Geschichte:Der Schatz der Cadolzburg

Cadolzburg

Die Cadolzburg im Landkreis Fürth gilt als eine der repräsentativsten Burganlagen Bayerns.

(Foto: © Bayerische Schlösserverwaltung)

72 Jahre nach ihrer Zerstörung in den letzten Kriegstagen wird der Sitz der Hohenzollern endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Von Olaf Przybilla

Mit wenig kann man erfahrungsgemäß Menschen aus Altbayern tiefer in Verzweiflung treiben als mit fränkischer Geschichte. Franken? Das sind doch diese notorischen Protestanten aus dem Norden Bayerns. Nein, Verzeihung, so einfach ist es nicht und war es nie. Will man etwa erklären, was die Cadolzburg so besonders macht in diesem historisch ohnehin über alle Maßen komplexen Landstrich; und will man Altbayern nicht von vornherein allen Mut nehmen, dass sie diesen Sonderfall fränkischer Geschichte jemals verstehen werden - so kommt es womöglich gelegen, dass diese Ratlosigkeit und Verzweiflung angesichts fränkischer Komplexität beileibe kein Problem der Neuzeit ist.

Der Wittelsbacher Herzog Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut war es, dem es etwa 1460 gegen die Bewohner der Cadolzburg zu ätzen beliebte: Von jenen wisse kein Mensch, ob sie nun "Franken, Bayern, Schwaben oder Niederländer" seien. Während er, der große Ludwig aus Landshut, und überhaupt das ganze Herzoghaus einer "hohen und redlichen Herkunft" sich rühmen dürfe.

Die Replik auf diese altbayerische Rüpelei ist leider nicht überliefert. Sie dürfte aber, zumindest in den Mauern der Cadolzburg, in etwa so ausgefallen sein: Ja, Würstchen zu Wittelsbach, es mag so hoher und redlicher Herkunft nicht zugänglich sein, wer wir sind. Das aber dürfen wir Euer Gnaden auszurichten uns anheischig machen: Wir sind einfach wichtiger und größer als ihr. Und das mag uns reichen.

Was also ist die Cadolzburg und wer waren ihre Bewohner? Zunächst: Die Burg wird an diesem Samstag mit allem, was dazu gehört (also auch Markus Söder), wiedereröffnet und damit, darf man sagen, bereits 72 Jahre nach Weltkriegsende für die interessierte Öffentlichkeit angemessen zugänglich gemacht. Das ist leider kein Witz: Jene Burg, auf der mindestens eines der wichtigsten Herrschaftshäuser deutscher Geschichte, wenn nicht das wichtigste, seinen Zug an die Spitze des Reiches begann, diese Burg durfte bislang als halbhermetisch gelten.

Honoratioren konnten hier angelegentlich Reden halten, wer sich aber als Tagesgast anschauen wollte, wo die Hohenzollern ihren Durchbruch von einer Durchschnittsdynastie in den Kreis der vornehmsten Geschlechter des Alten Reiches vollzogen hatten, stand vor verschlossenen Toren. Die Burg war im Zweiten Weltkrieg - sie war seit 1934 Standort einer HJ-Gebietsführerschule - schwer getroffen worden. Der Wiederaufbau dauerte Jahrzehnte, aus ihrem Dämmerzustand ist die Festung seither nie wieder erwacht.

Mit Friedrich I. und Albrecht begann der Siegeszug der Zollern

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, warum das so war. Offenkundig aber ist es, dass die - vornehm gesprochen - Interesselosigkeit für die historischen Bewohner der Cadolzburg lediglich auf die Nachkriegsgeschichte in Bayern zutrifft. Im 19. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Hohenzollern-Herrscher, war das völlig anders: Nur an wenigen Fürsten des späten Mittelalters haben sich Historiker ähnlich sorgfältig abgearbeitet wie an den ersten Hohenzollern auf der Cadolzburg.

Aus naheliegenden Gründen: Mit den Fürsten Friedrich I. und Albrecht beginnt der Siegeszug der Zollern zum deutschen Herrscherhaus schlechthin. Warum dieses preußische Grundlagen-Detail im Staate Bayern nicht von so großer Relevanz und die Burg also lange nicht von allerhöchster Priorität war - mag man sich denken.

Zu beklagen war es allemal. Immerhinwerden die Hohenzollern gemeinhin mit ihrem Stammland in Verbindung gebracht, im heutigen Baden-Württemberg. Und natürlich mit Brandenburg, respektive Preußen. Dass sie auch Burggrafen von Nürnberg waren, sich dort nach oben arbeiteten, diese Festung aber an die Stadt abtreten mussten und sich als Markgrafen in Ansbach und Kulmbach Meriten erwarben, muss wohl als Spezialwissen gelten. In Cadolzburg, heute im Kreis Fürth gelegen, baute sich der vormalige Nürnberger Burggraf Friedrich VI. eine Macht als Regionalfürst auf, die im 15. Jahrhundert ihres gleichen suchte: Als Friedrich I. wurde er zum Kurfürsten von Brandenburg erhoben. Er war damit der erste aus dem Hause Hohenzollern, der in die edle Riege der Königswähler vordringen konnte. Heute würde man sagen: eine Ikone des Hauses.

