Gefährliche Krankheit:Die Rinder-TBC ist zurück

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Oftmals sieht man positiv getesteten Kühen ihre Krankheit gar nicht an. (Foto: dpa/dpaweb)

607 Kühe mussten bereits gekeult werden, bei Tausenden steht die Untersuchung noch aus: Die Rindertuberkulose ist zurück in Bayern. Im Oberallgäu macht die Krankheit bislang nur den Milchbauern zu schaffen - aber sie ist auch auf Menschen übertragbar.

Von Christian Sebald

Wenn es um seine Kühe geht, dann ist dem Allgäuer Biobauern Christian Albrecht nichts zu aufwendig. "Denn", so sagt der 42-jährige Altusrieder, "ich lebe ja nicht nur von den Tieren, sondern mit ihnen - tagaus, tagein. Deshalb sollen sie es gut haben." Also hat Albrecht die Liegeboxen in seinem Laufstall mit feinen Gummimatten ausgestattet, damit die 60 Milchkühe und die 20 Stück Jungvieh bequem ruhen und wiederkäuen können. Und er hat einen Melkroboter angeschafft, den die Kühe selbständig aufsuchen, wann immer sie das Euter drückt. Und dann ist da die Futtervorlage, die den Tieren das Fressen fein säuberlich präsentiert. So viel Aufwand treibt der Biobauer Albrecht um sein Vieh, dass er nie damit gerechnet hat, dass es ernsthaft erkranken könnte. Schon gar nicht hat er geglaubt, dass einmal die Rindertuberkulose eine Gefahr für seine Kühe werden könnte.

Seit dem 4. Januar ist alles ganz anders. An diesem Tag fuhren Tiertransporter auf Albrechts Biohof vor, Arbeiter luden 14 Milchkühe auf und brachten sie in die Tierkörperbeseitigungsanstalt. Dort wurden die Kühe gekeult. Wenige Tage zuvor war Albrechts Herde auf Rindertuberkulose getestet worden. Bei zehn Tieren fiel die Untersuchung positiv aus, bei vier war der Test nicht auswertbar. Damit war klar: Die 14 Kühe, ein knappes Viertel der Herde, müssen getötet werden. "Als man mir das gesagt hat, hat's mir den Boden unter den Füßen weggezogen", sagt Albrecht. "Und das nicht nur, weil du an jedem Tier hängst, sondern weil mit einem Mal auch deine Existenz in Gefahr ist."

Jeder vierte Hof im Allgäu ist betroffen

So wie Albrecht ist es seit Weihnachten 219 Milchbauern im Oberallgäu ergangen. Damit steht fest: Die Rindertuberkulose ist zurück in Bayern. Unklar ist nur, in welchem Ausmaß. Bisher wurden im Oberallgäu 885 Bauernhöfe und knapp 30.000 Rinder untersucht. Auf 220 Höfen, also auf jedem vierten, wurde wenigstens eine Kuh positiv getestet.

Insgesamt wurden bereits 607 Kühe gekeult. Das ergibt eine Quote von zwei Prozent. Die 220 Betriebe wurden gesperrt. 136 sind bereits wieder freigegeben. Bei 84 dauert die Sperre an, bei etlichen dürfte sie aber bereits in den nächsten Tagen wieder fallen.

Damit ist das Ganze freilich nicht ausgestanden. Denn bisher wurde noch nicht einmal die Hälfte der Oberallgäuer Bauernhöfe und nur ein Drittel der Milchkühe dort überprüft. Und in den übrigen südbayerischen Landkreisen laufen die Reihentests erst an. "Von Lindau bis ins Berchtesgadener Land haben wir 13.000 Milchbauern mit 560.000 Milchkühen", sagt Markus Schick. Der Tierarzt und Humanmediziner ist Vizechef des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und leitet dort den Rinder-TBC-Krisenstab. "Wenn wir Bayern frei von Rindertuberkulose kriegen wollen, müssen wir alle Bauernhöfe möglichst noch im Lauf dieses Jahres untersuchen."

