Geschichte:Eichstätt bekommt eine Ausstellung zur Hexenverbrennung - ohne Geld von Politik oder Kirche

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Kastner zeigt auch die Kopie eines Bildes der Folterkammer mit zahlreichen Folterinstrumenten. (Foto: Institut für Kunst und Forschung)

Sogar der Bürgermeister der Stadt kam im 17. Jahrhundert auf den Scheiterhaufen. Aktionskünstler Wolfram Kastner will an die zahlreichen Schicksale erinnern - steht damit aber wohl ziemlich allein.

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Ursula Bonschabin, die Ehefrau des Eichstätter Bürgermeisters Lorenz Bonschab, wurde am 1. März des Jahres 1627 verhaftet, weil sie "aufgrund von 16 soliden und beim eigenen Leben beschworenen Denunziationen" der Hexerei verdächtig sei. Sie schwor beim Namen Gottes, dass ihr Unrecht geschehe und sie nichts zu gestehen habe. Also ist man mit ihr "ad locum torturae", zum Ort der Folter gegangen und hat sie dort "zum Zug gebunden".

Sie aber habe gesagt, heißt es im Protokoll, wenn man sie so hart peinige, dass sie etwas zugeben müsse, dann werde sie bei so einem falschen Bekenntnis nicht bleiben. "Ob dieser Halsstarrigkeit", vermerkte der Protokollführer, "ist sie nun ein wenig gerüttelt und dann aufgezogen worden." "Aufziehen" bedeutet: An den auf den Rücken gebundenen Händen hochziehen - eine Foltermethode, wie sie 300 Jahre später auch SS-Schergen in den deutschen Konzentrationslagern praktizierten.

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"Ich kann das immer nur fünf Minuten lesen, weil mir das so an die Nieren geht", sagt der Maler und Aktionskünstler Wolfram Kastner in seinem Atelier in der Münchner Schellingstraße. Elfmal hat man Ursula Bonschabin "in loco torturae" geführt, weil sie immer wieder die unter Folter erpressten Aussagen widerrief, bis sie schließlich, körperlich und seelisch gebrochen, alles, was man ihr vorhielt, gestand und 33 weitere Frauen und Männer bezichtigte, "auf teuflischen Conventen" mit dem Leibhaftigen getanzt, getrunken und gebuhlt zu haben. Am 8. Mai 1627 wurde sie auf dem Galgenberg vor den Toren Eichstätts "durch das Schwert gerichtet und darauf verbrannt".

"Die ganze Familie hat man ausgerottet", sagt Wolfram Kastner. Schon 1619 war ihre Mutter Eva Möringen als Hexe verbrannt worden, ein Jahr später ihre Schwägerinnen Walburga und Maria, und schließlich im Dezember 1627, sieben Monate nach der Hinrichtung seiner Ehefrau, Lorenz Bonschab selbst, den Eichstätter Bürgermeister.

Die Verfolgung, Folterung und Ermordung von Zehntausenden Frauen und Männern, die als Hexen oder Hexenmeister verleumdet wurden, ist ein finsteres, aber durchaus gut erforschtes Kapitel in der europäischen Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. Es gibt zahllose Bücher und wissenschaftliche Arbeiten über diesen religiösen Wahn, der 1487 durch den "Hexenhammer" des Dominikanermönchs Heinrich Kramer angestachelt und vom Papst Innozenz III. ausdrücklich gebilligt wurde. "Aber es ist doch noch was anderes, wenn man so was konkret auf eine Person bezogen nachliest", sagt Kastner.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Andere mögen sich vielleicht etwas gruseln, den Kopf schütteln über die wahnwitzige Verbohrtheit, mit der geistliche und weltliche Richter mehr als zweihundert Jahre lang völlig unschuldige Mitbürger ermorden ließen - und dann zur Tagesordnung übergehen. Bei Wolfram Kastner ist das anders. Ihm lässt es keine Ruhe, wenn er das Gefühl hat, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit einfach ad acta gelegt oder unter den Teppich gekehrt werden.

Im Münchner Umland hat sich Kastner einen Namen gemacht mit seinen Aktionen gegen die Verdrängung nationalsozialistischen Unrechts. Regelmäßig erinnert er auf dem Königsplatz an die Bücherverbrennungen der Nazis. Er hat gegen die Heldengedenkveranstaltungen der Mittenwalder Gebirgsjäger protestiert. Auf einem Salzburger Friedhof hat er die Schleifen von den Kränzen abgeschnitten, die von SS-Veteranen zum Andenken an ihre Waffenbrüder niedergelegt wurden. In Dietramszell hat er den an der Außenmauer des Klosters angebrachten Bronzekopf des ehemaligen Reichspräsidenten Hindenburg abmontiert; dafür hat man ihn beim Faschingsumzug symbolisch an den Galgen gehängt.

