Gefährliche Blow-ups:Autobahnen im Hitzestress

'Blow up' auf der Autobahn A5

Lebensgefahr: Wegen der großen Hitze ist vergangene Woche eine Betonfahrbahn auf der Autobahn 5 bei Heidelberg aufgebrochen.

(Foto: René Priebe/dpa)
  • Wegen der Gefahr von Blow-ups geht es auf vielen bayerischen Autobahnen nur mit reduziertem Tempo durch den Sommer: Betroffen sind die A 3, A 92, A 93 und A 94.
  • Beim Bau wurden nur gut 20 Zentimeter dicke Betonplatten verwendet, heute sind es fast zehn Zentimeter mehr.
  • Die Sanierung der Billig-Betonplatten aus den Achtzigerjahren kommt nur langsam voran.

Von Wolfgang Wittl

Manchmal bekommen Dinge noch einmal eine besondere Bedeutung, wenn man sie selbst durchmacht. Am Wochenende hat Erwin Huber so einen Fall erlebt. Der frühere CSU-Chef startete von seiner Heimat Dingolfing aus auf der Autobahn nach München, doch erfreulich war die Fahrt nicht. "Hundert Kilometer bei Tempo 80", stöhnte Huber: "Bei der Ankunft war ich total fertig."

Noch schlimmer als die Schleichfahrt war für Huber allerdings, dass er reihenweise überholt wurde: von Bussen, Lastwagen und sogar von Motorradfahrern, für welche die Geschwindigkeitsbegrenzung extra erlassen worden ist, da sie als besonders gefährdet gelten.

Inzwischen ist Huber nicht mehr CSU-Vorsitzender, sondern Chef des Wirtschaftsausschusses im Landtag. Seine Anekdote ist ein Beitrag zur derzeitigen Diskussion über den Zustand der bayerischen Autobahnen. Wie Huber ist es in den vergangenen Tagen vielen Autofahrern im Freistaat ergangen. Wegen der großen Hitze mussten sie sich an ein Tempolimit halten. Zu groß ist die Gefahr, ein Opfer von sogenannten Blow-ups zu werden. Eine Entwicklung, die sich in den kommenden Jahren vermutlich noch verstärken wird.

Wie es zum Blow-up kommt

Blow-up ist der Fachbegriff für eine unerwartete Wölbung der Fahrbahn, die sich bei außergewöhnlich hohen Temperaturen bildet. Betroffen sind Schnellstraßen, die aus Betonplatten bestehen. Durch die Hitze wie in den vergangenen Tagen kann die Temperatur auf der Fahrbahnfläche auf mehr als 50 Grad Celsius ansteigen. Die Unterseite der Platten dagegen ist deutlich kühler. So entstehen Spannungen, die sich explosionsartig entladen können.

Neu ist die Häufigkeit, mit der dieses Phänomen seit 2013 auftritt - damals verstärkt durch Hochwasser und starke Niederschläge. Die klimatischen Aussichten lassen jedoch nicht erwarten, dass sich die Situation verbessert. Vor allem in Südbayern sind weitere Hitzeschäden zu befürchten. Etwa 160 Kilometer - auf beiden Fahrbahnseiten also 320 Kilometer - waren am Wochenende auf Tempo 80 begrenzt. Betroffen waren die A 3 bei Regensburg, die A 92 zwischen Dingolfing-Ost und Feldmoching, die A 93 zwischen Pentling und Elsendorf sowie Teile der A 94.

Allein durch die Staus werde "ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden" verursacht, sagt der Passauer Abgeordnete Bernhard Roos (SPD). Besser dran ist der Norden Bayerns: Zum einen sind die Temperaturen etwas milder, zum anderen sind die Autobahnen wie die A 6, A 71 sowie A 73 moderner und damit stabiler gebaut, wie Fachleute des Innenministeriums im Ausschuss erklärten.

Welche Autobahn Vorrang hat

Der Staat unternehme sein Möglichstes, um Hitzeschäden auszubessern und Gefahren zu minimieren, sagte der zuständige Ministerialrat Siegfried Scheuer. Gleichwohl werden sich die Autofahrer noch einige Jahre auf Verkehrsbehinderungen einstellen müssen. Vorrang bei der Fahrbahnsanierung habe die A 3, "unsere östliche Hauptschlagader". Zwischen Regensburg und Straubing wurde die Strecke bereits ausgebessert, bis 2018 sollen die Arbeiten bis Passau abgeschlossen sein.

Deutlich mehr Zeit wird für andere Schnellstraßen veranschlagt: Bis zu zehn Jahre könne die Sanierung der A 92 und A 93 dauern - "entschieden zu lang", wie Erwin Huber findet: Man könne nicht 50 Millionen Euro für die Untertunnelung des Englischen Gartens in München aufwenden, während Autobahnen einer Instandsetzung bedürften.

Gut 1,2 Milliarden Euro standen dem Freistaat im vergangenen Jahr aus Bundesmitteln für die Fernstraßen zur Verfügung. 532 Millionen Euro wurden für ihren Erhalt verwendet. Vergleichsweise mickrig mutet die Zahl an, die seit 2013 in Vorsorgemaßnahmen wegen Hitzeschäden floss: 13 Millionen Euro. Damit wurden Betonplatten entweder ausgetauscht oder alle 380 Meter aufgeschnitten, um die Spannung der Fahrbahn zu reduzieren.

Auch Probleme bei asphaltierten Straßen

Bei den 13 Millionen handele es sich ausschließlich um Reparaturarbeiten, sagte der Ministeriumssprecher. Allein in die Erneuerung der A 3 und A 93 seien in den vergangenen zwei Jahren 75 Millionen Euro investiert worden - nach Ansicht des ADAC müsste allerdings noch viel mehr Geld in die Hand genommen werden, um die Straßen intakt halten zu können.

Etwa ein Drittel beträgt der Anteil der Betonautobahnen am deutschen Gesamtnetz. Blow-ups bilden sich vor allem auf Straßen, die vor 30 Jahren kostensparend gebaut wurden. Damals wurden nur gut 20 Zentimeter dicke Betonplatten verwendet, heute sind es fast zehn Zentimeter mehr. Zwei Drittel der Fernstraßen bestehen aus Asphalt, doch auch hier bereitet die Hitze Probleme durch Risse und tiefe Spurrinnen. Manchmal habe man sogar bemerkt, dass der Asphalt schmelze.

Die größte Gefahr besteht freilich auf Betonstrecken. Vor zwei Jahren starb ein Motorradfahrer im niederbayerischen Abensberg, weil er nicht mehr rechtzeitig dem sich aufbäumenden Untergrund ausweichen konnte. Doch selbst regelmäßige Kontrollen können nicht garantieren, dass man die Schwachstellen auch finde, sagen Experten. Die Tempolimits werden also weiter Bestand haben, auch wenn die Fahrt länger dauert. In diesem Jahr gab es sie bislang an acht Tagen.

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