noch nicht mit dem Fliegen dran wären, übernehmen diese Aufgabe. Was an Pollen und Nektar eingetragen werden sollte, ist aber nicht verfügbar, weil die Blüten abgemäht sind. Das nennt man Ernteschock. Das Volk reagiert, indem es bereits angelegte Brut wieder aus den Zellen reißt.

Lebensweise der Biene erfordert viel Intelligenz

Was bräuchten die Bienen?

Vielfalt. Eine vielfältige Pollenversorgung über das Jahr hinweg, einen kontinuierlichen Nektarstrom und generell Rücksichtnahme. Aber die Bauern stehen unter Druck. Immer mehr weichen auf Biogas aus. Grünland verschwindet. Der Pestizideinsatz steigt. Dabei geht es den Bienen in Oberbayern noch vergleichsweise gut. Wo wir noch bäuerliche Familienbetriebe haben und eine gemischte Kulturlandschaft aus Grünland, Wald und Naturschutzgebieten, da besteht noch die Chance, agrarpolitisch umzusteuern - eine Aufgabe, für die es sich lohnt, gemeinsam zu kämpfen.

Sieht das der Bayerische Bauernverband genauso?

Da müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Aber es gibt ja auch andere Bauernverbände wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft oder den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, mit dem wir eine bienenfreundlich produzierte Milch entwickelt haben. (Kasten)

Sie sind ein vehementer Kritiker der Agrogentechnik und der Pestizid-Industrie. Die Varroa-Milbe, die in den vergangenen Jahren hauptsächlich für das Bienensterben verantwortlich gemacht wurde, hat in Ihren Vorträgen nicht das gleiche Gewicht. Warum?

Die Imkerei ist mit dem Auftreten der Varroa-Milbe schwieriger und aufwendiger geworden. Wenn ich ein stark befallenes Volk vor mir habe, stellt sich mir jedoch die Frage: Ist die Milbe Ursache oder Symptom? Brüssel denkt gerade darüber nach, bestimmte Pflanzenschutzmittel zu verbieten, und das nicht nur, weil unsere Bienen verschwinden, sondern weil es Wildbienen oder Hummeln genauso ergeht. Bei diesen kann weder die Varroa-Milbe noch der inkompetente Imker ein Faktor sein.

Welche Auswirkungen haben diese Pflanzenschutzmittel?

Die meisten derzeit verwendeten Insektizide sind Nervengifte. Wir alle kennen bestimmte Nervengifte, nämlich Alkohol in Form von Bier oder Schnaps, und wissen, dass die subletalen Wirkungen - dass ich etwa nicht mehr vernünftig Auto fahren kann - lange vor einer tödlichen Wirkung des Giftes einsetzen. Bei der Zulassung dieser Pflanzenschutzmittel ist bislang nahezu ausschließlich die tödliche Dosis berücksichtigt worden.

Wie sehen die subletalen Effekte bei Bienen aus?

Sie können sich nicht mehr richtig orientieren oder geben ihren Kolleginnen beim Schwänzeltanz keine korrekten Informationen über die Futterquellen mehr weiter. Ihr Putz- und Hygieneverhalten leidet. Oder sie halten, was besonders fatal ist, die exakte Bruttemperatur nicht mehr ein. Die Lebensweise der Biene erfordert eine hohe Intelligenzleistung. Imker auf der ganzen Welt machen seit Jahren auf die schädliche Wirkung der sogenannten Neonikotinoide aufmerksam.

Die Europäische Kommission will auf Vorschlag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einige dieser Stoffe verbieten. Woran hakt der Beschluss?

Vor allem Deutschland und England treiben in Brüssel quer. Die Vermutung liegt nahe, dass Deutschland die Interessen von Bayer vertritt und England die von Syngenta - beide Konzerne produzieren die entsprechenden Gifte. Bei der ersten Abstimmung Mitte März gab es ein Patt. Die Kommission will den Vorschlag nun Ende April in einen Berufungsausschuss einbringen.

Wie verhält sich Verbraucherministerin Ilse Aigner in dieser Frage?

Sie lässt schöne Worte darüber verlauten, dass Deutschland schon viel für den Bienenschutz getan hat. Und zugleich sind ihre Mitarbeiter in Brüssel unterwegs und versuchen, eine Mehrheit gegen das vorgeschlagene Verbot zu organisieren. Diese Neonikotinoide sind systemrelevant - bestimmte Arten, mit der Agrarlandschaft umzugehen, sind nur möglich, wenn diese Mittel zur Verfügung stehen. Deshalb ist die Lobbyschlacht so groß.

Wie sieht es beim Thema Gentechnik aus?

Ende 2011 haben wir vor dem Europäischen Gerichtshof einen wichtigen Prozess gewonnen: Die Verbraucher dürfen wissen, ob im Honig Gentechnik ist oder nicht. Dieses Jahr versucht die EU-Kommission, dieses Urteil wieder zu unterlaufen. Wichtig wird, welche Position Frau Aigner da einnimmt. Angeblich ist die CSU ja für ein gentechnik-freies Bayern. Wenn beim Anbau von Gentechnik weiterhin Sicherheitsabstände zu den Bienenständen eingehalten werden müssen, wird Bayern tatsächlich gentechnikfrei sein. Bisher haben wir keine klare Aussage vom Landwirtschaftsministerium bekommen.

Walter Haefeker kämpft um bessere Lebensbedingungen für Bienen. Der 52-Jährige aus Seeshaupt ist Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes und Leiter der Arbeitsgruppe Gentechnik im Weltimkerverband Apimondia.

In einigen Supermärkten gibt es seit kurzem Milch und Butter unter dem Namen "Sternenfair" zu kaufen - eine Weiterentwicklung des Konzepts "Die faire Milch". Neu ist das Siegel "Certified Bee Friendly". Es signalisiert, dass die zuliefernden Milchbauern gezielt bienenfreundlich arbeiten, also auf Gentechnik und bienengefährliche Spritzmittel verzichten, bewusst die Mähgeschwindigkeit reduzieren und Blühflächen bereitstellen.

Information: Siegel soll helfen

Das Siegel wurde in der Fachberatung Imkerei des Bezirks Oberbayern von Milchbauern, Imkern, Umwelt- und Verbraucherschützern entwickelt und ist mittlerweile von Imkerverbänden auf der ganzen Welt übernommen worden. Ein Baumwoll-T-Shirt kann ebenso mit dem Bienen-Siegel ausgezeichnet werden wie Bio-Gas, wenn die Anlage mit Blühpflanzen betrieben wird. Die zuliefernden bayerischen Milchbauern, die sich von einer unabhängigen Zertifizierungsstelle kontrollieren lassen, bekommen 40 Cent pro verkauftem Liter bezahlt. Da die Kühe überdurchschnittlich viel Raufutter fressen, enthält ihre Milch einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren und gilt als besonders gesund. Informationen unter www.sternenfair.de

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