Manchen Leuten geht er schrecklich auf die Nerven, sie halten ihn für einen Querulanten und Provokateur. "Aber ich provoziere nicht", sagt Kastner. "Ich werde provoziert. Die Nazis interessieren mich eigentlich nicht. Mich interessiert, was heute in unseren Köpfen vorgeht. Mir geht es immer darum, wie wir mit unserer Geschichte umgehen, und was wir aus ihr gelernt haben."

Dass er auf Eichstätt gestoßen ist, ist eher ein Zufall. Ein Bekannter hat ihm erzählt, dass im Eichstätter Stadtarchiv die Abschriften eines Teils der Akten über die Hexenprozesse in der Bischofsstadt liegen. Der herzoglich leuchtenbergische Hauptkassier Joseph Brems hat sie in den Jahren 1820 bis 1840 von den kaum leserlichen Originalen im Eichstätter Diözesanarchiv in säuberliche Sütterlinschrift übertragen. "Eichstätt war neben Bamberg und Würzburg eines der Zentren der Hexenverfolgung in Bayern", sagt Kastner.

Der Fürstbischof Johann Christoph von Westerstetten war die treibende Kraft hinter den Eichstätter Hexenprozessen. Die Akten von 226 Verurteilten sind erhalten, etwa ein Fünftel davon Männer. Viele angesehene und wohlhabende Bürgerinnen und Bürger waren darunter - nicht nur der Bürgermeister und seine Familie, auch eine Bäckermeisterin, eine Bierbrauerin, vier Hebammen.

Der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner. (Foto: Institut für Kunst und Forschung)

Konnte man das auf sich beruhen lassen? Da wurden Hunderte Menschen ermordet, obwohl nicht der leiseste Zweifel an ihrer Unschuld besteht. Wer erinnert sich an ihre Namen? Wurden sie jemals in aller Form rehabilitiert? Ist jemand mal der Frage nachgegangen, was aus dem Vermögen und den Häusern der Verurteilten wurde, die nach den Prozessen konfisziert wurden?

Kastner ließ sich einiges einfallen. Mit ein paar Freunden stellte er sich auf den Eichstätter Domplatz; eine Stunde lang lasen sie die Urteile aus den Prozessakten vor. Sie nagelten, wie einstmals Martin Luther, ein Plakat an die Domtür und forderten eine öffentliche Diskussion über die Hexenprozesse. Sie benannten eine Gasse neben dem Rathaus kurzzeitig in "Ursula-Bonschab-Gasse" um.

Sie schrieben an den Stadtrat und forderten die Errichtung eines Denkmals, auf dem die Namen aller in Eichstätt als Hexen und Zauberer hingerichteten Frauen und Männer stehen sollten. Die Stadt lehnte das ab: Es gebe doch schon ein Denkmal, weit außerhalb der Stadt am Ort der früheren Richtstätte. "Das kennt doch kaum jemand in Eichstätt", sagt Kastner. "So ein Denkmal gehört mitten in die Stadt, und es muss die Namen der Opfer nennen, denen das Leben und die Ehre geraubt wurde."

Keine Unterstützung für die Ausstellung

Ein Denkmal wird es also nicht geben, aber eine Ausstellung. Seit dem Wochenende präsentieren Wolfram Kastner und sein Mitstreiter Claus-Peter Lieckfeld bis zum Freitag, 15. September, in der ehemaligen Johanniskirche am Domplatz auf 45 Tafeln Dokumente und Kunstwerke zur Hexenverfolgung in Eichstätt. Auch diese Ausstellung kam nur mit einigen Mühen zustande. Bitten um finanzielle Förderung verhallten ungehört. Weder die Stadt noch die Diözese, weder die Städtische Sparkasse, noch die Petra-Kelly-Stiftung der Grünen, die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU und die Thomas-Dehler-Stiftung der FDP würdigten die Initiatoren auch nur einer Antwort. Als einziger leistet jetzt der Bund für Geistesfreiheit einen finanziellen Beitrag zu der Ausstellung.

Auch bei der Einladung zu einem "öffentlichen Gespräch" über die Hexenverfolgung in Eichstätt haben sich Kastner und Lieckfeld eine Absage eingeholt. An dem Gespräch werde "der Hochwürdigste Herr Bischof Gregor Maria Hanke OSB weder selbst teilnehmen noch einen geistlichen Vertreter beauftragen", ließ Generalvikar Isidor Vollnhals die beiden Veranstalter wissen. Die katholische Kirche habe, so hieß es weiter, "eine jahrhundertealte Gedenkkultur". Sie sei sich dabei auch bewusst, "dass im Laufe ihrer fast 2000-jährigen Geschichte Vertreter der Kirche Fehler gemacht haben".

"Wegen Hexerey! Gefangen - Gefoltert - Verbrannt." Ehemalige Johanniskirche, Domplatz 8, Eichstätt. Täglich 11 bis 18 Uhr. Bis 15. September.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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