"Besser ein reicher Burggrave, wen ein armer Kurfürste"

Wie Kurfürst Friedrich I. seine Macht von seiner Stammburg aus, 20 Kilometer westlich von Nürnberg gelegen, organisierte, ist heute kaum vorstellbar. Ein Briefbote aus Cadolzburg brauchte für die rund 500 Kilometer nach Berlin-Cölln, ins Herz des Kurfürstentums, durchschnittlich etwa sechs Tage. Trotzdem gelang es Friedrich offenbar, seine landesfürstliche Autorität in der Mark durchzusetzen und das Land weitgehend zu befrieden. Und wurde doch, wie der Regensburger Historiker Reinhard Seyboth urteilt, in Brandenburg nie wirklich heimisch: "Zu andersartig waren der Charakter der Mark und die Mentalität seiner Bewohner im Vergleich zu Friedrichs geliebter fränkischer Heimat."

Dass Friedrich sich dorthin, nach Franken, zurücksehnte, lässt sich schon daran ablesen, dass er sich in seiner Zeit als Kurfürst insgesamt nur etwa drei Jahre in der Mark aufhielt. Auch seine Nachfolger, hat Seyboth beobachtet, verglichen insgeheim das ferne, problembehaftete Brandenburg mit der wohlgeordneten und prosperierenden Heimat in Franken. Von einem der Cadolzburger Hohenzollern ist der Spruch überliefert: "Besser ein reicher Burggrave, wen ein armer Kurfürste."

Ein Machtpolitiker, der von seiner Stammburg in Franken aus möglichst wenig mit Berlin zu tun haben will: Das führt direkt zu Markus Söder. Es dürfte nicht jedem gefallen, aber die Tatsache, dass diese - zumindest vor dem Krieg - "Burganlage von Weltrang" (Bernd Schreiber, Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung) nun doch noch aus einem dumpfen Schlaf erwacht, hat viel mit Söder zu tun. Was sich beweisen ließe: Vor dessen Zeit als Finanzminister war die Cadolzburg sogar für höhere Weihen im Gespräch.

Das Deutsche Burgenmuseum sollte dort eine Heimat bekommen. Daraus aber wurde nichts. Die Initiatoren, allen voran Ulrich Großmann, renommierter Burgenforscher und Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums, wurden sich nicht einig mit dem damaligen Finanzminister, einem Münchner. Im Herbst 2016 wurde das Deutsche Burgenmuseum, das als Haus von europäischem Rang gilt, schließlich eröffnet. Aber nicht in Bayern, sondern im Süden von Thüringen, auf der Heldburg im Kreis Hildburghausen.

Dazwischen lagen Grabenkämpfe, die mittelalterlichen Turnierduellen nicht unähnlich waren: "Das mit der Cadolzburg hat die Staatsregierung verbockt", ließ sich etwa Großmann zitieren. Und wie es mitunter so ist mit verschmähten Liebeswerbern: Plötzlich, wo das Museum nun in Thüringen gedieh, wurde die Cadolzburg dem Generaldirektor zum "Betonbunker mit alten Fassaden", überdies "saumäßig schlecht saniert".

Was übrigens nicht an allen Stellen der Unwahrheit und also übler Nachrede eines Verschmähten entspricht. Die Jahrzehnte lieblosen Brachliegens haben der schwer getroffenen Burg offenkundig nicht überall gutgetan. Was wiederum Söder nicht abhalten konnte, eine "Erlebnisburg" für Franken durchzudrücken. Das Deutsche Burgenmuseum in Thüringen, hat er sich einmal zitieren lassen, sei jedenfalls "deutlich langweiliger" als das, was auf der Cadolzburg entstehen solle.

Die beiden Kuratoren der neuen Präsentation, Sebastian Karnatz und Uta Piereth, kümmern solche Vergleiche wenig. Sie haben eine Schau entworfen, die sich um Familien und Schulklassen ebenso kümmert, wie um denjenigen, der immer schon wissen wollte, was es mit den Hohenzollern eigentlich auf sich hat. Friedrich I. war bald nicht mehr nur Kurfürst. Er wurde vom Kaiser für die Zeiten eigener Abwesenheit auch zu seinem Stellvertreter erkoren. Eigentlich wäre das laut Goldener Bulle, dem ersten Reichsgrundgesetz, einem anderen Kurfürsten zugefallen, nicht jenem aus Brandenburg. Aber Friedrich drängte sich nun einfach auf. Die Zollern waren bald nicht mehr aufzuhalten.

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