Erst seit 1952 wird Rinder-TBC systematisch bekämpft

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Rindertuberkulose wie auch TBC beim Menschen in Deutschland weit verbreitet war. Noch Anfang der 1950er Jahre kam sie auf knapp zwei Dritteln der Bauernhöfe in Deutschland vor. Erkrankte Tiere magern stark ab, leiden an Fieberschüben und Husten und bringen immer weniger Milchleistung, bevor sie sterben.

Rinder-TBC ist aber nicht nur für Kühe gefährlich. Die Krankheit kann auch auf Menschen übertragen werden, vor allem durch den Konsum von Rohmilch. 1952 begann man in Deutschland, die Rindertuberkulose systematisch zu bekämpfen, indem man Reihenuntersuchungen einführte, positiv getestete Tiere tötete und die Molkereien die Milch von TBC-freien Bauernhöfen besser bezahlte. Der Erfolg stellte sich rasch ein. Schon Anfang der 1960er Jahre galt Deutschland als frei von Rinder-TBC. Viele Jahre erkrankten nur noch vereinzelt Rinder. Die jetzige Rückkehr ins Oberallgäu dürfte vor allem daran liegen, dass die Seuche vor Jahren im nahen Tirol grassierte und da auch massiv unter dem Rotwild.

Zwar ist die aktuelle Situation gewiss harmlos im Vergleich zu den Zeiten bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber man darf sie auf keinen Fall unterschätzen. "Zwei Prozent positiv getestete Tiere sind viel zu viel", sagt Seuchenbekämpfer Schick. "Und zwar nicht nur, weil als Grenze für die TBC-Freiheit eine Quote von 0,1 Prozent gilt. Sondern weil sich die Krankheit schnell ausbreitet, wenn wir nicht einschreiten."

Angst vor der Ausbreitung

Die weitere Ausbreitung ist es denn auch, vor der alle Angst haben im Oberallgäu, nicht nur die Bauern. "Denn wir leben hier letztlich von zwei Dingen", sagt der Oberallgäuer Landrat Gebhard Kaiser (CSU). "Von unserem Bergkäse, der in alle Welt exportiert wird, und natürlich von den vielen Touristen."

Bergkäse und Touristen sind aber ohne Bauern nicht denkbar. Denn ohne Bauern gibt es keine Milch für den Käse und all die anderen Spezialitäten der Molkereien. Die schmucken Bauernhöfe und die vielen tausend Kühe auf den Weiden und Alpen rund um Oberstdorf und Kempten sind aber auch der Grund dafür, warum es Touristen aus Nah und Fern immer wieder ins Oberallgäu zieht.

"Unser gutes Image bei Verbrauchern und Touristen ist aber sehr schnell dahin, wenn es um eine Krankheit wie Rinder-TBC geht", sagt Landrat Kaiser, "und dann geht's uns allen schlecht." Deshalb kämpft Kaiser seit dem ersten Verdachtsfall massiv dafür, dass die Rinderkrankheit schnellstmöglich wieder ausgemerzt wird.

Inzwischen hat Kaiser denn auch die Bauern auf seiner Seite. Das war gar nicht so einfach. Denn sie trifft der Kampf gegen die Rinder-TBC natürlich am härtesten. Nicht nur, weil man den allermeisten positiv getesteten Kühe die Krankheit überhaupt nicht ansieht und die Bauern sich deshalb sehr schwer damit tun, dass ihre Tiere getötet werden müssen. Sondern auch deshalb, weil die Höfe oft wochenlang gesperrt sind und die wirtschaftlichen Schäden schnell in die Tausende gehen - allen Entschädigungen zum Trotz.

"Aber was willst du machen", sagt der Biobauer Christian Albrecht, der 14 Milchkühe verloren hat, "du kannst ja nicht einfach so tun, als gäbe es die Seuche nicht. Jetzt bin ich zumindest sicher, dass ich sie nicht mehr auf meinem Hof habe."

© SZ vom 12.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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