Gegenwind:Mal so, mal so

Grundsätzlich ist der Bund Naturschutz für mehr Winderäder - nicht jedoch am Wagensonnriegel im Bayerischen Wald

Von Christian Sebald

Der Windpark am Wagensonnriegel im Bayerischen Wald ist eines der wenigen Windkraftprojekte, das auch nach Erlass der umstrittenen Abstandsregelung der Staatsregierung noch möglich ist. Denn der 959 Meter hohe Gipfel liegt in einem so lang gezogenen Waldrücken, dass dort 14 Windräder errichtet werden könnten - völlig abgeschieden von den nächsten Orten Frauenau, Zwiesel, Regen, Rinchnach, Kirchdorf im Wald und Spiegelau. Ob sich am Wagensonnriegel freilich jemals Windräder drehen werden, ist ungewiss. Denn die Anlagen werden massiv bekämpft - an vorderster Front von Umweltschützern, die ansonsten Windkraft befürworten und sich als Anhänger der Energiewende bezeichnen. An diesem Sonntag zeigt sich nun, wie es mit den ersten vier Windrädern weitergeht. In Frauenau findet dazu eine Bürgerbefragung statt.

Am Streit um den Wagensonnriegel lässt sich exemplarisch studieren, dass in der Umweltszene längst nicht ausdiskutiert ist, was im Zweifelsfall den Vorrang hat: ein Bergwald mit vielen seltenen Tieren oder die Energiewende vor der eigenen Haustür. Der Bund Naturschutz (BN) ist in der Frage komplett gespalten. So sehr die Verbandsoberen um Hubert Weiger für mehr Windkraft im Freistaat kämpfen, an der Basis im Bayerischen Wald wollen sie die nicht haben. "Ich bin grundsätzlich für Windräder, aber sie dürfen kein Dogma sein", sagt Jens Schlüter, der Geschäftsführer des BN in der Region. "Es geht nicht an, dass man die letzten ökologisch sensiblen Gebiete mit Windkraft zupflanzt." Auch Eva Pongratz vom Verein der Nationalpark-Freunde ist strikt gegen den Windpark. Der Wagensonnriegel liegt in direkter Nachbarschaft zum Nationalpark Bayerischer Wald. Auf dem Bergrücken leben Schwarzstörche und Habichtskauze, aber auch seltene Fledermausarten wie der Abendsegler. Sogar Luchse haben sich hier niedergelassen. Sollten die Windräder tatsächlich kommen, wären nicht nur all die seltenen Tierarten bedroht. Auch der Nationalpark würde leiden, sagt Pongratz. Womöglich wäre sogar das Europadiplom gefährdet, mit dem der Europarat den Nationalpark als einzigartige Naturlandschaft ausgezeichnet hat.

Bei den Grünen haben sie kein Verständnis für diese Art Naturschützer. "Wir stehen mit unseren Plänen erst ganz am Anfang", sagt der örtliche Grünen-Politiker Hans Madl-Deinhart, der mit seiner Energiegenossenschaft Freyung die vier Windräder errichten will. "Sämtliche naturschutzrechtlichen Fragen werden im Laufe des Verfahrens geprüft." Nur wenn die Anlagen keine Gefahr für Flora und Fauna darstellten, würden sie auch genehmigt.

Der bayerische Grünen-Chef Eike Hallitzky und der Landtagsabgeordnete Christian Magerl argumentieren sehr viel schärfer. "Wir alle wollen den Atomausstieg", sagt Hallitzky. "Jeder weiß, dass wir dazu Windräder brauchen." Das bedeute, dass "wir auch auf lokaler Ebene handeln müssen und nicht wie St. Florian mit dem Finger immer nur auf andere zeigen". Für Magerl sind die Sorgen um den Nationalpark "völlig aus der Luft gegriffen", eine Gefährdung von dessen Europadiplom nennt er "haltlose Gerüchte".

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