Geldstrafe für Gynäkologen:Besonders teure Behandlung

Mal hob die Arztgattin 21 000 Euro vom Konto einer 90-jährigen Patientin ab, ein anderes Mal sogar 33 000 Euro: Am Ende soll der Gynäkologe aus dem Allgäu 120 000 Euro erhalten haben. Viel zu viel, findet das Berufsgericht in München.

Von Christian Rost

Wenn sich ein Arzt von Patienten größere Geldsummen schenken lässt, kann ihm das erheblichen Ärger einbringen. Ein 72-jähriger Mediziner aus dem Westallgäu musste sich jetzt am Berufsgericht für Heilberufe in München gegen den Vorwurf wehren, dass er das Vertrauensverhältnis zu einer betagten Dame finanziell für sich ausnutzte. Die Landesärztekammer hielt ihm vor, mehr als 120 000 Euro aus dem Vermögen der Frau an sich gebracht zu haben.

Der Mediziner ließ sich Ende der Achtzigerjahre in einem kleinen Städtchen im Landkreis Lindau als Frauenarzt nieder. Dort lebte er auch mit seiner Frau und seinen beiden Kindern. Die Ehefrau arbeitete jahrelang in der Praxis ihres Mannes als leitende Arzthelferin. Zu den Patienten zählte auch eine Ärztin im Ruhestand, die abgesehen von einer Adoptivtochter in Hamburg keine Angehörigen mehr hatte.

50 000 Euro auf das gemeinsame Konto

Als die Dame altersbedingt Unterstützung benötigte, bot sich die Frau des Gynäkologen als Hilfe an, woraus sich ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu der Seniorin entwickelt habe, wie der Beschuldigte vor Gericht sagte. Auch er selbst und seine Kinder hätten die Bekannte rasch ins Herz geschlossen und sie mit auf Reisen genommen sowie zu besonderen Gelegenheiten wie Weihnachten zu sich nach Hause eingeladen.

Seine Frau, so der Arzt weiter, habe sich als ausgebildete Krankenschwester dann noch jahrelang aufopferungsvoll um die zuletzt 90 Jahre alte, pflegebedürftige Dame gekümmert. "Jeden Tag vier Stunden" sei seine Frau als Pflegekraft im Einsatz gewesen. Dafür habe sich die Patientin erkenntlich zeigen wollen und seiner Frau und den Kindern größere Geldsummen zukommen lassen. Er habe nichts bekommen.

Einmal überwies die Patientin allerdings 50 000 Euro auf das gemeinsame Konto des Ehepaares, dann waren es 12 500 Euro, zudem hob die Arztgattin, ausgestattet mit einer Vollmacht der Pflegebedürftigen, einmal 21 000 Euro und bei anderer Gelegenheit 33 000 Euro von deren Konto für sich ab. Die Konten waren dann jeweils leergeräumt, wobei sie sich angesichts der üppigen Ruhestandsversorgung der ehemaligen Ärztin von monatlich rund 7000 Euro rasch wieder füllten.

Grenze des Arztseins überschritten

Noch zwei Wochen vor dem Tod der Dame wurde das Konto um weitere 7500 Euro erleichtert. Und nach deren Tod im Jahr 2010 stritt sich die Arztehefrau mit der Adoptivtochter vor dem Oberlandesgericht um das Erbe: Die Frau des Gynäkologen verlangte die Herausgabe von Schmuck im Wert von 100 000 Euro aus einem Bankschließfach, den die Verstorbene ihr versprochen habe. Der Streit endete mit einem Vergleich: Die Klägerin erhielt ein Collier, eine Kette und einen Ring im Wert von gut 30 000 Euro.

Die Landesärztekammer, vertreten von deren Rechtsreferenten Peter Kalb, warf dem inzwischen pensionierten Gynäkologen vor, sein Arztsein mit der Entgegennahme von Zuwendungen verknüpft zu haben. "Sie haben eine Grenze überschritten", sagte Kolb mit Verweis auf die Berufsordnung, die es Ärzten ausdrücklich untersagt, von Patienten Geschenke für sich oder Dritte zu fordern und entgegenzunehmen. Auch der Vorsitzende Richter Joachim Eckert meinte, wenn der Arzt oder dessen Frau die Geldzahlungen mit einem Schenkungsvertrag oder einem Pflegevertrag in einen juristisch einwandfreien Rahmen gebracht hätten, wäre die Sache nicht angreifbar.

So aber blieben beim Gericht erhebliche Zweifel: Denn der Gynäkologe bestritt zunächst sogar, dass er die Dame regelmäßig behandelt hatte. Die Ärztekammer konnte ihm anhand von Abrechnungen aber leicht nachweisen, dass sie sehr wohl zu seinen Patientinnen zählte.

Er darf die Strafe in Raten abstottern

Während der Frauenarzt mit stockender Stimme darauf beharrte, dass es der feste Wille der alten Dame gewesen sei, sich bei seiner Frau erkenntlich zu zeigen, wiegelte sein Verteidiger schon ab: "Ihm ist schon bewusst, dass die Sache nicht einwandfrei gelaufen war." So sah es auch das Berufsgericht: "Die Summe sprengt den Rahmen der Nachbarschafts- oder Freundschafthilfe", so der Vorsitzende Eckert. "Ein Arzt muss sich die Neutralität zu jedem Zeitpunkt wahren."

Der Frauenarzt wurde letztlich schuldig gesprochen und zu einer Geldbuße von 4800 Euro verurteilt. Er nahm das Urteil an. Die Strafe darf er nun in Raten abstottern, weil er momentan finanziell keinen großen Spielraum hat.

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